Tatjana Pokorny
· 26.04.2025
Nein, nicht alle Olympia-Klassen waren in dieser Auftaktphase der nacholympischen Saison beim Sailing Grand Slam in Frankreich schon maximal stark besetzt. Doch ja, die besten deutschen Akteure hatten sich im 470er-Mixed, in den Skiff-Disziplinen, im Ilca 6 und auch bei den Kitern durchaus gegen sehr veritable Konkurrenz zu behaupten. Das gelang vor allem Simon Diesch und Anna Markfort im 470er-Mixed in imposanter Weise.
Das Gold des 470er-Mixed-Duos und die zweite Silbermedaille für die 49er-Segler Richard Schultheis und Fabian Rieger binnen eines Monats bescherten dem German Sailing Team inklusive weiterer fünf Top-Ten-Platzierungen Platz drei in der im Länder-Ranking der 56. Semaine Olympique Francaise.
Zur guten Bilanz der Nationalsegler trugen auch die 470er-Mixed-Segler Theresa Löffler mit Christopher Hoerr (Deutscher Touring Yacht-Club/Segel-Club Breitbrunn-Chiemsee) und die 49er-Olympia-Elften Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger (Bayerischer Yacht-Club) mit ihren vierten Plätzen bei.
Anna Markfort, die für den Verein Seglerhaus am Wannsee und den Joorsfelder Segel-Club startet, sagte am Nachmittag nach dem Finale in Hyères: “Wir haben hier auch in schwierigeren Momenten einen klaren Kopf bewahrt und sind ruhig geblieben. Es war eine großartige Woche. Wir hatten alles: Sonne, leichten Wind, starken Wind, mittlere Windstärken – eine gute Mischung aus allem. Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.”
Steuermann Simon Diesch (Württembergischer Yacht-Club) erklärte dazu die psychologische Bedeutung hinter diesem ersten Grand-Slam-Sieg mit Anna Markfort zum Auftakt der gerade gestarteten zweiten gemeinsamen Olympia-Kampagne. Der 30 Jahre alte Steuermann sagte: “Letztendlich ist es eine Erkundung auf dem Weg zu den Spielen. Jeder Sieg, den man unterwegs einfahren kann, ist ein Ausrufezeichen für sich selbst – und man denkt sich: ‘Wir können das schaffen, und ihr solltet euch vor uns in Acht nehmen.’”
Das Gefühl tut gut nach dem vor allem für sie selbst enttäuschenden 14. Platz bei ihrer Olympia-Premiere im vergangenen Jahr in Marseille. Simon Diesch sagt: “Das war auf jeden Fall ein Schuss vor den Bug, der uns Hausaufgaben aufgegeben hat. Und der gezeigt hat, dass es noch viel Entwicklungspotenzial auch bei uns im Team gibt. Und jetzt ergibt sich halt auch der Zeitrahmen, da mal tiefer einzusteigen und an den Dingen zu arbeiten.”
Sein Team wisse, was es im Bereich der Olympia-Qualifikation und auch davor geleistet habe. “Wir wissen”, so Simon Diesch, “dass wir es in Marseille nicht aufs Wasser bekommen haben. Die Frage ist einfach, wie wir es jetzt konstant dahinbekommen. Und dafür haben wir uns jetzt schon ein bisschen in die richtige Richtung entwickelt. Daran müssen wir weiter arbeiten.”
Das deckt sich mit den Zielen des neuen britischen DSV-Cheftrainers Dom Tidey, der sich über die Leistungen seiner Mannschaft freuen konnte. Tidey sagte in Hyères: “Das war heute ein schöner Tag und es war insgesamt eine gute Woche. Bei uns passiert sehr viel hinter den Kulissen. Das hier ist nur der Start, denn es gibt viel zu tun. Wir werden also nicht zu sehr feiern. Aber die Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, große Events zu gewinnen.“
Nicht nur in der eigenen Crew, sondern auch im gesamten German Sailing Team spüren die Segler nach den medaillenlosen Spielen im vergangenen Sommer eine neue Aufbruchstimmung in sportlicher Regie von Dom Tidey. Simon Diesch sagt: “Man spürt es absolut. Ich glaube, dass der Chefcoach in dieser Rolle, ohne gleichzeitig Klassentrainer zu sein, einfach dem ganzen Team so ein wenig einen Hut aufsetzen, eine Philosophie und eine Richtung geben kann.”
Simon Diesch sagt: “Das tut, glaube ich, dem gesamten Team gut. A entsteht ein besseres Wir-Gefühl und B entsteht auch einfach eine Wissensbasis, ein von ihm betriebener Austausch auf Basis seiner Philosophie. Und natürlich ist er auch ein Trainer mit Rang und Namen. Er hat als Trainer Medaillen gewonnen und lange, lange Jahre in diesem sagenumwobenen englischen Verband gearbeitet, von dem jeder gedacht hat, die würden was Besonderes sein.”
Simon Diesch denkt laut weiter, sagt: “Wenn sich so einer hinstellt und sagt: ‘Also, liebes Deutschland, Ihr habt eigentlich alles was Ihr braucht, Ihr müsst es nur einfach mal machen’, dann ist das natürlich auch ein Arschtritt, wo man sagt: Dann los!” Für die Semaine Olympique Française hat das schon einmal gut geklappt. Zu den Ergebnissen der Semaine Olympique Française geht es hier.
