Tatjana Pokorny
· 12.10.2025
Bei der WM für 49er, 49erFX und Nacra 17 wurde an diesem Sonntag erstmals ein neues Finalformat auf seine Olympia-Tauglichkeit getestet: das sogenannte “4-Punkt-Rennen”. Hinter diesem etwas sperrrigen Titel verbarg sich der Showdown der besten vier Boote nach der Fleetrace-Serie und einem dazwischengeschalteten “Gold Umpired Fleet Race” der besten 20 Boote mit nicht streichbarem Ergebnis. Was in der Theorie zunächst kompliziert klang, hat sich in der Wirklichkeit als Spannungskatalysator erwiesen.
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch der Aktiven nach möglichst vielen Rennergebnissen zur maximal fairen Ermittlung ihrer Meister im Natursport Segeln auf der einen und dem Wunsch des IOC, übertragender Fernsehsender und des Publikums nach Spannung bis zuletzt auf der anderen Seite, wird im Segelsport auf Kurs LA2028 nach Wegen gesucht, beiden Ansprüchen gerecht zu werden. Der aktuelle WM-Test hat gezeigt, dass es grundsätzlich möglich ist.
Bei den Welttitelkämpfen vor Sardiniens Küste hatten die Veranstalter an diesem Sonntag noch ein “Gold Fleet Umpired Race” zwischen die abgeschlossene Fleetrace-Serie und das neue “4-Punkt-Finale” geschaltet. So wollten sie auf dem Weg in den alles entscheidenden Endlauf ein olympisches Feld simulieren. Tatsächlich boten sowohl das “Gold Fleet Umpired Race” mit den Top-20 als auch das “4-Punkt-Finale” Intensität und Hochspannung.
Zum ersten Mal wurde ein von Seglern entworfenes Format ausgetragen, das die Traditionen einer serienbasierten Regatta mit einem Finale kombiniert, in dem die Sieger nicht – wie des Öfteren in der Vergangenheit – schon vorher feststehen können. Im Gegenteil: Im Finale ging es um alles. Alle vier teilnehmenden Boote konnten mit einem Rennsieg WM-Gold gewinnen. Der neue Ansatz lieferte, was sich die Organisatoren erhofft hatten: unvorhersehbare Rennen mit Medaillenentscheidungen ganz am Schluss.
Mit zwei spanischen Skiff-Siegen und einem britischen Nacra-17-Triumph zeigte die Weltmeisterschaft 2025 in Cagliari Hochleistungssegeln vom Feinsten. Während im 49er am Ende mit den spanischen Olympiasiegern und SailGP-Titelverteidigern Diego Botin und Florian Trittel die Fleetrace-Besten auch im ‘4-Punkt-Finale’ Gold abräumten, nutzten im 49erFX die Landsfrauen Paula Barceló und Maria Cantero und im Nacra 17 die Briten John Gimson und Anna Burnet ihre Finalchance, die zuvor Führenden noch zu übertrumpfen und WM-Gold zu holen.
Beides ist also möglich im neuen Finalformat: der Durchmarsch der Fleetrace-Sieger oder der Sieg eines der anderen drei Finalboote. In jedem Fall aber bleibt eine starke Leistung über die gesamte WM-Woche die Grundvoraussetzung. Bis zur Vergabe der WM-Medaillen am Poetto Beach von Cagliari herrschte Krimispannung – wenn auch ohne deutsche Beteiligung.
Als Fünfte nach den Fleetraces hatten Sophie Steinlein und Catherine Bartelheimer (Norddeutscher Regatta Verein/Segelclub Inning am Ammersee) den Sprung ins Finale der besten vier Boote als Fünfte nach den Fleetraces nur sehr knapp verpasst. Mehrfach lagen sie im Zwischenlauf der Top-20 sogar rechnerisch vor dem britischen Team Freya Black und Saskia Tidey, mit denen sie im Duell um den vierten Finalplatz kämpften. Am Ende markierte Platz fünf den größten Erfolg der deutschen Damen-Crew bei ihrer ersten gemeinsamen WM.
DSV-Cheftrainer Dom Tidey war mit dem German Sailing Team auf Sardinien und sagte zur Leistung von Sophie Steinlein und Catharine Bartelheimer: „Sophie und Catherine hatten den Speed, waren schnell und hatten einen Plan. Sie haben mit Zuversicht und Entschlossenheit agiert.“ Sophie Steinlein erklärte “unsere mentale Stärke” zu einem Erfolgsfaktor ihres Teams in dieser WM-Woche. “Wir fühlen uns vom Team sehr gut unterstützt, arbeiten mit Mentalcoach und wissen auch den NRV in unserem Rücken”, sagte Sophie Steinlein.
Auch die anderen beiden Top-Ten-Crews vom German Sailing Team bestritten erstmals eine Weltmeisterschaft im olympischen Skiff-Seniorenfeld in einem Boot: SailGP-Strategin Anna Barth und ihre gerade erst 18 Jahre alt gewordene Vorschoterin Emma Kohlhoff vom Kieler Yacht-Club, katapultierten sich am Schlusstag noch auf WM-Platz zehn. “Mit Platz fünf und zweimal Platz zehn haben wir gezeigt, wo wir stehen, aber auch, zu was wir imstande sein können. Dass alle drei unserer Crews in den Top-Ten ihre erste gemeinsame WM im olympischen Seniorenfeld bestritten haben, ist bemerkenswert”, sagte Dom Tidey.
Den zweiten zehnten WM-Platz sicherten mit ihren überzeugenden zweiten Rang im “Gold Umpired Fleet Race” Richard Schultheis und Fabian Rieger. Nach einigen Höhen wie zwei Tagessiegen und Tiefen wie dem schwachen Vorschlusstag, zeigten der Steuermann vom Norddeutschen Regatta Verein und sein Vorschoter vom Verein Seglerhaus am Wannsee am Ende noch einmal, warum schon im Auftaktjahr ihrer gemeinsamen Karriere als “Shooting Stars” gelten.
Mit Silber beim Spanien-Klassiker Trofeo Princesa Sofía und bei der Semaine Olympique hatten Schultheis und Rieger zu Saisonbeginn einen fast sensationellen Blitzstart hingelegt. Nach der Rückkehr weiterer potenter Routiniers ins 49er-Geschehen ist die Spitze im Männer-Skiff aber noch einmal breiter geworden. “Wir hatten einen guten Start, wissen aber, dass es ein langer Weg ist”, sagte Richard Schultheis.
Zum neuen Format sagte der 49er-Juniorenweltmeister von 2024 und zweimalige Motten-WM-Fünfte: “Es bedeutet auf jeden Fall Änderung, an die sich Segler anpassen müssen. Um Medaillen zu gewinnen, musst du trotzdem noch vier, fünf richtig gute Tage gesegelt haben, um ins ‘4-Point-Race’ zu kommen. Es gilt, jeden Tag gut zu performen. Wir als Segler wünschen uns ja größtenteils, dass es ein bisschen konstant läuft.” Sophie Steinlein sagte zum erstmals getesteten neuen Finalformat: “Ich fand es ganz cool und ziemlich fair für die Segler, aber auch spannend für die Medien.”