Tatjana Pokorny
· 29.07.2018
Für das German Sailing Team ist die WM in Aarhus fast ein Heimspiel: In oft ähnlichen Bedingungen wie vor Kiel geht es um Medaillen und Olympiastartplätze
Die ersten Startschüsse fallen am Mittwoch für die 470er-Segler und Seglerinnen, die Eröffnungsfeier steigt am selben Abend. Mit 60 deutschen Athleten entsendet der Deutsche Segler-Verband (DSV) eine der größten Flotten in die Hempel World Sailing Championships nach Aarhus. Dänemarks zweitgrößte Stadt und die Bucht von Aarhus sind in diesem heißen Sommer die Bühne der alle vier Jahre ausgetragenen gemeinsamen Weltmeisterschaften aller zehn olympischen Disziplinen. Hinzu kommen 2018 zwei Weltmeisterschaftsserien für Kiter und Kiterinnen.
Dieser Clip entstand schon vor einem Jahr und ist eine kleine Liebeserklärung der Gastgeber an ihr Revier. Ab Mittwoch wird es aktuelle Bilder aus der dänischen Segelmetropole geben
Es geht für die Teilnehmer um 36 Medaillen und bereits 40 Prozent der für die Olympischen Spiele 2020 zur Verfügung stehenden Nationenstartplätze. Die ersten WM-Startschüsse fallen am 2. August für die Disziplinen Finn-Dingy, 470er Männer und 470er Frauen. Am selben Tag wird die Welttitelserie am Abend im neu gestalteten Hafenviertel Aarhus Ø eröffnet. In diesem Quartier wurde erst am 23. Mai dieses Jahres das neue Aarhus International Sailing Center von Dänemarks Kronprinz Frederik und World-Sailing-Präsident Kim Andersen eröffnet. In Dänemark bereiten sich die Gastgeber auf eines der größten Sportereignisse in ihrer Geschichte vor. Erwartet werden rund 1400 Segelsportler aus 90 Nationen mit ihren Betreuer-Teams sowie bis zu 400.000 Besucher, was die Gesamtzahl der 324.000 Einwohner in Aarhus noch übertreffen würde.
Torsten Haverland, DSV-Vizepräsident und verantwortlich für den Leistungssport, sagt: "Mit Blick auf den bisherigen Saisonverlauf und einige herausragende Ergebnisse haben wir uns als Team zwei Medaillen zum Ziel gesetzt. Was den Kampf um die Nationenstartplätze für die olympische Regatta 2020 in Enoshima angeht: Da traue ich unserer Mannschaft zu, dass sie mindestens 60 Prozent dieser Chancen nutzt." Da Athleten des German Sailing Team in acht der zehn Disziplinen am Start sind, würde das der frühzeitigen Sicherung von fünf der zehn möglichen Nationenstartplätze gleichkommen.
"Ich will in Aarhus um den WM-Titel kämpfen und den Nationenstartplatz früh sichern", gibt Weltcup- und Kieler Woche-Sieger Philipp Buhl die Schlagzahl vor, "für uns ist diese WM fast ein Heimspiel, die Bedingungen dort können denen in unserem Trainingsrevier vor Kiel sehr ähnlich sein." Der Laser-Steuermann und Weltranglisten-Zweite vom Segelclub Alpsee-Immenstadt, den seine Teamkollegen zum Flaggenträger der deutschen Segel-Nationalmannschaft gewählt haben, zählt in der olympischen Einhandjolle Laser zu den Medaillenfavoriten und hat sich intensiv auf die Welttitelkämpfe vorbereitet, die für seine Disziplin am 3. August beginnen. Mit Buhl starten auch Nik Aaron Willim (Norddeutscher Regatta Verein), Theodor Bauer (Röbeler Segler-Verein Müritz) und Eric Malach (Norddeutscher Regatta Verein) in die Serie der zehn Rennen mit dem abschließenden Medaillen-Finale am 10. August.
Den gleichen Zeitplan haben die Laser-Radial-Seglerinnen Svenja Weger (Potsdamer Yacht-Club), Lena Haverland (Schweriner Yacht-Club), Pia Kuhlmann (Schaumburg-Lippischer Segler-Verein), Julia Büsselberg (Verein Seglerhaus am Wannsee), Laura Bo Voss (Mühlenberger Segel-Verein) und Pauline Liebig (DSMC Konstanz). Svenja Weger, Europameisterin von 2014, erklärt die Herausforderungen des Reviers: "Vor Aarhus herrschen meistens Flachwasserbedingungen mit einer steilen Kabbelwelle. Für uns sind das äußerst anstrengende Bedingungen: Im Laser muss man ununterbrochen hängen, um das Boot möglichst aufrecht zu segeln. Bei größeren Wellen kann man im Wellental auch mal etwas Druck von der Kante nehmen. Zusätzlich kann man die Krängung auch über die Arbeit mit der Schot regulieren. Im Allgemeinen ist aber ab einer gewissen Windstärke das Hängen einfach der wichtigste Faktor für einen guten Bootsspeed. Um hierbei auch in einem Weltklassefeld bestehen zu können, war ich im Winter daher sehr aktiv im Kraftraum."