Mit Blick auf den aktuellen Sailing-Grand-Slam-Sieg unterstrich der Neffe und Sohn von Jörg und Eckart Diesch, die 1976 vor Kingston in Kanada im Flying Dutchman zu Olympia-Gold segelten, auch die Bedeutung gewonnener großer Regatten: “Am Ende musst du (Red.: bei den Olympischen Spielen) das Gefühl kennen, wie man gewinnt. Deshalb ist es wirklich wichtig, auf dem Weg dahin zu gewinnen.”
Zweimal schon in diesem Monat kamen auch Richard Schultheis und Fabian Rieger Siegen im 49er ganz nah. Zweimal beeindruckten sie bei der Trofeo Princesa Sofía und jetzt beim Sailing Grand Slam in Hyères mit Silber. Dabei sitzen sie erst seit diesem Jahr in einem Boot. Doch die Kombination aus dem entschlossenen Intensiv-Segler Richard Schultheis, der gerade erst 20 Jahre alt geworden ist und Skiffs wie Motten auf Weltklasse-Niveau steuert, und dem erfahrenen Vorschoter Fabian Rieger, der WM-Bronze von 2018 und EM-Gold von 2020 mit ins Boot brachte, scheint ideal zu sein.
Ich glaube, wir sind schnell und wissen, wo wir langsegeln.” Fabian Rieger
Dass sie auf Anhieb gemeinsam so gut würden agieren können, hat auch die Segler selbst überrascht. Fabian Rieger sagt: “Das haben wir so nicht erwartet. Aber man muss auch sagen, dass es der Beginn der nacholympischen Saison ist. Zur WM (Red.: Für 49er, 49erFX und Nacra 17 im Oktober) hin wird sicher der Druck in der Flotte zunehmen.”
Es war ein guter Tag. Es war eine gute Woche.” Dom Tidey
Dass neben Schultheis und Rieger auch Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger nach längerer Pause in Folge der Olympiaschen Spiele und dem Verletzungsausfall in Spanien als Vierte in Hyères wieder so weit oben in der 49er-Flotte einsteigen konnten, wird dem Niveau der Klasse im German Sailing Team guttun.
Das Medaillenrennen machten die beiden deutschen Männer-Skiff-Crews im Finale der Semaine Olympique unter sich aus. Meggendorfer/Spranger siegten, fuhren noch auf Platz vier vor. Schultheis/Rieger wurden zweite und schnappten sich damit noch Silber. Im 49erFX holten die Olympia-Sechsten Marla Bergmann und Hanna Wille (Mühlenberger Segel-Club) Platz acht vor Katharina Schwachhofer/Elena Stoltze (Württembergischer Yacht-Club) auf Platz neun.
Steuerfrau Marla Bergmann zog ein gemischtes Fazit, sagte: “Die Woche war sehr tricky, wir hatten lange Tage auf dem Wasser, viel Warten und super anspruchsvolle Bedingungen. Kopf und Körper sind sehr müde. Über die Woche hinweg wurden wir immer besser und die Learnings aus Palma konnten wir auch schon direkt umsetzen. Es ist aber auf jeden Fall noch Luft nach oben und wir wissen woran wir arbeiten müssen.”
Das siebte deutsche Boot hatte Julia Büsselberg (Verein Seglerhaus am Wannsee mit ihrem Ilca 6 ins Finale gebracht und Platz neun erkämpft. „Das waren heute ein schöner Tag und insgesamt eine gute Woche für unser Team. Es ist ein Vergnügen, mit diesem Team zu arbeiten“, zog Dom Tidey im Hafen von Hyères am Samstagnachmittag leise lächelnd Bilanz.
Dazu wies er auf einige weniger offensichtliche Einzelleistungen und Erfolge beim Sailing Grand Slam hin. So wie beispielsweise die des 21 Jahre alten Jan Vöster vom Württembergischen Yacht-Club. Dom Tidey sagte: “Zu den Medaillen und Top-Platzierungen gab es hier auch einige individuelle Bestleistungen wie beispielsweise die von Jan Vöster, der bei den Kitern erstmals in die Top 15 gefahren ist und sich gut entwickelt.”
Vösters prominenter Teamkamerad Jannis Maus (Cuxkiters e.V.) war noch besser, hatte aber die Finalserie als Elfter knapp verpasst. Den Olympia-Fünften hatte bei der Saisoneröffnung beim Sailing Grand Slam in Spanien eine Lebensmittelvergiftung ausgebremst. Beim Comeback kam Jannis Maus in dieser Woche immer besser in Fahrt, beendete die Serie in der Bucht von Hyères mit einem Rennsieg. Sein Fazit: „Ich bin im Grundsatz ganz zufrieden.”
Ich hatte ein paar helle, aber eben auch ein paar sehr düstere Momente.“ Jannis Maus
Für den 28 Jahren alten Athleten aus Oldenburg steht bei seiner zweiten Olympia-Kampagne die Weiterentwicklung im Vordergrund: „Wir probieren noch einige Sachen aus. Da haben wir das perfekte Set-Up noch nicht gefunden, sind aber auf einem sehr guten Weg.“
Bei den Olympischen Spielen in Marseille hatten die Kiter Jannis Maus und Leonie Meyer mit fünften Plätzen die besten deutschen Ergebnisse geholt. Maus blickt jetzt entschlossen auf seine zweite Olympia-Kampagne und die „Road to LA28“: „Wie heißt es so schön: Man ist immer so gut wie sein letztes Rennen. Das habe ich hier in der Goldflotte gewonnen. Ich freue mich schon auf den nächsten Wettkampf.“