OlympiaGER-Segler behaupten sich in der Hitze- und Flautenschlacht, Kördel hat Glück

Tatjana Pokorny

 · 29.07.2024

Schöne Skiff-Lichtspiele in der Bucht von Marseille
Foto: Sailing Energy/DSV
Für Starkwindliebhaber muss diese Eröffnungsphase der olympischen Regatta in der Bucht von Marseille eine zum Verzweifeln sein: Leichte und unbeständige Winde, Startverschiebungen, Rennausfälle und enorme Hitze prägen Olympia am Mittelmeer. Geduld, Konzentrationsfähigkeit, Steherqualitäten und auch eine Portion Glück sind gefordert. In Richtung Wochenmitte könnte mehr Wind kommen …

Die deutschen Nationalsegler haben sich bislang nicht sehr von dem heißen Leichtwindspiel in der Olympia-Bucht von Marseille beeindrucken lassen. Alle vier zum Auftakt der Olympia-Regatta geforderten GER-Crews und Windsurf-Solisten liegen nach zwei Tagen in den Top-Ten. Die beiden deutschen Skiff-Duos lauern nach der ersten Halbzeit ihrer Hauptrunde bis zum Finale sogar als Gesamtvierte in vielversprechenden Positionen.

Windsurferin Theresa Steinlein stieg am Montag als Gesamtfünfte ebenfalls aussichtsreich in die Olympia-Premiere ihrer Klasse ein. Sebastian Kördel beendete das einzige iQFoil-Rennen der Männer als Zehnter. Der Windsurfriese vom German Sailing Team nahm den Ausfall des gesamten ersten Renntages, die Verschiebungen, das Warten und auch seinen zehnten Rang am zweiten Tag gelassen. “Das ist kein Weltuntergang. Ich habe mir immerhin keine Buchstaben eingefangen”, sagte der 33-Jährige lächelnd. Gemeint waren damit etwaige BFDs (Frühstartdisqualifikationen) oder DPIs (Strafen).

Heute war es für uns etwas schwieriger, bis wir uns an die neue Kabbelwelle gewöhnt hatten” (Hanna Wille)

Bergmann/Wille trotz Frühstart Vierte

Einen solchen BFD hatten sich die am Vortag so fulminant in ihre Olympia-Premiere gestarteten jungen 49er-FX-Seglerinnen Marla Bergmann und Hanna Wille am Montag in Wettfahrt vier eingefangen, bevor sie in Rennen fünf als 16. ins Ziel kamen und den Tag im Aufwärtstrend mit Rang sieben beendeten. Die im Vergleich zum herausragend gelungenen Auftakt schwächere Tagesbilanz warf Bergmann/Wille im Zwischenklassement nur um einen Platz zurück, denn auch andere hatten zu kämpfen. Zur Freude der olympischen Gastgeber übernahmen bei den FX-Frauen die Französinnen Sarah Steyaert und Charline Picon die Führung.

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Vorschoterin Hanna Wille sagte zur Leistung ihrer Crew zur Halbzeit der Skiff-Hauptrunde bis zum Finale: „Heute war es für uns etwas schwieriger, bis wir uns an die neue Kabbelwelle gewöhnt hatten. Im dritten Rennen hatten wir es dann raus.” Steuerfrau Marla Bergmann sagte nach der Frühstartdisqualifikation am Montag: „Ich denke, wir waren in den ersten beiden Rennen heute bei den veränderten Bedingungen etwas gestresst und nervös. Das ist ja natürlich, wenn man eine solche Platzierung hat wie wir – und die auch nicht verlieren will.“

In der Nachbetrachtung der Seglerinnen waren es die Kabbelwelle von vorn und der Strom von hinten, die ihnen in Kombination den Frühstart bescherten. Sie stolperten zwar an diesem Tag, aber fielen nicht und verteidigten weiter ihren hervorragenden Platz im Olympia-Feld.

Meggendorfer/Spranger rücken auf Platz vier vor

Auf den gleichen aussichtsreichen Platz wie die Skiffseglerinnen vom German Sailing Team haben sich die 49er-Segler Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger vom Bayerischen Yacht-Club vorgearbeitet. Steuermann Jakob Meggendorfer sagte nach insgesamt sechs Rennen für sein Team: „Wir hatten uns von Beginn an vorgenommen, uns selbst keinen Druck zu machen. Wir wollen mit Lust aufs Racen segeln und Olympia genießen. So können wir unsere Leistung am besten abrufen.“

Die Jungs haben einfach Freude am Segeln, und das spiegelt sich hier auch wider” (Max Groy)

49er-Coach Max Groy sagte: „Es hat heute sehr gewürfelt in der Flotte. Es waren sehr anspruchsvolle Bedingungen mit sehr leichten Winden. Die Jungs haben sich wirklich gut geschlagen, sind mit sehr guten Ergebnissen durch den Tag gekommen. Sie haben einfach Freude am Segeln, und das spiegelt sich hier auch in den Ergebnissen wider. Für uns war es ein guter Tag, und wir freuen uns auf morgen.“ Das deutsche 49er-Duo war den internationalen Berichterstattern ebenso einige Kommentare wert wie Marla Bergmanns und Hanna Willes bravouröser Einsatz als jüngste 49er-FX-Crew der Olympia-Flotte.

