OlympiaWind und Emotionen fahren Achterbahn in Marseille – Meyer und Maus im Halbfinale

Tatjana Pokorny

 · 07.08.2024

Hier jubeln Ilca-6-Olympiasiegerin Marit Bouwmeester, Dänemarks Silber-Seglerin Anne-Marie Rindom und Line Flem Høst aus Norwegen gemeinsam über ihre Medaillen
Foto: World Sailing/Jean-Louis Carli
Der olympische Showdown hat es in sich in der Bucht von Marseille. Auch der Vorschlusstag der Olympia-Regatta stand mehrheitlich unter dem Einfluss von extremen Leichtwindbedingungen – bis hin zur Flaute. Die Folgen: Trotz langer Wartezeiten keine Rennen für die Kiter mehr. Die Medaillenrennen für 470er-Mixed und Nacra 17 mussten auf den Folgetag geschoben werden. Ein sich plötzlich öffnendes Fenster schönster Winde bis 16 Knoten nutzten die Ilca-6-Besten für ihr Finale. Die Ilca-7-Männer haben später nicht einmal mehr die Hälfte, um ihre Medaillen zu vergeben

Die Gewinner des elften Tages der Olympia-Regatta in Marseille sind Matt Wearn und Marit Bouwmeester. Die topfavorisierten Ilca-Giganten haben auch in Marseille das Rennen gemacht. Marit Bouwmeester konnte ihre Gala genießen, denn sie hatte Gold nach herausragend bestrittener Serie schon vor dem Finale sicher. Matt Wearn musste sich noch einmal anstrengen – und tat das als Gewinner des Medal Race auch. Die Goldmedaillen in der Disziplin des Einhand-Dinghys gehen nach Australien und in die Niederlande.

Down Under bei Olympia wieder obenauf

Der Australier setzte die Serie seiner berühmten Landsleute und die eigene fort, segelte nach Ausnahmesegler Tom Slingsby (2012), Tom Burton (2016) und dem eigenen ersten Titel in Enoshima zum vierten Mal in Folge zum australischen Olympiasieg im Ilca 7. Matt Wearn sagte am Abend bei der Pressekonferenz mit den Medaillengewinnern: “Die letzten drei Jahre waren eine Berg-und-Tal-Fahrt, aber wir haben immer wieder ein Häkchen gesetzt. In dieser Woche ging es darum, die Aufgaben zu erfüllen, und das haben wir getan.”

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Auch Wearn war froh, dass das Ilca-7-Finale in der Flautenschlacht von Marseille nicht noch einen Tag nach hinten geschoben werden musste, sagte: “Zum Glück mussten wir nicht noch einen Tag warten, und jetzt können wir feiern und Spaß haben. Meine Eltern haben mir die ganze Zeit über geholfen. Es gab Zeiten, in denen ich den Sport nicht so sehr genossen habe, aber sie haben mir wirklich geholfen, sie sind unglaubliche Eltern.”

“Die Erwartungen an mich”, erzählte Matt Wearn, “waren dieses Mal höher, da ich der amtierende Champion bin und die letzten beiden Weltmeisterschaften gewonnen habe. Ich hatte dieses Ziel im Nacken, und das war neu und anders.” Tränen der Freude liefen an diesem Tag nicht nur dem zweitplatzierten Pavlos Kontides beim Einlaufen in den Olympia-Hafen Marseille übers Gesicht …

Ohne, aber auch mit Kind Olympiasiegerin

Unter anderen Voraussetzungen als bei ihren letzten drei medaillenträchtigen Olympia-Einsätzen hat Olympiasiegerin Marit Bouwmeester – mit nun zwei Gold-, einer Silber- und einer Bronzemedaille die erfolgreichste Olympiaseglerin der Sportgeschichte – in Marseille um eine Medaille gekämpft. Marit Bouwmeester sagte: “In der Vorbereitung auf das Medal Race habe ich versucht, mich zu konzentrieren, aber ich bin auch eine Mutter. Also musste ich für Jessie Mae da sein. Ich war viel bei ihr, habe sie ins Bett gebracht und war da, wenn sie aufgewacht ist. Es ist schön, es endlich geschafft zu haben, ich habe es noch nicht richtig begriffen.”

Die gestählte Athletin Bouwmeester ist bekannt dafür, wie hart sie für ihre Erfolge arbeitet. Doch sie zeigte bei diesen Spielen auch ein anderes Gesicht, sagte nach ihrem Triumph: “Ich glaube, bei den Olympischen Spielen wird man manchmal zu schnell zu ernst, deshalb ist es schön, mit Jessie Mae eine Ablenkung zu haben. Dazu kommen noch der Schlafmangel und der Energieverlust, aber ich bin dankbar, dass ich Mutter und Sportlerin bin.”

