Pre-Olympics“Mighty Buhl” erschüttert, Willim und Winkels souverän

Tatjana Pokorny

 · 29.04.2023

Hat sich für die Pre-Olympics in Marseille qualifiziert: Ilca-7-Steuermann Nik Aaron Willim vom Norddeutschen Regatta Verein
Foto: Sailing Energy/FF Voile

Bei der zweiten Weltcup-Regatta der Saison ging es für die Besten im German Sailing Team um die begehrten Tickets für die Pre-Olympics im Juli und WM-Startplätze. Zwei Favoriten fielen durch. Zu den Gewinnern im vorolympischen Kräftemessen zählen Nik Willim und das segelnde Ehepaar Malte und Anastasiya Winkel

So hatten sich die Champions Luise Wanser, Philipp Autenrieth und auch Philipp Buhl das Ausscheidungsfinale für die olympische Testregatta vom 9. bis 16. Juli in Marseille nicht vorgestellt. Während die amtierenden 470er-Mixed-Weltmeister als 19. beim französischen Mittelmeer-Klassiker kaum zu ihrer Form fanden, reichte dem Laser-Weltmeister von 2020 auch ein starker sechster Platz im größten Feld von 155 Booten nicht zum Lösen der Fahrkarte für die Pre-Olympics in Marseille. Sein jüngerer Team- und Clubkamerad Nik Willim vom Norddeutschen Regatta Verein war noch besser.

Nik Willim: “Es fühlt sich crazy und etwas unwirklich an”

“Es fühlt sich gut, aber auch crazy und etwas unwirklich an”, sagte Ilca-7-Steuermann Nik Aaron Willim, der bei der Semaine Olympique Française auf Platz fünf segelte und die Serie damit einen Platz und einen Punkt vor Philipp Buhl abschloss. Nach dem gleichen Platz bei der EM, wo Buhl Achter war, konnte sich Willim mit seiner Leistung gegen den Maestro durchsetzen und für die Pre-Olympics in Marseille vom 9. bis zum 16. Juli qualifizieren. Der 26-jährige Ilca-7-Steuermann vom Norddeutschen Regatta Verein, der in der Nacht vor dem Finale kaum Schlaf gefunden hatte, sagte in Hyères: “Ich bin so erleichtert! Das ist krass nach all den Jahren harter Arbeit, den Rückschlägen, dem Frust und der Neumotivation.”

Nik Willim segelt seit 2014 im Ilca 7. Philipp Buhl hat den jüngeren Mitstreiter stets gefördert und arbeitet mit ihm in einer internationalen Trainingsgruppe zusammen, der auch Frankreichs amtierender Weltmeister Jean-Baptiste Bernaz und der Olympia-Dritte Hermann Tomasgaard angehören. Im Kampf mit dem Meister um nur einen Startplatz pro Nation und Disziplin bei den Pre-Olympics setzte sich Willim nun mit drei Vorteilen durch: “Ich hatte guten Bootsspeed, habe physisch sehr intensiv trainiert und war auch mental gut drauf.”

Ich bin traurig und enttäuscht.” (Philipp Buhl)

Er habe sich, so Willim ehrlich, zu Saisonbeginn zwar Chancen auf den jetzt errungenen Qualifikationssieg ausgerechnet, aber Philipp Buhl die größeren Möglichkeiten eingeräumt. Insofern hat Nik Willim sich auch selbst überrascht. Sein Fazit: “Philipp ist immer noch der über Jahre erfolgreichste Olympiasegler im German Sailing Team. Dass ich ‘Mighty Buhl’ gleich zweimal schlagen konnte, zeigt aber, dass die EM kein Lucky Punch war.”

Philipp Buhl hadert heftig mit seiner Niederlage: “Ich bin traurig und enttäuscht. Es erschüttert mich, dass ich mich hier nicht durchsetzen konnte. Die Erfahrung bei der olympischen Test-Regatta wäre für mich sehr wichtig gewesen. Bei einer auf drei Jahre verkürzten Olympiakampagne kommt einem Echttest mit einer Flotte in olympischer Größe im Olympiarevier viel Bedeutung zu.” Auf diese Chance wird der 33-Jährige nun verzichten müssen.

“Die olympische Medaille bleibt das Ziel”

Buhls Kampfgeist tut die Niederlage indes keinen Abbruch. Die nationale Ausscheidungsserie für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen selbst ist anders gestaltet als die oft schwachwindige und nur zweiteilige für die olympische Testregatta in diesem Jahr. Im Kampf um die Olympiafahrkarte zählen die Weltmeisterschaften 2023 in Den Haag und 2024 in Australien sowie der Spanien-Klassiker Trofeo Princesa Sofía 2024. Buhl sagte: “Dass ich bei der olympischen Testregatta nicht segeln kann, bedeutet nicht, dass ich nicht trotzdem erfolgreich Olympische Spiele bestreiten kann. Die olympische Medaille bleibt das Ziel.“

So wird auch in der starken deutschen 470er-Mixed-Gruppe des German Sailing Teams gedacht. Ihr Ausscheidungsfinale war aufgrund der hohen Leistungsdichte in der Weltspitze mit viel Spannung erwartet worden. Während zuletzt Luise Wanser und Philipp Autenrieth mit ihrem WM-Titel 2022 und Platz zwei beim Saisonauftakt in Palma den Takt vorgaben, konnten die Hamburger Steuerfrau und ihr bayerischer Vorschoter ausgerechnet beim Ausscheidungsfinale zu den Pre-Olympics in Hyères nicht an ihre Erfolge anknüpfen. Als 19. blieben die Hamburger Steuerfrau vom Norddeutschen Regatta Verein und ihr Vorschoter vom Bayerischen Yacht-Club vor allem hinter den eigenen Erwartungen weit zurück. Dadurch verpassten sie die erhoffte Qualifikation für die olympische Testregatta.

