Das German Sailing Team bekommt in dieser Woche einen Vorgeschmack darauf, wie es bei den Olympischen Spielen 2024 zur Sache gehen wird. Bei der olympischen Testregatta ist die Nationalmannschaft in neun von zehn Disziplinen vertreten. Dabei glänzen nach Generationswechseln, Umbrüchen und der Einführung von gleich fünf neuen olympischen Segeldisziplinen – und damit 50 Prozent des gesamten Programms – bei den Pre-Olympics vor allem die erfahrenen Crews.
Es sind Malte und Anastasiya Winkel (Schweriner Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein), die am Samstag im neu-olympischen 470er-Mixed um eine Medaille kämpfen. Das Segel- und Ehepaar, das sich in der nationalen Ausscheidung zu den Pre-Olympics gegen die Trainingskameraden und Weltmeister Luise Wanser/Philipp Autenrieth (NRV/Bayerischer Yacht-Club) und gegen die Vize-Europameister und Kieler-Woche-Sieger Simon Diesch/Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Verein Seglerhaus am Wannsee) durchgesetzt hatte, liegt bei den Pre-Olympics vor Marseille nach zehn Wettfahrten auf Platz drei. Von Gold bis Holzmedaille ist im doppelt gewerteten Medaillenrennen noch alles möglich.
Anastasiya Winkel bringt die olympische Erfahrung ins Team mit ihrem Steuer- und Ehemann ein. Sie war in Enoshima 2021 mit Luise Wanser auf Platz sechs gesegelt. Für das Shooting-Star-Duo hätte es sogar zur Olympia-Medaille reichen können, wäre da nicht die überharte Doppel-Disqualifikation in Folge einer zu schweren Trapezwesten gewesen. Im neu formierten Mixed-Format gilt die deutsche Trainingsgruppe nun als stärkste der Welt. Diesem Ruf sind Malte und Anastasiya als aktuelle deutsche Vertreter im Olympiarevier in dieser Woche bereits mit drei Tagessiegen gerecht geworden.
Wir konnten wertvollen Input für unser Call Book im kommenden Jahr sammeln.” Malte Winkel
In einer ersten Bilanz berichtet Malte Winkel: “Wir haben tatsächlich noch einmal einiges über das Revier gelernt, was wir sonst so nicht hatten. Weder im letzten noch in diesem Jahr bei den Trainings. Oder zumindest sehr selten. Wir konnten da wertvollen Input sammeln für unser Call Book im nächsten Jahr. Wir sind natürlich happy damit, wo wir jetzt gerade stehen im Gesamtklassement. Das Ziel war vor dem Medaillenrennen auf jeden Fall in der Position zu sein, eine Medaille holen zu können. Es wird super eng. Man sieht auch gerade an den geringen Punktabständen, wie unglaublich gut das Teilnehmerfeld hier ist.”
Weil olympische Felder sehr viel kleiner sind als normale Regattaflotten, haben die Winkels auch diese Erfahrung gerne mitgenommen, wie der Steuermann erklärt: “Es ist etwas ganz anderes, mit 17 Booten zu fahren. Ich muss sagen, das war für uns wirklich mal eine gute Erfahrung, in so einem kleinen Fleet zu racen. Und dann in so einer Leistungsdichte. Wenn man sich denn im nächsten Jahr qualifiziert, dann hat uns das extrem geholfen zu verstehen, was dann auf einen zukommt. Ich glaube, das ist echt viel wert gewesen.”
Die Konkurrenz verzeiht einem keine Fehler.” Malte Winkel
Mit der eigenen Leistung bis zum Finale sind die 470er-Mixed-Segler “im Großen und Ganzen zufrieden”. Malte Winkel sagt: “Wir haben einige Prozesse im Team weiter optimieren können. Leider gab es auch zwei Tage, an denen wir nicht die Basics umsetzen konnten, die wir eigentlich bei solchen mittleren Bedingungen, die auch mal drehig sind und uns gut liegen, draufhaben. Das hat sich am Ende sofort in den Ergebnissen niedergeschlagen. Die Konkurrenz verzeiht einem da keine Fehler.”
Am Tag vor dem Medaillenfinale schöpfen die Winkels noch einmal Kraft für den Showdown. Malte Winkel erzählt: “Wir genießen den freien Tag, schauen uns an, wie die anderen segeln, unterstützen das Team. Und dann werden wir am Samstag alles dafür tun, die erste Medaille für Deutschland nach Hause zu bringen. Wir haben richtig Bock, da nochmal anzugreifen.”
In Angriffslaune segeln in der Bucht von Marseille auch die Nacra-17-Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele von Japan: Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer haben nach einigen Leichtwind-Dämpfern in dieser Saison vor allem mit sich selbst eine Rechnung zu begleichen. Die Kieler setzten sich bei der olympischen Testregatta an Tag eins mit zwei Siegen an die Spitze, kassierten im weiteren Verlauf der olympischen Generalprobe aber auch ein paar schwächere Resultate.
Als Vierte nach neun von zwölf Wettfahrten bis zum Medaillenrennen lag die Crew vom Kieler Yacht-Club aber vor dem Finalwochenende in bester Schlagdistanz zu den Medaillen. Drei Wettfahrten bleiben den Olympia-Dritten noch, um ihre Ausgangssituation bis zum Finale zu verbessern. In Führung lagen bei den Nacra-17-Mixed-Crews am Freitagabend die jungen Italiener Gianluigi Ugolini und Maria Giubilei.