Noch nicht feiern konnten an diesem Tag die Sieger in den beiden Mixed-Disziplinen Nacra 17 und 470er. Beide Medaillenrennen mussten nach längerer Wartezeit auf den Schlusstag der Olympia-Segelserie in Marseille geschoben werden. Damit wird der Donnerstag zum Vielfach-Showdown, denn neben den beiden Zweihand-Flotten sind auch die Kiter gefordert. Da sicherten sich Jannis Maus von den Cuxkiters und Leonie Meyer vom NRV Olympic Team im arg verkürzten Programm von nur sieben Rennen bei den Männern und nur sechs Läufen bei den Frauen ihren Platz im Halbfinale.

Mit Medaillenchancen im Halbfinale: Meyer und Maus

Auch die neuolympischen Kiter haben bei ihrer Premiere stark unter dem Windmangel gelitten. Übertragen wurde die auch aufgrund ihrer Telegenität ins olympische Programm aufgenommene Sportart der “fliegenden Drachenbändiger” noch gar nicht im offiziellen Programm. Statt der 16 geplanten Rennen für die schnellste olympische Disziplin der Sommerspiele kam nur etwas mehr als ein Drittel zustande. Mehrfach wurden die rasanten Möglichkeiten der Kiter, die schon ab sechs Knoten loslegen können, nicht glücklich genutzt.

So waren sie am Mittwoch auf Kurs Calanque gefordert. Für die Anfahrt war eine Dreiviertelstunde angesetzt. Vorher durfte kein Start erfolgen. Auf diese Weise wurde unter anderem ein schönes Windfenster verpasst. “Wir können den Kurs in fünf oder zehn Minuten erreichen, brauchen ja nicht so lange wie einige Bootsklassen”, erklärte die für Österreich startende Alina Kornelli. Sie gehörte zu jenen, die am Mittwoch zu gern noch ein paar Hauptrundenrennen bestritten hätte. Weil es die nicht gab, ist Kornelli als Elfte nach der Hauptrunde ausgeschieden.

Sie erklärte, was auch für viele andere schwierig bis ärgerlich war: “Es ist bitter, dass ich den Einzug in die Medal-Series um zwei Punkte nicht geschafft habe. Aber was mich noch mehr ärgert, ist, dass wir hier zum Kiten sind, Rennen fahren wollen. Wir saßen größtenteils am Strand, sind der Sonne aus dem Weg gegangen. Wenn du hierherkommst, dann in vier Tagen statt 16 nur sechs Rennen absolvierst, ist es einfach ärgerlich und traurig.”

Ich hoffe für morgen, dass die Athletinnen und Athleten im Medal-Race zeigen können, wie großartig die Formula Kite ist” (Alina Kornelli)

Weiter sagte Alina Kornelli: “Heute hätten wir vom Wind her noch die Möglichkeit gehabt. Keine Ahnung, warum sie uns nicht mehr rausgeschickt haben. Unser Sport im Allgemeinen hat darunter gelitten – es kann nur besser werden. Wir haben so einen coolen, actionreichen Sport, und er wurde nicht im TV übertragen. Wie soll unser Sport so größer werden?“

Auch Jannis Maus hätte seinen fünften Platz in den geliebten “tricky” Bedingungen am Mittwoch am liebsten noch in weiteren Rennen verbessert, um sich eine noch bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Oder womöglich gleich als Gruppen-Erster oder -Zweiter fürs Vierer-Finale gesetzt zu werden. Doch der 28-jährige Oldenburger freut sich auch aufs Halbfinale.

“Alles oder nichts” am letzten Tag

Die nach der Hauptrunde auf den Plätzen drei bis zehn positionierten Kiter bestreiten bei den Männern wie bei den Frauen zunächst das Halbfinale in zwei Vierer-Gruppen: Halbfinale A und Halbfinale B. Die jeweiligen Halbfinal-Gruppensieger treffen im Finale auf die beiden gesetzten Top-Leute der Hauptrunde. Anders als bei den iQFoiL-Windsurfern stehen bei den Kitern im Showdown jeweils vier Athletinnen und Athleten im Finale. Eine und einer werden ohne Medaille bleiben.

„Wir haben uns auf dieses Szenario intensiv vorbereitet“, erzählte Jannis Maus am Abend vor seinem Halbfinale über die Arbeit mit seinem Flensburger Trainer Jan-Hauke Erichsen. Jannis Maus hatte bereits vor seiner Olympia-Premiere gesagt: “Wenn ich es ins Finale schaffe, dann will ich auch eine Medaille gewinnen.”

Der Doktorand der Erneuerbaren Energien blickte trotz der Flauten-Absage aller Kite-Rennen am Mittwoch optimistisch auf den Finaltag. „Ich glaube fest an mich. Und an Leonie glaube ich auch“, sagte er am Abend im Olympia-Hafen Marseille. Die 31-jährige Medizinerin und Mutter Leonie Meyer lachte dabei und sagte: “Es ist lustig, dass wir mit der gleichen Platzierung ins Halbfinale gehen. Jetzt ist alles oder nichts.” Die deutschen Kiter sind es nun im Endspurt, die der Segelnationalmannschaft noch die Medaille(n) schenken könnten, die bislang zu schwer zu gewinnen waren.

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