Die ersten sechs Medaillen sind bei der Segelregatta der XXXIII. Olympischen Spiele vergeben. Gewonnen haben sie fast durchweg Vorstartfavoriten. Bei den 49er-Männern hielten die spanischen SailGP-Sieger Diego Botin und Florian Trittel dem enormen Erwartungsdruck stand. Die ehemaligen Trainingspartner der zweimaligen Bronzemedaillen-Gewinner Erik Heil und Thomas Plößel waren am Freitag wie Matadore in die Marseille-Medaillenarena eingezogen. Sie gewannen das Finale und krönten sich verdient zu Olympiasiegern.
Das erste Gold für Spanien kommt aus dem Meer” (”El País”)
Nahbar und überglücklich feierten sie den Erfolg mit ihrem beachtlichen mitgereisten Fan-Club, der über Tage schon durch seine leidenschaftliche Begleitung aufgefallen war. Diego Botin sagte nach dem Triumph: “Für uns ist ein Traum wahr geworden. Nach den vielen Jahren Arbeit kann es im Kreis unserer mitgereisten Familien hier nicht mehr besser werden.” Flo Trittel erklärte: “Der Schlüssel zum Sieg war es, über die zwei Tage mit den vielen Versuchen, das Medaillenrennen über die Bühne zu bringen, den Fokus zu bewahren. Wir wussten, was wir wollten: das beste Medaillenrennen zu segeln, das möglich war, um diese Goldmedaille zu gewinnen.”
49er-Silber ging an die überglücklichen Neuseeländer Isaac McHardie und William McKenzie. Ihnen gelang es als Olympia-Zweite, die sehr großen Fußstapfen ihrer prominenten Vorgänger Peter Burling und Blair Tuke zu füllen. Die beiden America’s-Cup-Verteidiger hatten 2016 Gold in Rio und 2021 Silber in Enoshima gewonnen. McHardie sagte: “Was für ein Gefühl! Das können Worte nicht beschreiben. Eine Silbermedaille für Neuseeland zu gewinnen, das ist einfach unglaublich.”
Es hat heute nicht nach Plan geklappt. Das ist Teil unseres Sports. Einer muss Vierter werden” (Sean Waddilove)
49er-Bronze sicherten sich die Amerikaner Ian Barrows und Hans Henken. Sie entrissen die dritte Medaille den als Zweite ins Medaillenrennen gestarteten Robert Dickson und Sean Waddilove. Das irische Duo bereinigte einen Frühstart, von dem genaue Beobachter später sogar sicher waren, dass er gar keiner war. Die Unglücksraben des Tages kamen im Finale erst als Neunte ins Ziel und rutschten auf Platz vier zurück.
Vor den Skiff-Männern waren die 49er-FX-Frauen zu ihrem Showdown angetreten. Marla Bergmann und Hanna Wille vom Mühlenberger Segel-Club hatten als Fünfte nach der Hauptrunde eine kleine Chance auf eine Medaille – schon das war ein Riesenerfolg. Die Schulfreundinnen hätten sie gern genutzt. Doch an diesem erneut heißen und besonders schwülen Tag war die erfahrenere Konkurrenz durchsetzungsstärker. Die Hamburgerinnen hatten sich viel vorgenommen für den letzten Antritt bei ihrer mitreißenden Olympia-Premiere. Am liebsten hätten sie das Finale gewonnen, doch da spielten unter den Augen der internationalen Fernsehkameras weder die mächtige Konkurrenz noch das eigene Timing mit.
„Wir waren am Start etwas spät dran und hatten mit den Schwedinnen die Flottenschnellsten in Luv von uns. Da mussten wir einmal rauswenden. Wir wollten aber über die linke Seite fahren, deswegen sind wir dann noch einmal zurückgewendet“, erklärte Steuerfrau Marla Bergmann das Startszenario, das den geplanten Angriff in Richtung Medaillen im weiteren Verlauf des Rennens zu schwer machte.
Lange haderten die Senkrechtstarterinnen der Segelnationalmannschaft nach ihrer schwer-schönen Olympia-Premiere in sengender Hitze nicht mit der verpassten Medaillenchance. „Wir sind trotzdem stolz auf uns“, sagte Hanna Wille. „Herzlichen Glückwunsch, ihr seid Raketen!“, gratulierte nicht nur Teamkameradin und Kiterin Leonie Meyer, die am 4. August in die Olympia-Regatta einsteigt, den beiden deutschen Skiffseglerinnen.
49er-FX-Olympiasiegerinnen wurden nach kuriosem Zieldurchgang im Medaillenfinale die favorisierten Niederländerinnen Odile Van Aanholt und Annette Duetz. Für eine kurze Zeit sah es so aus, als hätten die Schwedinnen ein Gate verpasst. Dann kam die für sie erlösende Botschaft auf dem Wasser: Ihr habt Gold gewonnen.
Silber sicherten sich die Schwedinnen Vilma Bobeck und Rebecca Netzler mit einem wie entfesselt gesegelten Finale, das sie souverän gewannen. Zur Party am Abend im Schweden-Haus waren auch viele aktuelle und ehemalige deutsche Skiff-Größen geladen, die sich den Olympia-Besuch in Marseille nicht entgehen ließen. Unter ihnen der zweimalige olympische Bronzemedaillen-Gewinner Thomas Plößel, Rebecca Netzlers Lebensgefährte Justus Schmidt, die 2016er-Olympia-Neunte Vicky Jurczok und viele mehr feierten mit der Skiff-Familie am Mittelmeer.
Das waren unsere letzten Olympischen Spiele. Ich habe vorher nie eine Medaille gewonnen. Daran habe ich jeden Tag gedacht. Unsere ganzen Familien waren hier. Sie waren unglaublich. Wir haben jeden Tag vor Rührung geweint” (Sarah Steyaert)
Bronze ging an das in Frankreich enorm beliebte “Mama-Team”: die 37-jährige Sarah Steyaert und die 39-jährige Charline Picon. Die Vorschoterin hatte schon 2016 einen Olympiasieg im RS:X-Windsurfen gefeiert, bevor sie sich für die Heimspiele zum 49er-FX-Ass umschulen ließ. Die Französinnen waren als Top-Team nach der Hauptrunde ins Finale gestartet. Doch Steyaert/Picon konnten das auch von Tausenden französischen Olympia-Fans erhoffte Gold nicht festhalten. Sie jubelten trotzdem, denn sie bekamen die Medaille, die Sarah Steyaert noch fehlte.
Marla Bergmann und Hanna Wille haben das olympische Podium bei ihrem ersten Anlauf verpasst und darüber auch einige Tränen vergossen. Die allerdings waren auch dem Abfall der enormen Anspannung und den Wellen der Emotionen geschuldet, die Olympioniken und Fans an diesem heißen Freitag durch die Beach-Arena gleich neben dem Olympia-Hafen Marseille schickten.
Marla Bergmann und Hanna Wille gehört wie weiteren nachrückenden FX-Crews im German Sailing Team die Zukunft. Hanna Wille sagte: „Viele der sehr erfahrenen internationalen Crews in unserer Flotte hören nach diesen Olympischen Spielen auf oder machen zwei Jahre Pause. Das macht natürlich Freude auf die Zukunft. Dass man weiß, okay, bei der nächsten Generation sind wir ganz vorn mit dabei.“
Marla Bergmann bestätigte die Fortsetzung der olympischen 49er-FX-Karriere ihrer Crew, die in Marseille mit ihrer so erfrischenden wie ansteckenden Freude am hochkarätigen Segelsport viele Herzen erobert hat: „Definitiv! Diese Momente jetzt hier nach dem Finale zu erleben, wie die Holländerinnen, Schwedinnen und Französinnen an Land kommen, wie sie gefeiert werden und wie sie wissen, dass sie Medaillen gewonnen haben – das will ich auch mal. Natürlich ist das Feuer jetzt noch mehr geweckt, auch mal auf diesem olympischen Podium stehen zu wollen.“
Während sich die Skiff-Besten mit ihrer fulminanten Finalshow schon von Olympia verabschiedeten, hat der ins Visier genommene Gipfelsturm für andere gerade erst begonnen. An Tag sechs der Olympia-Regatta waren weitere deutsche Seglerinnen und Segler gefordert. Simon Diesch (Württembergischer Yacht-Club) und Anna Markfort (Verein Seglerhaus am Wannsee/Joersfelder Segel-Club) stiegen stark in die Olympia-Premiere der 470er-Mixed-Flotte ein.
