Philipp Buhl ist Weltmeister, Europameister und dreimaliger Olympiateilnahmer. Der Ilca-7-Steuermann hat dem deutschen olympischen Segelsport und sich selbst seit seiner ersten Bronzemedaille 2013 mit insgesamt vier WM-Medaillen viel Glanz und unvergessliche Momente beschert. Nur bei Olympischen Spielen konnte er die längst verdiente Medaille in drei Anläufen nicht gewinnen. Nach dem dritten Versuch in Marseille stand er am Scheideweg: Auf zu neuen Ufern oder noch einmal alles geben?
Nach Platz 14 in Rio de Janeiro, Platz 5 im japanischen Olympia-Revier von Enoshima und Platz 13 in Marseille hatte sich der Ausnahmeathlet ganz bewusst eine längere Auszeit genommen. Der 35 Jahre alte Dauerbrenner hat alles auf den Prüfstand gestellt: den Platz des olympischen Segelsports in seinem Leben und die eigene Zukunft im Sport.
Mit der Auszeit hat der Leistungsträger und Ilca-7-Leitwolf seinen Kaderplatz riskiert. Er musste viele Fragen von außen beantworten. Er suchte das scharfe Bild für sich und seinen künftigen Weg und brauchte die Zeit, für ihn selbst entscheidende Antworten zu finden. „Für mich war diese Pause enorm wichtig. Ich musste mir diese Zeit nehmen, um mir Klarheit zu verschaffen, wie es weitergeht“, sagt Buhl.
Am Ende dieser Phase stand die Entscheidung. Kann er die Bedingungen schaffen, will er es noch einmal olympisch wissen. Er habe während seines Prozesses auch mit einer Sportmentaltrainerin gesprochen, die als ehemalige Leistungssportlerin selbst Erfahrung mit seiner Situation mitbrachte. Philipp Buhls Erkenntnis: „Ich bin derjenige, der am längsten dabei ist. Eine weitere Kampagne macht Sinn, wenn ich ganz konsequent den Versuch unternehme, es zu perfektionieren und wirklich alles raushole.“
Genau das will er jetzt tun, ist sicher: „Ich habe noch viel zu geben.“ Dass er sich nach rund zehn Monaten Wettkampfpause Ende Juni mit Platz vier bei der Kieler Woche sportlich überzeugend zurückmelden und auf Anhieb hochkarätige Konkurrenten wie den zweimaligen olympischen Silbermedaillengewinner Pavlos Kontides hinter sich lassen konnte, bedeutete für ihn mehr als einen mutmachenden Wiedereinstieg.
„Ich konnte bei der Kieler Woche auch mit wenig Training an gute Leistungen anknüpfen. Das hat mir gutes Selbstvertrauen gegeben zu sagen, dass ich bei der Europameisterschaft (Red.: 11. bis 16. August vor Marstrand) ein Top-Acht-Ergebnis anstrebe. Das würde mich zum jetzigen Zeitpunkt zufriedenstellen, denn die WM in Marstrand wird sehr gut besetzt sein“, sagt der Steuermann, der für den Norddeutschen Regatta Verein und den heimischen Segelclub Alpsee-Immenstadt startet.
Er weiß nach zwei Jahrzehnten Segelleistungssport, dass für seine neue Olympia-Kampagne auch die Förderung eine wichtige Rolle spielt. Langjährige loyale Partner haben schon ihr Vertrauen signalisiert. Weil aber Philipp Buhl auf seinem Weg nicht an der Weltmeisterschaft in China teilgenommen hatte, ist ein starkes EM-Ergebnis auch für seine künftige Kaderzugehörigkeit wichtig. So will es das deutsche Sportfördersystem. So strebt er es an.
Buhls Plan: „Es macht nur Sinn, es in allen Bereichen richtig zu machen, es nochmal auf die Spitze meiner Möglichkeiten zu treiben. Das ist die erste Mission für dieses Jahr.“ Dieses Bestreben ist auch der Grund, weshalb ihn aktuell weder ein SailGP-Einstieg oder andere Segel-Gipfelstürme reizen können. Abgesehen von seinem beflügelnden Motten-Engagement auf sehr hohem Niveau, fokussiert sich Philipp Buhl auf den Ilca 7. Die neue Olympia-Kampagne soll jedoch anders aussehen als bislang.
Ich will es nicht nochmal machen. Ich will es anders machen. Ich will es besser machen.“ Philipp Buhl
Es gäbe, sagt der Vollblutathlet und Ilca-Perfektionist, vieles, was er in der Vergangenheit richtig gemacht habe, aber: „Die Sachen, die ich nicht gut gemacht habe, die müssen sich ändern.“ Deutschlands bester Ilca-Segler weiß, warum es der im Starkwind-Revier von Perth mit dem druckvollen „Fremantle Doctor“ großgewordene Australier Matt Wearn war, der zwei Olympia-Siege in Folge holte und in dem Zyklus auch zweimal WM-Gold gewann.
Insbesondere das erste Wearn-Gold war auf beeindruckende Weise zustande gekommen. Da war der Australier im Enoshima-Revier mit Materialbruch und den Rängen 17 und 28 in die olympische Serie eingestiegen – und noch zu Gold gesegelt. Gemeinsam mit seinem extrem erfahrenen australischen Coach Michael Blackburn – selbst ein olympischer Medaillengewinner und zweimaliger Laser-Weltmeister – bekam Wearn danach die Kurve: bis auf den höchsten Platz auf dem Ilca-7-Olympia-Podest.
