Ich war fast mein ganzes Leben lang im britischen Team: erst als Athlet, dann als Trainer bis zu den Olympischen Spielen. Der Wechsel ins German Sailing Team bedeutet eine große Veränderung. Die Frage für mich: Werde ich es ohne die Unterstützung des britischen Systems schaffen können? Es fühlt sich so an.
Der fundamentale Wechsel, den ich versuche reinzubringen: Ich will maximal viel Zeit mit den Athleten auf dem Wasser verbringen. Mit ihnen und den Disziplinen-Coaches, um ihre Programme zu überblicken. So, dass ich imstande bin, sie in bestimmte Richtungen zu beraten und zu lenken. Den Seglern muss klar sein, dass es in dieser Kampagne sehr viel mehr Kontakt mit dem Cheftrainer geben wird und ich ihnen auch sage, was ich von ihnen erwarte.
Sebastian wusste zu Beginn unserer Zusammenarbeit noch nicht, wie man eine Olympia-Kampagne führt, worum es dabei geht. Ich habe meine Erfahrung eingebracht, ihn angeleitet. Nach einem Jahr Zusammenarbeit haben wir die Weltmeisterschaft gewonnen. Das war ein sehr stolzer und unvergesslicher Moment für uns beide. Einer meiner schlimmsten Momente war dann, dass ich mit ihm in Paris keine Medaille gewonnen habe, obwohl wir das Gefühl hatten, auf richtigem Kurs zu sein.
Ich habe zwei Windsurf-Olympia-Ausscheidungen gegen Nick Dempsey verloren (Red.: Dempsey nahm fünfmal an den Spielen teil, gewann 2004 Bronze, 2012 und 2016 jeweils Silber), ihn später auf Kurs Rio trainiert, wo er Silber gewann. Als Sportler denkt man selbst erst nicht daran, vielleicht einmal Trainer zu werden. Als Trainer war ich dann relativ erfolgreich und dachte: Okay, vielleicht bin ich zum Trainer bestimmt. So dachte ich gerade wieder: Jetzt bin ich Cheftrainer. Vielleicht kann ich in zehn Jahren sagen: Ich war zum Cheftrainer bestimmt.
Ich hatte unter anderem besondere Gäste eingeladen: Wir hatten einen Coach aus dem Radrennsport und eine Physiologin dabei. Mir war es wichtig fürs Team, ihre Geschichten aus einer ganz anderen Sportperspektive zu hören, von ihren Herausforderungen, ihrem Training und ihren Zielen zu erfahren. Ich wollte das Bewusstsein dafür schaffen, wie stark in anderen Sportarten mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Strukturen gearbeitet wird.
Ich bin interessiert daran, uns für andere Sportarten zu öffnen. Soweit ich verstanden habe, gab es bislang keinen riesigen Austausch zwischen den Sportarten in Deutschland, doch jeder kann von jedem lernen. Auch vom Segelsport kann man eine Menge lernen.
Man nehme eine Regattawoche mit Trainings, Briefings, Rennen und Debriefings. Die Anforderungen reichen von der Frage, wie ich so eine fordernde Woche strukturiere bis hin zu den mentalen Entscheidungsprozessen. Ich bin überzeugt, dass es viele positive Austauschmöglichkeiten zwischen den Sportarten im deutschen Sportsystem gibt.
Es gibt einen guten Mix. Wir haben eine Basis von Athleten, die schon bei Olympia angetreten und motiviert sind, eine weitere Kampagne zu machen. Ich glaube, wir haben aktuell sogar mehr Leute mit Olympia-Erfahrung im Team, als es nach den Spielen in Japan auf Kurs Paris 2024 der Fall war. Das ist wichtig für den Aufbau.
Auch mit erfahrenen Coaches ist es sehr hart, die Botschaft an die ‚Neuen‘ zu vermitteln, wie sich Olympische Spiele wirklich anfühlen. Olympia ist ein anderes Event! Das können erfahrene Olympioniken am besten weitergeben.
Das war sehr gut. Wie auch einige individuelle Leistungen noch dazu. Doch wir werden das noch nicht zu sehr feiern. Das ist erst der Anfang. Alles hat mit dem Tief bei den letzten Olympischen Spielen und dem Debriefing danach begonnen. Die Frage ist: Was nehmen wir daraus mit in die Zukunft. Es ist noch früh im neuen Olympia-Zyklus. Es liegt noch viel Arbeit vor uns.
Wenn Simon und Anna jemals dachten, dass sie eine Leichtwindschwäche haben, dann habe ich die bei der WM in Gdynia nicht gesehen. Sie haben sich dort in sehr starke Positionen gebracht und sind wirklich aufgestanden, als es wichtig war.
Das war die erste große Medaille in diesem Jahr – eine Klasseleistung. Im letzten Fleetrace hatten sich Marla und Hanna mit Rang zwei ihre Chance erkämpft – und dann genutzt. Die gesamte Gruppe war gut. Das ist ein glänzendes Sprungbrett in Richtung Sommer und dann zur Weltmeisterschaft.
Ich würde es so beschreiben: Führe das Talent. Lass das Team wachsen. Erfülle den Traum. Mir gefällt auch das Motto meines Segelvereins Parkstone Yacht Club in Poole gut: ‚Das Segeln zum Leben erwecken.‘ Ich möchte beitragen, dass eine neue Energie ins German Sailing Team kommt. Wir werden mit einigen neuen Leuten zusammenarbeiten, wir werden Emotionen haben, es wird Liebe zueinander geben. Wir werden eine Teamfamilie aufbauen.
Replay! Der Durchbruch bei der 470er-Mixed-WM für Simon Diesch und Anna Markfort – am Vorschlusstag hatten sie sich nach starker Serie die gute Basis fürs Finale verschafft. WM-Silber gewannen sie punktgleich mit den spanischen Weltmeistern Jordi Xammar Hernàndez und Marta Cardona Alcàntara – mit einem weinenden und einem lachenden Auge: