OlympiaFurioser Freitag? Zwei Skiffseglerinnen und eine Windsurferin mit Medaillenchancen

Tatjana Pokorny

 · 01.08.2024

Windsurferin Theresa Steinlein ist bei ihrer Olympia-Premiere fürs Viertelfinale qualifiziert
Foto: Sailing Energy/DSV
Die Skiffseglerinnen Marla Bergmann und Hanna Wille und Windsurferin Theresa Steinlein haben am Freitag eine Chance, die nicht viele Spitzensportler in ihrer Karriere bekommen: Alle drei DSV-Athletinnen könnten bei den Olympischen Spielen eine Medaille in ihren Disziplinen gewinnen. Die Möglichkeit haben sie sich nach harten Tagen auf dem Wasser mit Hitzebeständigkeit, Konzentrationsvermögen, guter Kursübersicht und Freude an ihrem Sport verdient. Alle drei sind damit als Team-Jüngste jetzt schon Gewinnerinnen dieser Leichtwindspiele in Marseille

Als Theresa Steinlein und Sebastian Kördel am Donnerstagabend nach ihren letzten Rennen der Windsurf-Hauptrunde in immer noch sengender Hitze fast nebeneinander in der Mixed Zone bei Interviews standen, hätten ihre Sport- und Gefühlswelten kaum unterschiedlicher sein können. Die eine – Theresa Steinlein – hatte sich gerade ihren Platz in den Finalläufen der neuolympischen iQFoil-Board-Könner verdient. Und damit die Chance, am Freitag um eine olympische Medaille zu kämpfen. Dem anderen – Sebastian Kördel – blieb der Finaleinzug verwehrt, obwohl er ihm nach verrocktem ersten Windsurftag und klasse Comeback schon wieder so nah war.

Vier Punkte fehlen Kördel zum Finaleinzug

Nach einem ihn nicht direkt betreffenden Protest und der Renndisqualifikation eines Spaniers am späten Donnerstagabend fehlten Sebastian Kördel nach nur 13 von ursprünglich 20 geplanten Rennen vier Punkte zum Sprung in die Top Ten. Die tragen ihren Kampf um die Medaillen am Freitag nun ohne ihn aus. “So schade”, entfuhr es dem 1,91 Meter großen Weltmeister von 2022. Er meinte das letzte Rennen, das er in komplizierten Winden mit großem Vorsprung angeführt hatte, als es abgebrochen wurde. Ein dritter Rennsieg hätte ihn locker ins Finale getragen. Stattdessen kam das Aus für den als Mitfavoriten in die Olympia-Premiere der Board-Foiler gestarteten Radolfzeller.

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“Ich bin sehr enttäuscht”, räumte Kördel freimütig ein. Im Gespräch nach dem K.-o.-Schlag musste der 33-Jährige unter breiter Hutkrempe und hinter verspiegelter Sonnenbrille um Fassung ringen. Dann fand er auch einen positiven Blickwinkel: “Ich bin sehr froh über meine beiden Rennsiege, die bei Olympia auch nicht jedem gelingen. Sie haben gezeigt, dass ich hierhergehöre.” Im Moment seiner schweren Niederlage war das ein kleiner Trost. Seine beiden Rennsiege sind bislang die einzigen für die deutsche Segelnationalmannschaft. Drei Athletinnen werden am Freitag in ihren Finalläufen versuchen, diese Bilanz auszubauen.

Zu ihnen zählt nach dem glücklichen Ende ihrer Hauptrunde Theresa Steinlein. Die erst vor vier Jahren aufs Windsurfboard umgestiegene ehemalige Seglerin hat sich ihren Platz in der Finalserie nach 14 Rennen mit den Rängen 3, 11, 12, (16), 16, 13, 2, 5, 5, 13 und 12 verdient. In ihrem Viertelfinale werden diese Punkte keine Rolle mehr spielen.

Im Olympia-Finale ist alles möglich für Theresa Steinlein

Das Windsurf-Finalformat ist so einfach wie brutal: Die nach Abschluss der Hauptrunde auf den Plätzen vier bis zehn liegenden Windsurfer und Windsurferinnen tragen einen einzigen Viertelfinallauf aus. Die besten beiden Viertelfinalistinnen treffen in einem Halbfinallauf auf die in der Hauptrunde Zweit- und Drittplatzierten. Wieder ziehen die beiden besten Halbfinalistinnen ins Finale ein, für das im Fall der Frauen die Hauptrunden-Erste Emma Wilson bereits gesetzt ist. Die Britin hat in der Bucht von Marseille so stark agiert, dass sie eine Medaille schon sicher hat. Welche es sein wird, entscheidet ein Finallauf gegen die beiden Halbfinal-Besten.

Das Windsurf-Format ist so einfach wie chancenreich. Hier kann auch eine nach der Hauptrunde Achtplatzierte wie Theresa Steinlein noch Olympiasiegerin werden. „Da ist alles möglich“, weiß die zähe Kämpferin, die nun über Nacht wie Marla Bergmann und Hanna Wille die deutschen Fans träumen lässt. Die erfolgreichste Windsurferin vom NRV Olympic Team in Hamburg startet am Freitag ab 14 Uhr ins iQFoil-Viertelfinale der Frauen.

Ich glaube, dass Erfolg bei Olympia am Ende eine mentale Aufgabe ist” (Theresa Steinlein)

Die Zwillingsschwester der 49er-FX-Seglerin und Strategin des Germany SailGP Teams hat ihre Olympia-Premiere trotz vieler Härteprüfungen und Wartezeiten bislang genossen, wie sie selbst erzählt: “Ja, das Revier hier ist mega patchy. Aber ich mag das, weil man mitdenken muss. Ich bin happy, dass der Wind bislang so war – da muss man nicht schwer sein und in die Ecken ballern.“ Weil die Winde nach letzten Prognosen auch am Freitag schwächeln könnten, gab es am Donnerstagabend zunächst viele Planspiele zur Ansetzung der Rennen für vier Medaillenentscheidungen.

Lassen die Winde “Plan A” am Freitag zu?

Als “Plan A” beschrieb der Sprecher der Weltseglerverbandes World Sailing die folgende Variante: Die am Donnerstag in flauen Winden nicht austragbaren Medaillenrennen der Skiffseglerinnen und -segler sollen am Freitag um 12.10 Uhr (49er FX) und um 13.10 Uhr (49er) ausgetragen werden. Ab 14 Uhr könnten die Windsurfer und Windsurferinnen mit ihrem Viertelfinale beginnen, dem Halbfinale und Finale direkt folgen.

Als “Plan B” wurde ein Szenario beschrieben, das bei offensichtlichem Windmangel bereits am Mittag die aktive Verschiebung der Windsurf-Finalläufe auf Samstag vorsieht, während die Skiff-Medaillenrennen in den späten Freitagnachmittag geschoben werden. Für den Fall einer totalen Flaute hätten die Skiffsegler auch noch die Ausweichmöglichkeit auf den 3. August.

Wir sind guter Dinge” (Hanna Wille)

Marla Bergmann und Hanna Wille reagierten am Donnerstag nach langer Wartezeit, einem kurzen Abstecher zum Medaillenkurs, der Absage ihres Final-Showdowns und der Verschiebung auf den Folgetag entspannt. Hanna Wille konstatierte vor dem nun zunächst für Freitag geplanten 49er-FX-Showdown mit Medaillenchance für ihr fünftplatziertes Team: „Die Verschiebung heute könnte für uns von Vorteil sein, weil bei den Favoritinnen die Nerven strapazierter sind. Für uns hat sich nichts geändert. Wir freuen uns darauf, das Medal Race zu segeln, und werden es genießen, hier noch ein letztes Mal bei Olympia an den Start zu gehen.“

Olympia-Showdowns: Gibt es Kirschen auf der Torte?

DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner freute sich im Olympia-Hafen Marseille für die erfolgreichen Frauen der Segelnationalmannschaft. „Marla, Hanna und Theresa haben ein sensationelles Event bestritten und jetzt schon gewonnen. Sie haben großartig alle Herausforderungen meistern können – die Hitze, herausfordernde Windverhältnisse und viele Wartezeiten. Alles, was jetzt noch kommt, sind Kirschen auf der Torte.“

Parallel zu den Windsurf-Rennen, dem bereits mit überzeugender spanischer Führung durch Diego Botin und Florian Trittel begonnenen, aber wieder abgebrochenem 49er-Finale und den ohne Vollzug auf ihr Finale dauerwartenden FX-Besten waren an Tag fünf der Olympia-Regatta in Marseille auch Philipp Buhl (Segelclub Alpsee-Immenstadt/Norddeutscher Regatta Verein) und Julia Büsselberg (Verein Seglerhaus am Wannsee) in ihre Olympia-Serien eingestiegen.

Ilca-7-Steuermann Philipp Buhl eröffnete seine dritte Olympia-Teilnahme mit Rang sieben gut, bevor er sich mit einer selbst verursachten Kollision und zwei Strafkringeln aus dem Takt brachte und erst als 30. ins Ziel kam. Als 18. startet Philipp Buhl am Dienstag in seinen zweiten Renntag. Der 34-Jährige sagte: „Ich nehme ein gutes Rennen, eine gute Einstellung und ein bisschen Ärger über die selbst verschuldete Kollision mit in den zweiten Tag. Ich werde diese Serie Rennen für Rennen und Tag für Tag angehen, vor allem nicht zurück, sondern nach vorn schauen.“

Olympia-Turbulenzen mit gutem Humor betrachtet

Ilca-6-Steuerfrau Julia Büsselberg kreuzte die Ziellinie im ersten und einzigen Rennen ihrer Flotte als Zehnte. „Ein Rennen ist besser als kein Rennen“, sagte die 24-jährige Berlinerin mit trockenem Humor. Weiter berichtete sie vom Auftakt ihrer Olympia-Premiere: „Draußen waren die Bedingungen eigentlich besser als erwartet: zehn Knoten Wind, kabbelige Welle. Ich hatte relativ schnell die Fokus-Punkte raus für den Tag. Die habe ich im Großen und Ganzen gut umgesetzt und solide ins Ziel gebracht.“ Damit zählte Julia Büsselbergs Einsatz zu dem Wenigen an diesem turbulenten Tag in Marseille, das schnell und einfach zu verstehen war.

Die Frauen-Segel sind etwas kleiner als die der Männer – das neuolympische iQFoil-Windsurfen gut erklärt:

Starke Beine, starke Arme und helle Köpfe – das olympische Skiffsegeln im 49er FX und im 49er erklärt:

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