Noch vor den Laserseglern steigen die deutschen Finnsegler Phillip Kasüske (Verein Seglerhaus am Wannsee), Max Kohlhoff (Norddeutscher Regatta Verein), Simon Gorgels (Deutscher Touring Yacht-Club) und Lars Haverland (Schweriner Yacht-Club) sowie die 470er-Segler ins Geschehen ein. Bei den Männern sind Simon Diesch/Philipp Autenrieth (Württembergischer Yacht-Club/Bayerischer Yacht-Club), Malte Winkel und Matti Cipra (Schweriner Yacht-Club/Plauer Wassersportverein), Jan Jasper Wagner/Julian Autenrieth (Verein Seglerhaus am Wannsee/Bayerischer Yacht-Club) und Daniel Göttlich/Linus Klasen (Verein Seglerhaus am Wannsee/Potsdamer Yacht-Club) am Start. Im Feld der 470er-Frauen greifen Nadine Boehm/Ann-Christin Goliaß (Deutscher Touring Yacht-Club), Frederike Loewe/Anna Markfort (Verein Seglerhaus am Wannsee) sowie Fabienne Oster/Anastasiya Winkel (Norddeutscher Regatta Verein), Luise Wanser/Helena Wanser (Norddeutscher Regatta Verein), Constanze Stolz/Anna Reinsberg (Düsseldorfer Yacht-Club/Warnemünder Segel-Club) und Theresa Löffler/Lena Stückl (Deutscher Touring Yacht-Club) an. Die Serien für Finn-, 470er-Männer- und 470er-Frauen enden am 9. August mit den Medaillenrennen.
Zum Favoritenkreis zählen die deutschen Skiff-Seglerinnen und Segler. Die Vize-Europameisterinnen und Weltranglisten-Vierten Vicky Jurczok und Anika Lorenz (Verein Seglerhaus am Wansee) sowie die Europameisterinnen von 2017, Kieler-Woche-Zweiten und Trainingspartnerinnen Tina Lutz und Susann Beucke (Chiemsee Yacht Club/Hannoverscher Yacht-Club) haben sich für die Weltmeisterschaft viel vorgenommen. "Wir wollen uns ja immer verbessern, daher streben wir nach Platz 6 bei der letzten Weltmeisterschaft einen Platz in den Top 5 an", erklärt 49erFX-Steuerfrau Vicky Jurczok aus Berlin, "und gemeinsam mit Tina und Sanni wollen wir auch das Nationenticket für Tokio 2020 lösen. Ich denke, dass uns das mit vereinten Kräften gelingen sollte." Neben den beiden deutschen Top-Crews sind außerdem Natsumi Ando und Fenja Valentien vom Norddeutschen Regatta Verein am Start.
Dasselbe Ziel verfolgen die 49er-Segler. Die Kieler Justus Schmidt/Max Boehme (Kieler Yacht-Club) konnten sich nach längerer studienbedingter Pause mit Platz 5 bei der Europameisterschaft gerade erst rechtzeitig zur Weltmeisterschaft wieder in Top-Form zurückmelden. "Über diesen gelungenen Wiedereinstieg waren wir selbst überrascht", sagt Steuermann Schmidt, "in Aarhus wollen wir nun helfen, den Nationenstartplatz für die Olympischen Spiele zu sichern. Wenn wir als Crew in die Top 6 segeln könnten, wäre es aus meiner Sicht ein beeindruckendes Ergebnis." Auch die Rio-Bronzemedaillen-Gewinner Erik Heil und Thomas Plößel (Norddeutscher Regatta Verein) sind nach ihrer zwischenzeitlichen Fokussierung aufs Studium wieder ganz auf ihre Olympia-Kampagne konzentriert. Mit ihnen wollen Jakob Meggendorfer/Andreas Spranger (Bayerischer Yacht-Club), Nils Carstensen/Jan Frigge (Flensburger Segel-Club) und Tim Fischer/Fabian Graf (Norddeutscher Regatta Verein/Verein Seglerhaus am Wannsee) zeigen, dass sie der Weltspitze immer näher rücken. Die Serie der Skiffsegler beginnt am 4. August und endet mit den Medaillenrennen am 11. August. Wie auch die RS:X-Surfer absolvieren sie 14 statt der in den anderen Disziplinen üblichen zehn Wettfahrten bis zum Finale.
Am 5. August beginnen die WM-Läufe für die Mixed-Katamaran-Teams im Nacra 17. Unter deutscher Flagge wird das German Sailing Team von Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer (Kieler Yacht-Club), Johannes Polgar/Carolina Werner (Norddeutscher Regatta Verein/Kieler Yacht-Club) sowie dem erst 16 Jahre alten Nachwuchs-Steuermann Silas Mühle und Lea Spitzmann (Hamburger Segel-Club/Flensburger Segel-Club) repräsentiert. Wollen die foilenden Zweirumpf-Spezialisten den Olympia-Startplatz für Deutschland sichern, müssen sie in die Top 8 Nationen segeln. "Das wird eine schwere Aufgabe", sagt Carolina Werner, "aber wir glauben, dass wir das gemeinsam schaffen können." Nacra-17-Steuermann Johannes Polgar sagt: "Paul und Alica sind die Starkwindraketen. Gemeinsam sollte es uns gelingen, den Tokio-Startplatz für Deutschland im Nacra 17 zu sichern." Die ersten Rennen der Nacra-17-Flotte beginnen am 5. August, ihr Finale setzt am 12. August eines der drei letzten WM-Ausrufezeichen.