OlympiaZwischen Traumtag und geplatzter Premiere – Auftakt mit gemischten Gefühlen

Tatjana Pokorny

 · 28.07.2024

Schöne 49er-FX-Szene vor der Kulisse von Marseille mit den Crews aus Deutschland und Belgien
Foto: Sailing Energy/DSV
Der Natursport Segeln lässt sich auch bei Olympia nicht in ein verlässliches Zeitkorsett zwingen: Tag eins der olympischen Regatta brachte den einen den erhofften oder auch überraschenden Traumstart in den Gipfelsturm unter den fünf Ringen, anderen Auftaktdämpfer oder gar eine geplatzte Premiere. Für die Segelnationalmannschaft begann die Olympia-Regatta in der Bucht von Marseille mindestens vielversprechend: Die jüngste Crew der 49er-FX-Flotte beeindruckte Konkurrenz und internationale Beobachter

Schon am ersten Tag der Segelregatta der Olympischen Spiele lagen bei heißen Mittelmeer-Temperaturen jenseits der 32 Grad Lust und Frust eng beeinander. Die Winde erschienen wenig kooperativ. Alles war angerichtet für Leichtwindspiele in der Bucht von Marseille. Doch für die ihrer olympischen Premiere entgegenfiebernden iQFoil-Windsurfer reichten die mauen Bedingungen auf ihrem Kurs nicht zum Foilen und deswegen auch nicht zu ansehnlichen und fairen Rennen. Nach mehrstündigem Warten auf dem Wasser und an Land musste ihr Auftakt auf Montag verschoben werden. “Das war sehr schade. Ich hätte mir für unser olympisches Debüt mehr Action gewünscht”, zog Sebastian Kördel am Abend seines “arbeitslosen” ersten Wettkampftages bei Olympia Bilanz.

Die iQFoil-Windsurfer müssen warten

Der Weltmeister von 2022 und Vizeweltmeister von 2023 hätte sich gern mit der Konkurrenz gemessen. Ebenso seine Team- und Vereinskameradin Theresa Steinlein. Auch die iQFoil-Windsurferinnen beendeten den mit so großer Spannung erwarteten Auftakt ergebnislos. Dass die Absage berechtigt war, sah auch Sebastian Kördel ein: “Auf unserer Bahn war gar nichts.” Zu bedenken gab Kördel, dass auch die Windsurfer das Glück der Skiffseglerinnen auf dem weiter draußen in der Bucht gelegenen Kurs Frioul hätten haben können: “Auf der FX-Bahn hätte es wahrscheinlich auch für uns gereicht.”

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Speed war heute die erste Karte, die uns richtig krass zugute kam” (Marla Bergmann)

Kurs Frioul bescherte dagegen der jüngsten Crew in der olympischen 49er-FX-Flotte einen herausragenden Start in die persönliche Olympia-Premiere: Marla Bergmann und Hanna Wille zogen in ihren leichtwindigen “Schokoladenbedingungen” dreimal in Folge ihr Ding durch und lagen am Abend ihres ersten Auftritts auf der olympischen Weltbühne auf Platz drei.

Als Schlüssel zu den hervorragenden Rängen 3, 4 und 5 bezeichnete die 22-jährige Steuerfrau die Bootsgeschwindigkeit ihrer Mannschaft in den flauen Bedingungen. „Speed war heute die erste Karte, die uns richtig krass zugute kam“, sagte Marla Bergmann. Und weiter: “Am ersten Start waren wir ein bisschen spät dran. Da war die Fock noch mal aufgegangen. Wir hatten eigentlich vorher schon gesagt, dass es rechts gut aussieht, und sind dann rübergewendet, haben uns da aus einer echt schlechten Lane krass gut rausarbeiten können. Wir hatten dann richtig guten Speed. Das war das Wichtigste. Dass wir wussten: Die Karte können wir spielen.”

Danach galt es, so die Steuerfrau, “die Rennen einfach zu halten”. Hanna Wille ergänzte: “Und es galt: Traue deinem Bauchgefühl. Weil wir viele richtige Entscheidungen gefällt haben, wussten wir einfach, dass es richtig ist, was uns unser Instinkt heute sagt. Danach sind wir einfach gesegelt.” Dass die jungen Deutschen, die mit ihrer konstanten Tagesbilanz am Abend im Olympia-Hafen für einiges Interesse bei internationalen Beobachtern sorgten, den Start im dritten Rennen verrockten, fiel schon deshalb nicht stark ins Gewicht, “weil fast alle anderen ihn auch versemmelt haben”, berichtete Hanna Wille lächelnd.

Es komme was wolle, wir sind happy mit allem” (Marla Bergmann)

Auf die Frage, ob die anhaltende Leichtwindprognose für die kommenden Tage bei noch weiter steigenden Temperaturen für die Crew vom Mühlenberger Segel-Club gute Nachrichten bedeuten würden, sagte Marla Bergmann: “Ich glaube tatsächlich, dass wir mit allen Bedingungen happy sind. Auch mit Doppelsteher-Bedingungen. Wir haben in den Trainingsregatten, die wir hier vor Ort hatten, gemerkt, dass wir mittlerweile den Speed haben, um da vorn mitzuspielen. Deswegen ist es wirklich so: Es komme was wolle, und wir sind happy mit allem.”