Wenn sich ein nationales olympisches Komitee fragt, ob es sich lohnt, eine Mannschaft zu entsenden, die nicht so aussichtsreich erscheint, dann schauen Sie sich Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger an” (World Sailing)

Über die erst am 2. Juli auf Antrag vom DSV vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) nachnominierten deutschen 49er-Segler Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger schrieb sogar der Weltverband unter der Überschrift “Die Deutschen rechtfertigen weiterhin ihren Platz” beeindruckte Worte:

“Wenn sich ein nationales olympisches Komitee fragt, ob es sich lohnt, eine Mannschaft zu entsenden, die nicht so aussichtsreich erscheint, dann schauen Sie sich Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger an. Vielleicht ist es die Tatsache, dass sie bis Anfang des Monats nicht einmal wussten, ob sie bei den Spielen starten dürfen, die ihnen die Freiheit gibt, einfach loszusegeln. Kein Druck. Meggendorfer und Spranger steigerten sich im Laufe des Tages und erreichten mit 12, 8, 3 Punkten den vierten Gesamtrang.”

Glück im Unglück für Sebastian Kördel

Nur eine Chance zum Glänzen hatte bislang mit Sebastian Kördel der deutsche iQFoil-Windsurfweltmeister von 2022. Bei der Olympia-Premiere der iQFoil-Flotte der Männer konnte bislang über zwei Tage nur ein Slalom absolviert werden. Das zweite Rennen musste in abflauenden Winden abgebrochen werden. Darüber war Sebastian Kördel nicht allzu traurig, denn er hatte sich in dem Rennen den “bescheuerten Fehler” geleistet, bei wenig Wind um die Reach-Tonne zu halsen. “Das ging noch nie und ging auch da nicht gut”, sagte er lächelnd.

Auf die Frage nach seiner Olympia-Stimmung und danach, ob er schon persönliche olympische Momente erlebt hat, erzählte der 31-jährige Top-Athlet vom Norddeutschen Regatta Verein von zwei für ihn bemerkenswerten Erlebnissen: „Am Sonntag bin ich zeitgleich mit dem Franzosen Goyard rausgefahren. Da gab es – natürlich für ihn – Jubel und Sprechchöre von mehr als Zehntausend Menschen am Strand. Da stellt man sich dann für einen Moment vor, dass der Jubel auch für einen selbst gilt. Ein toller Moment!”

Nach dem Totalausfall der Windsurf-Auftaktrennen am Sonntag hatte Kördel am Montag noch einen zweiten glücklichen Moment. „Vor dem Rennen heute ist mein Trapez gerissen. Es war glücklich, dass wir es noch vor dem Start austauschen konnten.“ Nach einigen Erkältungstagen, so Kördel, habe ihm am Montag noch etwas “der Saft in den Muskeln gefehlt”. Er fühle sich aber auf gutem Weg. Das einzige olympische iQFoil-Rennen bislang gewann zur Freude der 12.500 zahlenden und unzähliger weiterer Fans am Strand und im Club 2024 Frankreichs Co-Favorit Nicolas Goyard vor dem amtierenden italienischen Weltmeister Nicolo Renna.

Steinlein im iQFoil auf Platz 5

Sebastian Kördels Team- und Vereinskameradin Theresa Steinlein stieg an diesem Montag entschlossen in ihre und die Olympia-Premiere der iQFoil-Frauen ein. Mit den Rängen 3 und 11 platzierte sich die Windsurferin vom Wörthsee als Fünfte direkt in der Weltspitze. Ihr Bericht vom Kurs nach Stunden der Startverschiebung und heißen Rennen: „Man darf nicht vergessen: Es war ein megaharter Tag, weil wir so lange warten mussten. Es ist schwer, da motiviert zu bleiben. Wir haben heute zwei Slalom-Races gemacht, die für mich ganz gut gelaufen sind. Für mich war das mega wichtig.“

Ich denke immer: Wenn der erste Tag gut läuft, dann wird auch die Woche gut” (Theresa Steinlein)

Für Tag drei der olympischen Regatta sind am Dienstag fünf Rennen für die Windsurfflotten der Männer und Frauen angesetzt. Die Skifffelder sind in jeweils drei Wettfahrten gefordert. Zum Livestream der ARD mit Peter Carstens und Susann Beucke am 30. Juli geht es hier.


Im Video: Das ist Segeln bei Olympia 2024


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