Segel-WMTränen, Bruch, Erschütterung – schwarzer Tag für Team Germany

Tatjana Pokorny

 · 17.08.2023

Bild mit Symbolcharakter: Am schwarzen Donnerstag ging es für viele DSV-Akteure abwärts. Kiterin Leonie Meyer, die bis dahin als Gesamtvierte überragend agiert hatte, kosteten eine gebrochene Leine und eine Verkettung unglücklich verlaufender Hilfsmaßnahmen zwei Rennen und zehn Plätze
Foto: Sailing Energy/World Sailing
Der siebte WM-Tag in Den Haag war einer zum Vergessen für das German Sailing Team. Allein Windsurf-Riese Sebastian Kördel blieb als Zweiter bei den iQFoilern auf Kurs. Im deutschen 470er-Lager flossen Tränen der Enttäuschung. Bruch und Abstürze sorgten in weiteren Klassen für Erschütterung

Gerade, als man am Donnerstag im German Sailing Team in Den Haag dachte, es könne nicht mehr schlechter laufen, kam die nächste schlechte Kunde. Der siebte WM-Tag war auf der launischen und strömungsintensiven Nordsee ein rabenschwarzer für die Segelnationalmannschaft. Das konnten auch die Glanzlichter nicht verhindern, die Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer mit ihrem versöhnlichen dritten Rang im Nacra-17-Finale oder Sebastian Kördel mit seinen Leistungen als Gesamt-Zweiter bei den neu olympischen iQFoil-Windsurfern setzten.

Kein guter Tag für das German Sailing Team

Im 470er-Mixed-Lager flossen einige Tränen der Enttäuschung über die geplatzten Medaillenhoffnungen. Ilca-7-Steuermann Philipp Buhl haderte nach zwei massiv verpatzten Rennen mit sich selbst wie selten zuvor. Kiterin Leonie Meyer rauschte nach Bruch und viel Pech im Kampf um den schnellstmöglichen Wiedereinstieg in die Tageswettfahrten die Ränge von Platz vier auf Platz 14 hinab. Hohe zweistellige Platzierungen belasteten an diesem Tag die deutschen WM-Konten, als hätte sich der Himmel gegen die Nationalmannschaft verschworen.

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Schon am Vormittag war Deutschlands erfolgreichster Lasersegler der vergangenen zehn Jahre über seine Leistungen “erschüttert”: Philipp Buhl stürzte bei den Allianz Sailing World Championships mit den Rängen 50 und 40 auf Platz zwölf ab.

Zwei Tage zuvor hatte er sich noch das rote Bip des Flotten-Dritten verdient. “90 Punkte in zwei Rennen bei diesen Bedingungen? Das sind mehr Punkte als in drei Melbourne-WMs zusammen. Ich habe mich heute komplett verloren”, sagte Buhl, der 2020 vor Melbourne als erster deutscher Lasersegler zum Weltmeister gekürt worden war. Zwei Rennen bleiben dem Steuermann vom Norddeutschen Regatta Verein, um sich seinen Platz im Finale der Top Ten zurückzuerobern. Seine Comeback-Qualitäten sind bekannt.

Unser dritter Rang im Finale war versöhnlich” (Paul Kohlhoff)

Am Nachmittag folgten mit den Medaillenrennen der besten zehn Nacra-17-Crews und der 470er-Mixed-Teams die Tageshöhepunkte. Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer waren nach zweigeteiltem WM-Verlauf als Neunte ohne Medaillenchancen in die Entscheidung gestartet. Die Olympia-Dritten hatten die WM fulminant eröffnet, zwei Tage lang Siege und starke Platzierungen eingefahren, agierten mit hoher Sicherheit. Dann der Bruch: In der Hauptrunde folgten serienweise ernüchternde zweistellige Ergebnisse. “Das war die Überraschung. Nicht die Vorrunde”, sagte Paul Kohlhoff.

Das Kieler Duo fand sich in der Goldflotte plötzlich nicht mehr so zielsicher zurecht wie zuvor. Die Ursachen dafür können die beiden nur schwer ausmachen. Am Ende der WM steht dank des beherzt bestrittenen Finallaufes ein siebter Platz. Paul Kohlhoff sagte: “Unser dritter Rang im Finale war versöhnlich. Wir haben den Nationenstartplatz und den Kaderstatus bestätigt, das war gut. Aber wir wollten mehr.”

Die 470er-Medaillenhoffnungen platzten im Finale

Das wollten auch die erfolgreichen deutschen 470er-Mixed-Crews. Als Dritte und Fünfte mit guten Chancen auf Silber oder Bronze ins Finale gestartet, kamen die deutschen Duos Malte und Anastasiya Winkel (Schweriner Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein) und Simon Diesch/Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Joersfelder Segel-Club) als Siebte und Achte ins Ziel. Im WM-Abschlussklassement bedeutete das die Plätze fünf und acht. Die Titelverteidiger Luise Wanser und Philipp Autenrieth (Norddeutscher Regatta Verein/Bayerischer Yacht-Club) wurden Neunte. Aus den möglichen zwei Medaillen wurde keine.