Wearn hatte unter starkem Druck das Optimum aus der mental schwierigen Situation geholt, sagte später, dass ihm das ohne Blackburn nicht gelungen wäre. Es waren aber auch die guten Antworten, die der Mann aus Down Under auf alle Bedingungen auf dem Wasser zu geben wusste, die ihn zu seinen beiden olympischen Goldmedaillen katapultierten. Nicht parat hatte Wearn diese Antworten nur nicht, als Philipp Buhl ihn 2020 im eigenen australischen Revier im Duell der Ilca-Giganten um Gold niedergerungen hatte.
Das tat dem Australier mehr weh, als er zeigte. Der deutsche “Gold-Räuber” dagegen erlebte Sternstunden in der australischen Philip Bay vor Melbourne. Die WM-Krone bedeutet Philipp Buhl immens viel. Er hat sie als erster deutscher Lasersegler gewinnen können. Sie war und ist der wichtigste Lohn für alle harte Arbeit und der vor allem für Buhl wichtige Beweis: er kann es. Olympisch aber hat der Dauerbrenner seine Meisterleistung bislang nicht in dieser Form abrufen können.
Philipp Buhl sagt: „Über meine Karriere hinweg war ich auch mal bei weniger Wind sehr gut, aber die meisten meiner Titel habe ich in meinen Lieblingsbedingungen geholt. Wenn ich das mit Wearn vergleiche, der nach Materialbruch in Tokio gewinnt, im letzten Zyklus beide WMs und dann nochmal Olympia-Gold in Bedingungen gewinnt, die ihm aus meiner Sicht am wenigsten liegen, dann spricht das für sich.“
Die haben eine Systematik, ein Rezept, mit dem sie die Sachen angehen.“ Philipp Buhl
Genau da will auch der Allgäuer hinkommen. Bei der Europameisterschaft in diesem Sommer wird die starke deutsche Ilca-7-Gruppe mit zwei Coaches vor Ort sein. Der vertraute und ruhige Dirigent Alex Schlonski und auch der Norweger Hermann Tomasgaard, olympischer Bronzemedaillengewinner und langjähriger Sparring-Partner von Philipp Buhl, werden bei der EM im schwedischen Marstrand vom 11. bis zum 16. August für die Besten vom German Sailing Team im Einsatz sein.
Philipp Buhl tritt mit mehr als dem durchaus relevanten Ergebnisziel an. Er will es wieder wissen, ist erfolgshungrig wie zu besten Zeiten. Nach einem gerade beendeten Intensiv-Trainingscamp mit der aufstrebenden deutschen Ilca-7-Trainingsgruppe in Regie von Coach Alex Schlonski im kommenden EM-Revier von Marstrand, geht es für Buhl und die anderen noch einmal zurück nach Kiel und auch dort zu weiteren Trainings auf dem Wasser.
Eine Woche vor EM-Start geht es dann wieder nach Marstrand, wo sie jetzt hart gearbeitet, täglich vier, fünf Stunden auf dem Wasser verbracht und auch an Land jeden Stein umgedreht haben. Dabei kam der Spaß untereinander nicht zu kurz, wie Bilder der sich gut verstehenden Gruppe aus dem schwedischen Trainingslager zeigen.
Aufsteiger Ole Schweckendiek vom Kieler Yacht-Club war dabei, auch wenn er für die Senioren-EM passen muss. Der erst 20 Jahre alte Nachwuchskadersegler will fast parallel zur EM seine letzte Chance zu einem Erfolg bei einer Ilca-U21-WM Ende August im irischen Dun Laoghaire nutzen und das Junioren-Kapitel maximal erfolgreich schließen.
Außerdem waren im EM-Marstrand-Trainingseinsatz: Nico Naujok (Verein Seglerhaus am Wannsee), Julian Hoffmann (Verein Seglerhaus am Wannsee/Segelclub Alpsee Immenstadt), Philip Walkenbach (Seglerverein Potsdamer Adler) und Justin Barth (Berliner Yacht-Club), dem bei der Kieler Woche nach Philipp Buhl auch der Sprung in die Top Ten gelungen war.
Zur immer erfolgreicher werdenden GER-Trainingsgruppe sagt Philipp Buhl, der viele seiner Teamkameraden schon in jungen Jahren auf ihrem Weg sehr offen mit Rat und Tat unterstützt hat und nun auch selbst von der zunehmende Stärke der Jüngeren bei immer höherem Trainingsniveau profitiert: „Das ist eine ganz coole Truppe mit viel Spaß, Motivation und auch sehr viel Talent. Da hat jeder seine eigenen Stärken. Wenn wir alle diese Stärken addieren, dann kommen wir ganz weit voran.”
Ob der Ilca-König seine Thronprinzen auf Kurs LA2028 noch einmal alle bändigen und sich auf Top-Niveau durchsetzen kann, will Philipp Buhl jetzt mit all seinem Können und seiner Güte prüfen. Nur wenige nehmen ihre Fans dabei so intensiv und offen mit durch die segelsportlichen Himmel und Höllen eines Leistungssportlers. Philipp Buhls “Do it one more time”-Kampagne könnte eine der spannendsten Geschichten der Segelnationalmannschaft auf dem Kurs nach Los Angeles zu den Olympischen Spielen 2028 werden.
Bei Philipp Buhls Comeback im Ilca 7 hat sich im Abgleich zu seinem legendären Olympia-Clip von 2017 vieles nicht verändert, was der Welshly-Arms-Song “Lgendary” damals für ihn so gut auf den Punkt brachte. Seine Leidenschaft für den olympischen Segelsport im Ilca 7 ist noch dieselbe, auch wenn er auf Kurs LA2028 einige Wege anders gehen will: