“Es geht allen darum, die Spiele endlich wieder nach Deutschland zu holen”, sagt Stephan Bause. Der Leiter der Stabsstelle Olympiabewerbung im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) bringt mit diesem Satz die Motivation der vier Bewerberstädte und -regionen auf den Punkt, die jetzt ihre Grobkonzepte eingereicht haben. Am Ende könne sich aber voraussichtlich nur ein Bewerber und ein Segelstandort durchsetzen.
Mit Berlin, Hamburg, München und Köln als Teil des Rhein-Ruhr-Konzeptes bewerben sich die vier bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands um eine Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Zeitraum zwischen 2036 und 2044. Ihre Historie in diesem Feld ist ganz unterschiedlich: In Berlin und München haben bereits olympische Spiele stattgefunden. Beide Male – 1936 in dunkler Zeit und 1972 beim von Terror überschatteten München-Gipfel – wurde vor Kiel um olympische Medaillen gesegelt.
DOSB-Präsident Thomas Weikert sagt mit Blick auf das Bewerber-Quartett: “Das zeigt eindrucksvoll den nationalen Stellenwert einer Bewerbung und der Olympischen Bewegung in Deutschland und ist für uns ein Zeichen, dass der gesamtgesellschaftliche Mehrwert von Sportgroßveranstaltungen immer mehr Anerkennung erfährt.” So haben bei den Präsentationen alle vier möglichen Standorte in den vergangenen Tagen die gesellschaftlichen Chancen einer Bewerbung für das ganze Land hervorgehoben.
Eine DOSB-Delegation mit Präsidiums- und IOC-Mitglied Michael Mronz, den hiesige America’s-Cup-Fans vielleicht noch als Vorstandsmitglied und Vermarktungsprofi des United Internet Team Germany bei der Valencia-Kampagne erinnern, und Volker Bouffier, Vorstand mit besonderen Aufgaben, waren in der vergangenen Woche in die vier Bewerberstädte und -regionen gereist, um die Konzepte persönlich entgegenzunehmen.
In Berlin waren am 27. Mai im Olympiastadion die Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (Brandenburg), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) sowie Sachsens Innenminister Armin Schuster dabei. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner sagte: „Olympische und Paralympische Spiele sind eine große Chance für Berlin, für Deutschland und uns alle. Wir wollen die Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt zusammenbringen und damit ein Zeichen für Frieden, Solidarität und Freiheit setzen.“ Hier geht es zum Berliner Konzept.
Nordrhein-Westfalen stellte seine Pläne am 28. Mai im Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln vor. Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte: „Bei uns stehen die Sportlerinnen und Sportler im Mittelpunkt. Für sie und mit den Menschen in unserem Land wollen wir ein großes Fest feiern. Mit bisher nicht erreichten Zuschauerzahlen, spektakulären Sportstätten, getragen von einer sportbegeisterten Bevölkerung.“ Hier stellt das “Sportland NRW” sein Konzept vor.
Hamburg, das auf “kurze Wege” und eine starke Kooperation mit Schleswig-Holstein setzt und dessen Ministerpräsidenten Daniel Günther als Unterstützer an Bord hatte, lud am 31. Mai in den Grünen Bunker ein. Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher sagte: „Hamburg ist eine sportbegeisterte Active City und bietet beste Bedingungen für die Durchführung moderner und nachhaltiger Spiele. Ich bin sicher, dass unsere Stadt ein großartiges Zeichen der Vielfalt und Weltoffenheit, für Frieden, Demokratie und Freiheit setzen kann.“ Hier zeigen die Hamburger ihr Konzept.
München hatte seine Pläne bereits am 20. Mai präsentiert und die DOSB-Delegation zur Übergabe der Unterlagen am Abend des 31. Mai im Olympiapark empfangen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte: „Bayern gibt Rückendeckung für die Bewerbung Münchens, wir halten sie für exzellent. Wir werden Deutschland nicht blamieren - im Gegenteil. Wir werden ein gutes Bild abgeben und viel Ehre bekommen.” Wie das Bild aussehen soll: Hier geht es zum Konzept der Münchner.
Bis Ende September will der DOSB die Konzepte prüfen. Der Kriterienkatalog zur Bewertung kann hier eingesehen werden. Sämtliche die Anforderungen erfüllenden Konzepte sollen auf der DOSB-Mitgliederversammlung am 6. Dezember 2025 in Frankfurt am Main vorgestellt werden. In einem zweiten Schritt erhalten die Bewerber die Möglichkeit, bis Ende Juni 2026 Referenda durchzuführen, um die gesellschaftliche Tragfähigkeit ihrer Bewerbungen zu prüfen und ein Votum einzuholen.
In Stufe drei wird anhand einer noch zu entwickelnden Bewertungsmatrix die finale Bewertung vorgenommen. Im Herbst 2026 stimmt eine außerordentliche DOSB-Mitgliederversammlung über den deutschen Kandidaten ab. Thomas Weikert wies auch auf den langen noch bevorstehenden Weg im nationalen und internationalen Bewerbungsprozess hin und sagte: „Wir sind überzeugt, mit diesem Auswahlprozess nicht nur das beste Konzept für Deutschland zu finden, sondern auch eines, mit dem wir dann im internationalen Wettbewerb gewinnen können.”
Der nun entfachte Wettbewerb zwischen den Bewerbern für eine Ausrichtung der Spiele 2036, 2040 oder 2044 sei laut Weikert “im Sinne des Sports absolut legitim”. Man sei “sehr froh, vier hochwertige Konzepte zur Auswahl zu haben”. Das zeige, “welche Strahlkraft Olympische und Paralympische Spiele weiterhin haben”. Mit dem Wettbewerb zwischen den vier Hauptbewerbern ist erneut auch ein Konkurrenzsituation zwischen den Segelstandorten Kiel und Rostock-Warnemünde entstanden.
Durch die Brille des olympischen Segelsports betrachtet, unterscheiden sich die vier Bewerber-Konzepte in dieser frühen Bewerbungsphase vor allem in einem Punkt: Die Hamburger setzen voll auf den Segelstandort Kiel-Schilksee, die anderen drei Bewerber bleiben offen zwischen Kiel und Rostock-Warnemünde. Die Münchner geben in ihrer Übersicht über die möglichen Sportstätten zum Thema Segeln sowohl Kiel als auch Rostock an.
Die Berliner halten in ihrem “Berlin+”-Konzept unter der Überschrift “Berlin+ Mecklenburg-Vorpommern” fest, dass das Bundesland “mit seiner wasserreichen Landschaft traditionell ein hervorragender Standort für den Segelsport” sei. Unter der Headline “Berlin+ Schleswig-Holstein” heißt es bei den Berlinern aber auch: “Mit dem Standort Kiel und vielen internationalen Erfahrungen ist Schleswig-Holstein eine großartige Option für die Segelwettbewerbe”. Im Rhein-Ruhr-Konzept findet sich in der Liste der Austragungsorte im Überblick dieser Hinweise: “Kiel/Warnemünde – Segeln”.
Klar ist, dass die beiden deutschen Segelreviere im Bewerbungsprozess in Konkurrenz zueinander stehen. Das Rennen wird aber noch eine lange Zeit offen bleiben, bis die DOSB-Prüfungen, die Bürgerbefragungen und die weiteren Schritte im Bewerbungsprozess gegangen sind. Für ihre Bundesländer als olympische Segel-Gastgeber setzen sich auch die Ministerpräsidenten in den Ländern der möglichen Standorte für eine olympische Segelregatta der Zukunft ein.
In Mecklenburg-Vorpommern sagte Manuela Schwesig: “Wir wollen Olympia – und wir wollen die Segelwettbewerbe nach Rostock-Waremünde holen.” Für Segeln, Handball und Rugby in Schleswig-Holstein warb Ministerpräsident Daniel Günther an der Seite vom Hamburgs Bürgermeister Dr. Peter Taschentscher. Daniel Günther ist überzeugt: “Maritime Spiele, Hamburg und unser Land zwischen den Meeren: das passt zusammen.”