Wir haben die Aufgabe gut umgesetzt.” (Malte Winkel)

Die sicherte sich stattdessen das segelnde Ehepaar Malte und Anastasiya Winkel mit überzeugenden Allround-Fähigkeiten und guten Nerven. Ans Ende ihrer souveränen Serie setzten der Steuermann vom Schweriner Yacht-Club und seine Vorschoterin vom Norddeutschen Regatta Verein mit dem Sieg im Medaillenrennen ein eindrucksvolles Ausrufezeichen. Bei sieben Knoten herrschten im Finale nur teilweise Trapezbedingungen. “Wir wussten, dass wir zwei Teams kontrollieren müssen, und haben die Aufgabe gut umgesetzt”, berichtet Malte Winkel.

Dass Simon Diesch und Anna Markfort im Finale einem Einzelrückruf folgten und zur Bereinigung eines möglichen Frühstarts zur Startlinie zurückkehrten, spielte den Winkels in die Karten. Sie mussten sich fortan “nur” noch auf ihre portugiesischen Gegner konzentrieren, um noch auf den dritten Podiumsplatz vorzurücken. Das gelang unter Ausscheidungsdruck mit Platz drei bei der Semaine Olympique Française überzeugend.

“Wir respektieren uns gegenseitig sehr”

Malte Winkel verneigte sich nach dem Erfolg aber auch vor der gemeinsamen Trainingsgruppe und den dieses Mal geschlagenen Trainingspartnern: “Wir sind in der Leistungsspitze alle so eng beieinander. Wir sind alle der Meinung, dass die Besten auf dem Wasser verdient gewinnen. Wir respektieren uns gegenseitig sehr. Luise und Philipp haben wir in Palma zu Silber gratuliert. Sie waren in dieser Woche nicht da, wo sie hingehören. Simon und Anna haben uns hier nach dem Finale sehr fair gratuliert. Wir alle gönnen uns die Erfolge gegenseitig.”

Simon Diesch und Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Verein Seglerhaus am Wannsee) beendeten die Woche mit gemischten Gefühlen, nachdem sie bis zum Finale eine starke Serie bestritten und ihre Chance auf das Ticket zu den Pre-Olympics gewahrt hatten. Anna Markfort sagte: “Es war eine sehr anspruchsvolle Woche. Unsere Enttäuschung ist nach dem Finale nicht gerade klein. Andererseits können wir aber stolz auf unser Ergebnis in schwierigen Bedingungen sein und darauf aufbauen.”

Mit zehnten Plätzen konnten in Hyères auch Ilca-6-Steuerfrau Julia Büsselberg (Verein Seglerhaus am Wannsee) und Formula-Kiter Jannis Maus (Cuxkiters) Punkte für ihr Qualifikationskonto sammeln. Ebenso gelang das Kiter Flo Gruber und seiner Teamkameradin Leonie Meyer (beide Norddeutscher Regatta Verein) mit jeweils 13. Plätzen.

Bronze-Team Kohlhoff/Stuhlemmer trotz Dämpfer auf Kurs

Im 49er FX ersegelten die jungen Hamburgerinnen Marla Bergmann/Hanna Wille (Mühlenberger Segel-Club) nach ihrem starken sechsten Rang in Palma vor Hyères Rang 15 und empfahlen sich damit für die Nominierung zum olympischen Test-Event. Das gilt auch für die olympischen Bronzemedaillen-Gewinner Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer (Kieler Yacht-Club). Die Kieler Foiling-Könner blieben zwar in Frankreich nach einer Erkrankung Kohlhoffs in der Vorwoche als 25. überraschend in der Silberflotte hängen, hatten aber mit Platz sechs bei der Trofeo Princesa Sofía in Palma ihre Zugehörigkeit zur Weltspitze zu Saisonbeginn bereits nachgewiesen.

Sein finales Aufgebot für die Pre-Olympics und die WM aller zehn olympischen Disziplinen in Den Haag will das German Sailing Team in den kommenden Wochen bekanntgeben. Für die neu olympischen iQFoil-Windsurfer mit Weltmeister Sebastian Kördel steht Teil zwei ihrer Ausscheidung Anfang Mai in Griechenland erst noch bevor.

Frankreich gut gerüstet für die Olympischen Spiele im Heimatrevier

Stärkste Nation waren bei der 54. Semaine Olympique Française im Heimatrevier die gastgebenden Franzosen mit dreimal Gold. Die französische Segelwoche wird bei ihrer 55. Edition im Olympiajahr 2024 das Event sein, bei dem die letzten Last-Minute-Startplätze für die olympische Regatta vergeben werden.