Das Duo liegt nach den ersten beiden Rennen und den Rängen acht und vier auf Platz drei. Und damit direkt in erwarteter Gesellschaft, denn die wie Diesch/Markfort co-favorisierten Japaner Kaija Okada/Miho Yoshioka und die Spanier Jordi Xammar und Nora Brugman führen die kleine Flotte der 19 470er-Jollen in dieser Reihenfolge an. Die Mixed-Crews bekamen gleich zum Olympia-Auftakt ein Geschenk, das sich andere Olympioniken an vielen Tagen gewünscht hätten: Sie durften auf dem Außenkurs Calanques in schönen Bedingungen um zehn Knoten segeln.
Die erste Zwischenbilanz von Simon Diesch am Abend im Olympia-Hafen Marseille: „Wir hatten einen soliden Einstieg. Auf den Außenbahnen macht das Segeln einfach so viel mehr Spaß als drinnen. Es war ursprünglich gar nicht vorgesehen, dass wir dort segeln. Wir waren darüber dann sehr happy. Wir hatten zwei Rennen unter absolut fairen Bedingungen.“
Im größten olympischen Feld der Ilca-7-Segler sah Philipp Buhl (Segelclub Alpsee-Immenstadt/Norddeutscher Regatta Verein) heute das Feld einmal von vorn und einmal von hinten. Nach dem starken Rang drei in der dritten Wettfahrt war der Ilca-7-Steuermann zunächst auf Platz drei im Klassement vorgerückt. Ein nicht gut gelungener Start in Wettfahrt vier und weniger Fortune auf dem Kurs ließen den Weltmeister von 2020 nach guter Aufholjagd noch als 28. ins Ziel kommen.
Damit liegt Philipp Buhl nach zwei Tagen auf Platz 15. „So ein falsch kalkulierter Start wie heute tut mir natürlich ein bisschen weh, aber in den Punkten liegt das Feld noch recht dicht zusammen. Ich blicke nach vorn und freue mich, wenn wir vielleicht morgen etwas mehr Wind haben. Morgen ist vielleicht der Tag, an dem man nach und nach ein paar Punkte aufholen kann“, sagte Philipp Buhl.
Eine wertvolle starke Konstanz zeigte heute Julia Büsselberg. Die Ilca-6-Steuerfrau vom Verein Seglerhaus am Wannsee lag in ihrem mit 43 Booten größten Frauen-Feld der Olympia-Regatta nach drei Wettfahrten auf Platz neun. Mit den Rängen 10, 14 und 10 bewies sie Klasse, leistete sich auch am Freitag in leichten Winden zwischen fünf bis acht Knoten in zwei Wettfahrten keine Aussetzer auf dem zweiten Außenkurs Frioul. „Wir haben heute zweieinhalb Wettfahrten gesegelt, dann ist der Wind zusammengebrochen und hat angefangen, wild hin und her zu drehen“, berichtete die 24-jährige Mathematik-Studentin am späten Nachmittag. Ihr Kurzfazit nach drei Rennen: „Ich bin weiter zufrieden.“
Die am Freitag entfallenen Finalserien der iQFoil-Windsurferinnen und -Windsurfer wurden für Samstag (3. August) neu angesetzt. Das K.-o.-Viertelfinale der Frauen mit Theresa Steinlein (Norddeutscher Regatta Verein) soll um 12.13 Uhr beginnen.
Herrlicher Live-Kommentar zum Olympiasieg von Diego Botin und Florian Trittel, der bei der spanischen Tageszeitung “El País” zu hören und in Bildern zu sehen ist. Bewegtbilder aus den Olympia-Arenen dürfen von den Olympischen Spielen nur Rechteinhaber zeigen: