OlympiaSteinlein überzeugt als Sechste, Kohlhoff-Stunt nach Kenterung und Bruch

Tatjana Pokorny

 · 03.08.2024

Theresa Steinlein war rasend gut in Form im olympischen Windsurf-Viertelfinale. Doch das reichte im Kampf mit dem Wind als Zünglein an der Waage am Samstag nicht zum Halbfinaleinzug
Foto: Sailing Energy/DSV
Der siebte Tag der Olympia-Regatta in der Bucht von Marseille war ein verflixter. Erst versagte ein unerwarteter Winddreher der blitzschnellen Windsurferin Resi Steinlein den Einzug ins Halbfinale. Dann hatten auch die Mannschaftskollegen in den anderen vier aktiven Olympia-Klassen einige Probleme mit dem wankelmütigen Winddruck, chaotischer Welle und dem Bändigen ihrer Boote

Schon beim ersten Start der am Samstag ins Olympia-Geschehen eingestiegenen Nacra-17-Flotte ging es für Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer am Samstag nicht nach Plan. Die Olympia-Dritten von Enoshima kamen den Schweden Emil Jarudd und Marina Arndt zu nah. “Direkt ein Foul, typisch ich, genau das wollten wir nicht machen. Es war auf der Kippe, ich hätte gesagt, wir hätten vielleicht auch weiterfahren können, haben aber sicherheitshalber den Kringel genommen”, kommentierte Paul Kohlhoff die Auftaktsituation. Sein Team holte aber danach wieder gut auf, schob sich zurück bis in die Top Ten.

Olympia-Auftakt mit Kenterung und Bruch

Dann das nächste Malheur: Auf ein Windloch folgte eine harte Böe von mehr als 20 Knoten. Die GER-Crew wurde bei ihrer Aufholjagd im Vorwärtsgang voll erwischt und kenterte. “Diese Mistral-Bedingungen sind eigentlich ungenießbar. Es hat teilweise so gehackt. Da kommt eine Böe mit über 20 Knoten, und im nächsten Moment schwimmst du in Luv im Wasser”, sagt Paul Kohlhoff.

Dabei bricht der Pinnenausleger. Als das Boot wieder steht und Kohlhoff/Stuhlemmer wieder Gas geben können, hat der Steuermann ein Problem und muss einen Stunt hinlegen. Paul Kohlhoff beschreibt die Herausforderung: “Ich habe auf der zweiten Kreuz wie ein Starbootvorschoter gehangen. Also eingehakt, mit dem Hintern an Deck, über der Kante, aber im Trapez eingehakt. Und mit der Hand noch an der Spurstange. Aber wir sind noch 18. geworden!”

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Danach konnte die Crew vom Kieler Yacht-Club den gebrochenen Pinnenausleger gegen einen neuen austauschen und sich in den folgenden zwei Rennen mit den Rängen 7 und 3 deutlich steigern. Das führte sie zunächst auf Platz sieben. Das Brutale an ihrem Außenkurs sei heute die chaotische Welle gewesen, berichtete Paul Kohlhoff weiter. “Da war zum einen der richtig große Atlantik-Schwell von links mit langen, großen und hohen Wellen. Und dann noch so ein Chop obendrauf durch den Wind. Die Welle kam aus allen Richtungen und in allen verschiedenen Typen.”

Der Tag begann holprig” (Alica Stuhlemmer)

Weiter sagte Paul Kohlhoff: “So ein fliegendes Boot fliegt halt nicht bei jeder Welle auch noch stabil. Man kann kaum Regatta segeln. Man kämpft die ganze Zeit mit diesem Boot. Das Boot fährt dich. Am Ende waren wir wieder halbwegs im Spiel. Der Streicher aus dem ersten Rennen tut ein bisschen weh, weil es zehn verschenkte Punkte waren. Aber die holen wir uns irgendwann wieder. Wenn nicht, muss man den Hut vor den anderen ziehen.” Auch die Crews in der Flotte der foilenden Katamarane können nur ein Resultat ihrer Serie streichen.

Theresa Steinlein souverän, aber im Pech

Alica Stuhlemmer blickte so auf den Auftakt zurück: “Wir haben den Tag so begonnen, wie wir es eigentlich nicht geplant hatten. Und dann haben wir uns an der Luvtonne auf die Nase gelegt.” Die Vorschoterin beschrieb Kohlhoffs Stunt “wie im Laser”: “Also Paul hängt. Dann fährt das natürlich alles nicht so schnell, aber wir haben versucht, um jeden Punkt zu kämpfen, weil die Serie noch lang ist. Wir haben heute nach und nach mehr reingefunden, aber einfach war das nicht.”

Den Satz kann auch Theresa Steinlein unterschreiben. Zwar hat sie ihr Windsurf-Viertelfinale so grandios bestritten, als wäre es einfach gewesen: Blitzstart, Führung, starker Speed, beständig in den Top-Zwei, alles unter Kontrolle. Doch so ging es am Ende nicht ins Ziel. Die Top-Akteurin vom NRV Olympic Team berichtet selbst, wie sie das Viertelfinale und den am Ende doch noch überraschend geplatzten Traum vom Halbfinaleinzug erlebte, in dem ein Winddreher die zuvor hinterherfahrenden Surferinnen aus Peru und China auf der anderen Kursseite das Rennen wie aus dem Nichts noch gewinnen ließ:

Ich hatte einen megaguten Start, war megaschnell” (Theresa Steinlein)

“Ich habe das Feld von Beginn an angeführt, bin dann nach dem Gate als Zweite auf den Upwind gegangen. Fünf Mädchen sind mir hinterhergefahren. Es ging hier jetzt drei Monate lang über die rechte Seite. Deshalb habe ich mich auch heute bemüht, so schnell wie möglich auf die rechte Seite zu kommen. In diesen zwei Minuten ging es dann aber über die linke Seite. Die beiden Letzten im Feld haben die linke Seite genommen, weil sie nicht Letzte bleiben wollten. Und haben damit den Lucky Punch gelandet. Manchmal spielt das Glück mit. Das ist heute den zwei Letzten zugefallen, leider nicht mir. Das muss ich so hinnehmen. Das ist halt Segeln. Ich würde die gleichen Entscheidungen noch mal treffen.“

Die ausgewogenen Worte kamen aus dem Mund der 22-jährigen Team-Jüngsten, die ihre herbe Enttäuschung über den so nahen und doch so unglücklich verpassten Halbfinaleinzug mit Blick aufs olympisch Erreichte überwinden konnte: „Wenn mir jemand bei meinem Einstieg ins Windsurfen gesagt hätte, dass ich vier Jahre später Olympia-Sechste werde, dann hätte ich das sofort genommen.“

“Resi” Steinlein hat Olympia 2028 im Visier

Die iQFoil-Aufsteigerin verabschiedete sich mit Größe von ihrer Olympia-Premiere, hat die Fortsetzung ihrer Karriere im Visier. In der Beach-Arena vor den Pitlanes der Finalistinnen sagte Theresa „Resi“ Steinlein: „Wenn alles so bleibt wie in den letzten Jahren, dann mache ich auf jeden Fall weiter. Ich habe das beste Setup mit meinem Trainer Daniel Slijk. Und wir dürfen an einem megacoolen Ort am Gardasee trainieren, können dort ganz viele Wasserstunden sammeln. Dazu der coole DSV-Support – das ist zusammen das Beste, was man haben kann.“

Gold, Silber und Bronze ging bei den Windsurferinnen an Marta Maggetti (Italien), Sahron Kantor (Israel) und Emma Wilson (Großbritannien). Letztere war die geschlagene große Favoritin des Tages. Emma Wilson hatte die olympische Hauptrunde sechs Tage lang souverän angeführt, als kurz vor dem Beginn der Finalserie ein Coach ein Ausrüstungsteil in ihrer Box in der Pitlane der Finalistinnen liegen ließ. Da sah sich Wilson plötzlich mit einem Protest des Technischen Komitees konfrontiert.

Der Protest ging zwar mit einer Strafe von 0,5 Punkten glimpflich und ohne Einflussmöglichkeit aufs Ergebnis aus. Er dürfte aber nicht zu Emma Wilsons Ruhe vor dem erhofften Gipfelsturm beigetragen haben. Es fühlten deswegen und auch aufgrund der Härte des olympischen Windsurf-Formats, in dem nur ein K.-o.-Finallauf über die Medaillen entscheidet, viele mit der Britin, die ihr erhofftes Gold nicht gewinnen konnte. Bei den iQFoil-Windsurfern raste Tom Reuveny (Israel) zum Olympiasieg. Silber und Bronze gingen an Grae Morris (Australien) und Luuc van Opzeeland (Niederlande).

