Tatjana Pokorny
· 21.11.2015
Erik Heil und Thomas Plößel haben als WM-Fünfte den 49er-Nationenstartplatz für Rio gesichert. Der Fairplay-Preis geht an die Teamkameraden
Aufatmen im Team der Deutschen Segel-Nationalmannschaft Audi Sailing Team Germany: Der Startplatz für die olympische Regatta in Rio de Janeiro 2016 ist nun nach den Disziplinen Laser, 49erFX, RS:X Männer, 470er Männer und Frauen sowie Nacra 17 auch für die 49er-Männer gesichert. Erik Heil und Thoma Plößel haben diese wichtigste Aufgabe im Rahmen der 49er- und 49erFX-Weltmeisterschaft vor Buenos Aires mit Platz fünf herausragend gelöst. Einen individuellen Olympiastart-Anspruch haben sie dadurch aber noch nicht erworben. Um die olympische 49er-Fahrkarte für das kommende Jahr kämpfen Heil/Plößel weiter mit ihren Sparringspartnern und Freunden Justus Schmidt und Max Boehme vom Kieler Yacht-Club.
Die jüngeren Kieler hatten in diesem Ausscheidungsduell der beiden besten deutschen 49er-Crews mit dem Sieg bei der 49er-Europameisterschaft im Spätsommer und den dafür eingeheimsten 25 Punkten zunächst mit zwölf Zählern Vorsprung die Führung vor Heil/Plößel übernommen. Bei der WM hat sich das Blatt nun gewendet. Erik Heil und Thomas Plößel erhöhten ihren Kontostand mit WM-Platz fünf um 16 Zähler auf insgesamt 29 Punkte. Justus Schmidt und Max Boehme dagegen konnten bei der WM gar nicht punkten, weil Boehme während der dreitägigen Qualifikation wie unzählige weitere WM-Teilnehmer und Teilnehmerinnen von einer hartnäckigen Magen-Darm-Erkrankung heimgesucht und geschwächt worden war. Die Kieler hatten nach der dreitägigen WM-Qualifikation und dem verpassten Cut für die Goldflotte der besten 25 Boote aufgegeben.
Die Entscheidung darüber, welches der beiden Teams 2016 für Deutschland bei den Olympischen Spielen startet, bleibt nun bis zur Weltcup-Regatta vor Palma de Mallorca im Frühjahr 2016 vertagt. "Es kommt also zum Showdown im Frühjahr", sagte Steuermann Justus Schmidt, dessen Team das WM-Fiasko bereits mit dem Motto des "Pink Panther" beantwortet hatte: "Ich komm' wieder, keine Frage!"
Die bessere Ausgangsposition für das finale Duell haben Erik Heil und Thomas Plößel, deren starkes WM-Ergebnis ihnen neuen Rückenwind im Kampf um die Rio-Fahrkarte gebracht hat. Im Licht dieses Erfolges dankten Erik Heil und Thomas Plößel nach dem WM-Finale vor allem ihren Teamkameraden. Denn drei Tage vor WM-Schluss war auch Thomas Plößel vom dem im WM-Quartier grassierenden Infekt heimgesucht worden. Die Mannschaft hielt das zunächst geheim, um der internationalen Konkurrenz im Kampf um den Nationenstartplatz kein Zeichen der Schwäche zu signalisieren. Intern aber rotierten alle Beteiligten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, gingen auf der Suche nach einem möglicherweise nötigen Ersatzmann auch im Zusammenspiel mit DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner in Hamburg alle Szenarien durch. Während Plößel sich am Donnerstagabend wie so viele WM-Teilnehmer immer wieder heftig erbrach, richtete sich die Frage aller Fragen an Justus Schmidt und den inzwischen wieder gesunden Max Boehme: Würde Boehme Thomas Plößel am Freitag in den vier angesetzten Rennen vertreten, falls das nötig werden sollte?
Keine fünf Minuten überlegten sich Schmidt und Boehme ihre Antwort. Abzuwägen galten der laufende Kampf um den Nationenstartplatz, ohne den keine der beiden deutschen Crews 2016 in Rio würde starten können, und die Eigeninteressen auf der Jagd nach Punkten für das individuelle Ausscheidungskonto. Erik Heil erzählte: "Justus und Max standen vor der Wahl, sich mit der Hilfe für uns vielleicht mit Blick auf den Kampf um die Olympiafahrkarte ins eigene Bein zu schießen oder aber uns zu helfen, den für uns alle wichtigen Nationenstartplatz zu sichern. Dann sagte Max kurz und bündig: 'Lass' uns lossegeln.' Dafür sind wir den beiden sehr, sehr dankbar. Wir haben die loyalste Trainingsgruppe der Welt!" Dass Thomas Plößel schneller auf die Beine kam als gedacht und am Freitag doch selbst antreten konnte, machte das Hilfsangebot der Rivalen aus Heils Sicht nicht weniger wert.
Zwischen den befreundeten beiden deutschen 49er-Crews wird es nun 2016 bei der Weltcup-Regatta vor Palma de Mallorca zum Showdown kommen. Heil/Plößel (29 Punkte) starten mit vier Zählern Vorsprung vor Schmidt/Boehme (25 Punkte) in das Finale des vorolympischen nationalen Duells um das Rio-Ticket. Über die eigenen Chancen sagte Erik Heil: "Schwer zu beurteilen. Vor Beginn der Ausscheidungsserie hätte ich die Chancen mit 80:20 für uns bewertet. Dann kamen der EM-Sieg und die mit Bonuspunkten belohnte Medaille für Justus und Max. Das hat uns sehr hart arbeiten lassen. Wir waren in den letzten Jahren in Palma immer erfolgreich und starten optimistisch in die entscheidende Regatta."
Weltmeister im 49er wurden in Argentinien die neuseeländischen Weltsegler des Jahres und America's-Cup-Shooting-Stars Peter Burling und Blair Tuke, die ihren Titel so erfolgreich verteidigten, dass ihnen der Sieg schon vor dem abschließenden und doppelt gewerteten Medaillenrennen nicht mehr zu nehmen war. Zweite wurden nach furiosem Schlussspurt die australischen Olympiasieger Nathan Outteridge und Iain Jensen, der im Verlauf der WM ebenfalls erkrankt und erst gegen Ende der Serie wieder fit war und das auch demonstrierte. Bronze sicherten sich die Spanier Federico Alonso und Arturo Alonso Tellechea.
Im 49erFX-Feld der Frauen konnte sich keine deutsche Crew für das Medaillenfinale der besten zehn Crews qualifizieren. Bestes DSV-Team waren die Berlinerinnen Victoria Jurczok und Anika Lorenz vom Verein Seglerhaus am Wannsee mit Platz zwölf. Tina Lutz und Susann Beucke beendeten die WM auf Platz 15, die Kieler Zwillinge Jule und Lotta Görge auf Platz 22. Die ebenfalls zwischenzeitlich erkrankte Leonie Meyer und Elene Stoffers kamen nicht über Platz 25 hinaus. Weltmeisterinnen wurden die schnellen Italienerinnen Giulia Conti und Francesca Clapcich vor den Brasilianerinnen Martine Grael und Kahena Kunze. Bronze sicherten sich die Däninnen Ida Marie Baad Nielsen und Marie Thusgaard Olsen.