Tatjana Pokorny
· 31.07.2016
Der Schwarzwälder RS:X-Surfer Toni Wilhelm will im dritten Anlauf die Medaille jagen, die er 2012 als Vierter so knapp verpasst hatte
Vor vier Jahren war Toni Wilhelm der erfolgreichste Athlet der Segel-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen vor Weymouth. Am Ende seiner Galavorstellung aber musste er sich nach großem Kampf schweren Herzens mit Platz vier anfreunden, weil das Finale nicht nach Wunsch verlaufen war. Auch dieses Erlebnis hat Toni Wilhelm motiviert, ein drittes Mal bei Olympischen Spielen anzutreten und noch einmal um eine Medaille zu kämpfen. Von seiner Erfahrung wird er nicht nur selbst profitieren. "Er ist damit ein wertvoller Pluspunkt für die ganze Mannschaft", urteilt DSV-Cheftrainer David Howlett. Dessen Einschätzung des Surfers im Segelteam: "Toni ist ein vorbildlicher Athlet und extrem fit. Er muss verinnerlichen, dass er jeden Surfer der Olympia-Regatta schon geschlagen hat und ihn auch wieder schlagen kann. Für mich ist Toni ein Medaillenkandidat."
Als erster aller deutschen Segler des Audi Sailing Team Germany war Toni Wilhelm bereits am 25. Juli in das Apartment im Olympischen Dorf eingezogen, das er mit Philipp Buhl teilt. "Hier wird es so langsam", berichtete Wilhelm. "Als ich am 25. Juli ankam, herrschte noch Chaos, und nichts hat so richtig funktioniert. Es war anfangs etwas enttäuschend, aber jetzt geht es langsam in die richtige Richtung. Die Stimmung ist super, es wird allmählich richtig voll hier – ein richtig geiles olympisches Dorf!" Die Räume, so Wilhelm, seien sehr einfach gehalten, doch es fehle an nichts. "Und mit Buhli im Zimmer kann eh nichts schiefgehen ..."
Wilhelm ist im dritten Olympia-Anlauf nach 2004 und 2012 extrem fokussiert. "Ich habe in den vergangenen vier Tagen voll trainiert, gestern und heute dann zwei Ruhetage gehabt. Das Training lief super, das Matrial ist so weit eingestellt." Abzuarbeiten seien allerdings noch einige Jury-Anfragen. Wilhelm – und damit ist er nicht der einzige Surfer – möchte "Sachen am Material ändern", die laut Klassenregeln erlaubt sind, bei den Spielen mit dem gestellten Material aber nicht. "Diese beeinflussen die Performance ziemlich stark und sind auch von Brett zu Brett anders, was eigentlich nicht sein kann." Der Schwarzwälder und sein französischer Trainer Pierre Loquet hoffen auf eine positive Jury-Antwort.
Im dritten Anlauf auf Medaillenjagd: Toni Wilhelm ist der erfahrenste Athlet in der deutschen Segel-Nationalmannschaft. Nach der 2012 so knapp verpassten Medaille will Wilhelm es in der Guanabara Bucht noch einmal wissen.
Abgesehen von der Erledigung dieser technischen Hausaufgaben sagt Wilhelm: "Ich bin richtig heiß auf die Spiele und freue mich unheimlich, dass es bald losgeht." Der 33-jährige gebürtige Lörracher ist nach seinem Handbruch 2015 rechtzeitig wieder in Top-Form. Als Sportwissenschaftler lebt Wilhelm in Lausanne und startet für den Württembergischen Yacht-Club. Seine Triebfedern sind Leidenschaft, Ehrgeiz und ein hoher Anspruch an sich selbst. Er sagt: "Ich empfinde es als Privileg, den schönsten Sport der Welt ausüben zu dürfen." Ganz im Stile seiner Vorbilder Dirk Nowitzki und Roger Federer bezeichnet auch Wilhelm seine Willenskraft als stärkste Waffe. Dem im internationalen Surflager beliebten Deutschen fehlt es zwar daheim an Trainingspartnern auf Augenhöhe, doch diese Lücke hat er mit internationalen Surfern geschlossen. Eine Brise mehr Mut als noch in Weymouth soll seine Medaillenjagd beflügeln.