Während die Entscheidungen in den Einhandjollen Ilca 6 und Ilca 7 sowie im 470er-Mixed am Samstag fallen und die vorolympischen Test-Medaillen bei den iQFoil-Windsurfern, Skiffs und im Nacra 17 am Sonntag vergeben werden, beendeten die Kiter ihre olympische Testrgetatta bereits am Freitag. Florian Gruber und Leonie Meyer (beide Norddeutscher Regatta Verein) erkämpften jeweils achte Plätze. Für beide war erst im Semifnale Schluss. Beide haben gute Leistungen gezeigt.
Flo Gruber beendete den Wettkampf “mit gemischten Gefühlen” und im Wissen, dass er “noch an einigen Stellschrauben drehen” muss. Dabei geht es vor allem um mehr Speed im überpowerten Modus. Anteilig hat es damit zu tun, dass ihm immer noch ein paar Kilo Körpergewicht fehlen, andererseits, so Gruber, habe auch der siegreiche Top-Favorit Axel Mazella nicht mehr Kilos auf dem Board, fahre aber ein anderes Foil. In diesem Bereich stehen bei Flo Gruber in der kommenden Zeit intensive Tests auf dem Programm. Denn anders als beispielsweise die Ilca-Akteure, bringen die Kiter ihre Ausrüstung zu den Olympischen Spielen selbst mit.
Das kommende Olympiarevier beschreiben sowohl Flo Gruber als auch Leonie Meyer nach einer intensiven Woche als äußerst fordernd für Kiter. Zum einen setzt sich in der Bucht von Marseille der Wind oft nicht bis zum Ufer durch, was den Auftakt vom Strand aus regelmäßig schwer bis unmöglich macht und für lange Wartezeiten sorgt.
Zum anderen variieren die thermischen Winde in der Bucht von Marseille in ihrer Stärke teilweise so sehr, dass es vor allem die Kiterinnen bei starker Windzunahme im überpowerten Modus an manchen Tagen kaum mehr aus eigener Kraft an Land schaffen. “Wir können nicht wie die Segler mal eben umtrimmen”, erklärt Leonie Meyer das Problem der Entscheidung für einen von mehreren Kites vor dem Start, das Segler nicht haben.
Die Medizinerin und Mutter hatte am Finaltag der Kiter Pech in ihren Halbfinalläufen. Nach dem Sieg im ersten Durchgang wurde sie im zweiten Lauf – in Führung liegend und sehr schnell unterwegs – von der neuseeländischen Gegnerin vom Board geholt, als sich die Kites verhakten. Dabei riss die Leine bei Leonie Meyer. Die Neuseeländerin wurde zwar disqualifiziert, doch Leonie Meyer erhielt für ihr unfreiwilliges Aus keine Wiedergutmachung. “Die gibt es in den Flottenrennen vorher, aber nicht mehr in den Finalläufen”, erklärt Leonie Meyer eine Schwäche im Reglement.
Mir gefällt das deutsche Team sehr.” Leonie Meyer
Im dritten Durchgang gelang Leonies Start nicht perfekt. Dann aber kämpfte sie sich bavourös wieder an die Chinesin Jingyue Chen heran. An der Luvtonne fehlten nur noch zwei Meter. Die aber können im Kitesport Welten bedeuteten. Anschließend wurde es zu schwer, die Gegnerin noch einzuholen.
Dennoch zieht Leonie Meyer positiv Bilanz. Aktuell ohne eigenen Trainer unterwegs, hatte sie in Marseille große Unterstützung von Jan-Hauke Erichsen, von Performance Manager Marcus Lynch und weiteren Teammitgliedern erhalten. “Jan-Hauke hat mich super mitbetreut und auch von Marcus Lynch habe ich unglaublich viel gelernt. Mir gefällt das deutsche Team sehr”, sagte Leonie Meyer, die mit dem Verband auf der Suche nach einer neuen Trainerlösung ist.
Ihre Vor- und Hauptrunde der Pre-Olympics haben auch die Einhand-Jollensegler abgeschlossen. Nik Aaron Willim (NRV) verpasste bei den Ilca-7-Männern das Medaillenrennen als Achtzehnter. Belastet von einem Frühstart im zweiten Rennen, konnte Willim bei diesem Test nicht an seine gute Frühjahrsform anknüpfen. In zehn Rennen gelangen zwei Top-Ten-Ränge. In Führung lag am Abend vor dem Medaillenfinale der Brite Michael Beckett vor dem australischen Olympiasieger Matt Wearn.
Bei den Ilca-6-Frauen war Julia Büsselberg vom Verein Seglerhaus am Wannsee in Rennen neun ein Sieg gelungen, doch sie musste sogar zwei Frühstarts kompensieren und beendete die olympische Testregatta auf Platz 15. Uneinholbar in Führung lag hier vor dem Finale die “Fliegende Holländerin” Marit Bouwmeester. Die Olympiasiegerin von 2016 ist junge Mutter, konnte aber eindrucksvoll schnell wieder an ihre frühere Form anknüpfen. Bei nur 38 Punkten auf dem Konto, kann die amtierende dänische Olympiasiegerin Anne-Marie Rindom (59 Punkte) Marit Bouwmeester im Medaillenrennen am Samstag nicht mehr einholen.