Das 49er-FX-Zwischenklassement führen nach dem ersten von fünf Regattatagen für die Skiffflotten die Niederländerinnen Odile Van Aanholt und Annette Duetz vor den Französinnen Sarah Steyaert und Charline Picon an. Mit dem gelungenen ersten Tag haben sich Marla Bergmann und Hanna Wille nach einem Viertel der geplanten Rennen ein starkes Fundament für die ausstehenden vier Olympia-Renntage erarbeitet.

„Wir hatten uns für Tag eins eine Top-Ten-Platzierung zum Ziel gesetzt. Nun sind wir natürlich super, super zufrieden“, sagte Hanna Wille. Zur Top-Leistung ihrer Crew sagte die 23-Jährige: „Wir wussten vorher, dass wir Leichtwind sehr gut können. Und die Prognose hat Leichtwind angekündigt. Das Ziel war also zu zeigen, dass wir vorn mitfahren können. Dass wir das direkt am ersten Tag abliefern konnten, ist natürlich super. Das Gefühl können wir jetzt mitnehmen.“

Meggendorfer/Spranger eröffnen vielversprechend

Auch Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger vom Bayerischen Yacht-Club werden am Montag gut motiviert in ihren zweiten olympischen Renntag starten. Das erst Anfang Juli vom DOSB auf DSV-Antrag für die Olympischen Spiele nachnominierte Team konnte gleich am ersten Tag zeigen, dass es bei der olympischen Regatta in Marseille mit der Weltspitze auf Augenhöhe agieren kann.

Der Tag hatte Potenzial” (Jakob Meggendorfer)

Steuermann Jakob Meggendorfer sagte: „Es hat Spaß gemacht heute. Wir waren schnell und wussten auch, wo wir langfahren müssen. Der Tag hatte Potenzial. Das letzte Rennen war richtig schön. In den ersten beiden Rennen war es schon sehr wenig Wind. Da haben wir mit sechs Knoten angefangen, sind auf vier Knoten runter. Im dritten Rennen waren wir (Red.: nach zwei Rennen auf dem flauen Kurs Corniche) auf einem anderen Kurs (Red.: Frioul). Da hatten wir dann so zehn, elf Knoten.“

Ein Frühstart im zweiten Rennen hat das Bayern-Duo nach falscher Zeitnahme eine noch bessere Position gekostet. Mit den Rängen 6, 21 (BFD, Frühstart unter Schwarzer Flagge) und 3 aber eröffneten Meggendorfer/Spranger ihre Olympia-Premiere sehr vielversprechend. Angeführt wird das 49er-Feld nach drei Wettfahrten von den Neuseeländern Isaac Kale McHardie/William McKenzie.

Besonders emotional erlebten die französischen Crews den Auftakt zu ihren Heimspielen, wie 49er-Vorschoter Clément Péquin nach dem Auftakt vor 12.500 Zuschauern in der Fanzone am Strand und im Club 2024 erzählte: “Wir wurden unglaublich begrüßt, als wir die Marina verließen. Wir haben versucht, so nah wie möglich an das Publikum heranzukommen, das wirklich zahlreich war. Wir hatten sogar eine kleine Träne im Auge. Es war wirklich etwas Besonderes. Nun waren wir wirklich auf dem Weg zu den Olympischen Spielen. Das hat uns noch mehr Auftrieb gegeben.”

Schwarzer Tag für einen Grael-Sprössling

Einen schwarzen Tag dagegen erwischten die Brasilianer Marco Soffiatti Grael – Bruder von 49er-FX-Steuerfrau und Doppel-Olympiasiegerin Martine Grael und Sohn des zweimaligen Olympiasiegers und fünfmaligen olympischen Medaillengewinners Torben Grael – und sein Vorschoter Gabriel Silva Simoes. Der Steuermann mit dem berühmten Namen war schon bei den Olympischen Spielen in Enoshima wegen einer zu schweren Trapezweste von zwei Rennen disqualifiziert worden und nicht über Platz 16 hinausgekommen.

In Marseille nun hat es wieder eine harte Strafe gehagelt: Nachdem das Team zwei Tage vor dem Regattastart in der Bucht von Marseille beim Polieren des 49er-Rumpfes gesehen worden war, hat die Internationale Jury der Crew 30 Prozent ihrer Punkte für Rennen eins abgezogen. Das Vergehen wurde als Verstoß gegen die Regel gewertet, die es den Seglern untersagt, “nach der Vorregatta-Inspektion noch Arbeiten am Boot vorzunehmen, die nach den Klassenregeln nicht erlaubt sind. So fanden sich Marco Soffiatti Grael und Gabriel Silva Simoes mit ihrer Tagesleistung von 21 (DPI), 14 und 16 Punkten nur auf dem 20. und letzten Platz der Flotte wieder.

Schwester Martine Grael, die mit ihrer Vorschoterin Kahena Kunze in Rio de Janeiro und in Enoshima zweimal in Folge Olympia-Gold gewann, lag in Marseille nach drei Rennen (13, 5, 6) vorerst auf Platz acht – und damit fünf Plätze hinter Marla Bergmann und Hanna Wille.

Das Programm für Segeltag 2 bei Olympia

An Tag zwei der Olympia-Regatta stehen am Montag in der Bucht von Marseille für die Skiffseglerinnen und -segler die Rennen 4 bis 6 auf dem Programm. Die iQFoil-Windsurfer und -Windsurferinnen unternehmen gleichzeitig ihren zweiten Versuch, in das olympische Leichtwindspiel einzusteigen. Übertragen werden die Rennen am Montag ab 12 Uhr im ZDF-Livestream. Es kommentiert Bundesliga-Rekordsieger Tobias Schadewaldt.


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