“Wir sind sehr enttäuscht, aber wir konnten den Nationenstartplatz für die Olympischen Spiele sichern”, sagte Anastasiya Winkel. Kämpferisch fügte sie hinzu: “Die Japaner haben hier verdient die Nationenwertung gewonnen. Trotzdem glaube ich, dass wir auf Kurs Olympische Spiele die bessere Gruppe sind.”

Es war unglaublich schwer, den Druck da draußen zu finden. Man sah ihn erst, wenn er da war” (Anna Markfort)

Zuletzt hatten Winkel/Winkel die japanischen Weltmeister im vergangenen Monat bei der Testregatta im Olympiarevier vor Marseille auf Platz drei verwiesen. Sie glauben weiter an die Stärke der deutschen Weltklasse-Trainingsgruppe, auch wenn es im schwierigen Nordseerevier nicht zu Medaillen reichte. Anna Markfort, den Tränen nach überragend bestrittener erster und schwerer zweiter WM-Halbzeit so nah wie Anastasiya Winkel, sagte nach dem Finale: “Es war einfach unglaublich schwer heute, den Druck da draußen zu finden. Man sah ihn erst, wenn er da war. Das ist Klagen auf hohem Niveau, aber es tat trotzdem weh heute.”

Teamkameradin und Kiterin Leonie Meyer (NRV), die bis zum schwarzen Donnerstag eine herausragende Serie bestritten hatte und auf Platz vier lag, erwischte es besonders hart. Sie fiel von Platz vier auf 14 zurück, weil ihre Kite-Leine riss und eine Kette schiefgelaufener Hilfsmaßnahmen von außen auch das Folgerennen kostete. Ihr Trimmersystem hatte Meyer drei Tage vor der WM gegen ein neues ausgetauscht und noch eingefahren. “Ein scharfer Grat innerhalb der Rolle hat das ganze Seil aufgeschnitten. Das konnte ich nicht sehen oder kontrollieren”, erzählte Leonie Meyer von der Ursache für ihren harten Tag.

Kettenreaktion mit Folgen

Die Leine riss gleich im ersten Rennen des Tages. “Da ist mir der komplette Kite flöten gegangen”, so Meyer. Den musste sie zunächst zusammensammeln und einpacken. Der für Meyer zuständige Interimstrainer sah sie nicht richtig. Es wurde dann durchgegeben, dass ein deutscher Trainer zur Luvtonne fahren sollte. Das tat der Männer-Trainer Jan Hauke Erichsen, der auch Meyer in dieser Woche stark unterstützte.

An der Luvtonne aber war nicht Meyer, sondern eine Französin. Meyer musste beim “Rescue-Team” mit aufs Boot, um ihre Probleme schnell lösen zu können. Sie gab noch eilig Instruktionen: “Passt mit dem Motor auf, macht ihn aus.” Ja, hieß es, der sei aus. “Und was war? Der Propeller war an, hat meine ganzen Leinen gefressen. Da musste ich die ganzen Seile erst wieder rausholen. Das hat alles Ewigkeiten gedauert”, erinnert sich Leonie Meyer an diesen Teil der unglücklichen Kettenreaktion. Der WM-Betreuer brachte sie schließlich bis vor den Strand.

Morgen ist ein neuer Tag. Ich hoffe, dass ich wieder in die Top Ten reinkomme” (Leonie Meyer)

“Da musste ich reinschwimmen und den Strand hochrennen. Die Caddies dort sind einfach nur großartig. Sie hatten schon alles vorbereitet, schon mit den Vermessern gesprochen, dass ich den Kite tauschen darf.” In rasender Geschwindigkeit gelingt Meyer der Akt. “Dann bin ich wieder runtergerannt und und habe alles gegeben, um den Start des nächsten Rennens zu schaffen. Dafür fehlten mir 20 Sekunden.”

Mit einem “DNF” und einem “DNC” sowie von Ersatzmaterial belastet und am Rande der Erschöpfung, kam Leonie Meyer an diesem Tag in zwei weiteren Rennen nicht mehr zu den guten Resultaten der Vortage. Ihren Mut und ihre Angriffslust hat sie nach dem verflixten Tag nicht verloren: “Morgen ist ein neuer Tag. Vielleicht mit etwas weniger Wind. Ich werde noch mal angreifen und hoffe, dass ich wieder in die Top Ten reinkomme.”

Windsurfriese Sebastian Kördel bleibt auf Kurs

Hoffnungsträger der Segel-Nationalmannschaft bleibt auf dem von vielen Seglern so schwer zu lesenden Stromrevier der Nordsee Titelverteidiger Sebastian Kördel (NRV), der nach 14 von 20 Rennen im neu olympischen iQFoil Zweiter ist und sich bislang auch von Dämpfern in der Serie nicht aus dem Konzept hat bringen lassen.

Ilca-Action, die Philipp Buhl möglichst schnell vergessen möchte. Dazu die Medaillenrennen der besten Nacra-17-Crews und der 470er-Mixed-Teams – von den Gastgebern inklusive Eröffnungsfeier Tag 8 genannt, obwohl es der siebte Segeltag war:

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