Die Bucht von Marseille als Hindernisparcours

In die lange Reihe der Segler und Windsurfer, die an diesem Tag mit den heftigsten Druckunterschieden auf den Kursen zu kämpfen hatten, reihten sich auch Simon Diesch und Anna Markfort ein. „Ich bin mal so frei und sage, dass auch wir die Bedingungen heute nicht ganz verstanden haben“, räumte freimütig Steuermann Simon Diesch (Württembergischer Yacht-Club) ein.

Mit Vorschoterin Anna Markfort (Verein Seglerhaus am Wannsee/Joersfelder Segel-Club) war Simon Diesch am Vortag als Gesamt-Dritter stark in die olympische Premiere der 470er-Mixed-Crews eingestiegen. An Tag zwei musste das Duo Federn lassen, fand sich am Abend nach den Rängen 9 und 10 auf Platz sieben wieder.

Anna Markfort beschrieb, womit es ihre Crew auf dem Wasser zu tun bekam: „Es war absehbar, dass die aktuell hier herrschenden hohen Temperaturen über Land etwas mit dem Wind machen werden. Und so war es auch. Der Wind musste dann auch erst noch über eine Insel kommen, bevor er hier in der Bucht ankommt. Das hat man auf dem Wasser eben gespürt. Es war sehr, sehr löchrig. Es waren teils starke Böen dabei, aber auch starke Löcher. Es waren so schnelle Dreher dabei, dass man kaum gucken konnte. Kein Rhythmus, den zumindest wir erkennen konnten.“

Der Wind wusste nicht, dass er hätte nach links drehen sollen” (Simon Diesch)

Simon Diesch ergänzte lächelnd: “Wir haben uns irgendwann am Ende des linken Feldes gefunden und haben gesagt, dass der Wind so von den Zahlen her jetzt irgendwann links drehen müsste. Hoffentlich weiß es der Wind auch. Und, nein, der Wind wusste es nicht, dass er hätte links drehen sollen.” Am Abend, so berichtete Simon Diesch, hatte seine Crew noch einen Antrag auf Wiedergutmachung laufen. Simon Diesch sagte: „Wir haben noch einen Redress drin, weil wir einen Leeduchbruch hatten und da der Überzeugung sind, dass sie uns zu weit hinten aufgeschrieben haben.“

Philipp Buhl mit dem Rücken zur Wand

Wie ihre Teamkameraden hatten auch Ilca-7-Steuermann Philipp Buhl (Segelclub Alpsee-Immenstadt/Norddeutscher Regatta Verein) und Ilca-6-Steuerfrau Julia Büsselberg mit den diffusen Bedingungen zu kämpfen. Der 34-jährige Allgäuer fiel mit den Rängen 26 und 11 auf Platz 14 zurück. Nach seiner Rückkehr in den Hafen sagte Philipp Buhl: „Es tut schon weh, wenn es in den Bedingungen, auf die man sich eigentlich freut, die man besonders gut kann, irgendwann gar nicht mehr läuft. Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte.“ Sein Trainer Alex Schlonski habe ihn zwischen den Rennen “bestmöglich wieder aufgerichtet”, so Buhl. Vier weitere Rennen bleiben ihm im dritten Olympia-Anlauf, um wieder möglichst weit vorzurücken.

Buhls eigener Blick auf die weiteren Aussichten: „Die Medaille ist noch nicht ganz weg, aber ziemlich weit weg.“ Julia Büsselberg fiel am Samstag mit den Rängen 27, 24 und 27 auf Platz 20 zurück. „Ich weiß nicht, woran es gelegen hat. Ich habe mich auf der Kreuz nicht schrecklich langsam gefühlt. Definitiv habe ich die Stärke, auf dem Vorwind schnell zu sein, nicht ausspielen können. Da war ich echt langsam unterwegs. Und dann bin ich auch nicht ganz dahintergekommen, was der Wind heute gemacht hat. Nicht richtig war es heute bei uns, die Dreher in der Mitte auszufahren.“ Julia Büsselbergs Plan für den Abend: „Debriefing, mit einem Film aufs Fahrrad, Seele baumeln und die Beine wieder lockerlassen.“

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