Olympia 2012Zwei Surfer treiben die Segler an

Tatjana Pokorny

 · 30.07.2012

Olympia 2012: Zwei Surfer treiben die Segler anFoto: onEdition
Moana Delle auf der Erfolgswelle

Toni Wilhelm und Moana Delle ließen es bei ihrem Olympia-Auftakt krachen. Für die deutschen 49er-Segler war es ein schwarzer Tag

Was für ein Tag in Weymouth: Riesige Freude bei Toni Wilhelm und Moana Delle, tiefe Traurigkeit bei den 49er-Seglern Tobi Schadewaldt und Hannes Baumann. Während die Surfer einen Blitzstart hinlegten, war der Traum von einer olympischen Medaille für die Kieler 49er-Crew am Dienstagabend schon nach vier Wettfahrten geplatzt.

  Toni Wilhelm gelang ein Blitzstart in die olympische RegattaFoto: onEdition
Toni Wilhelm gelang ein Blitzstart in die olympische Regatta

RS:X-Surfer Wilhelm sorgte mit zwei dritten Rängen und Platz drei hinter den Top-Favoriten Dorian van Rijsselberge und Przemyslav Miarcynski für Jubel im deutschen Segelteam. Dabei hätte es im zweiten Rennen sogar ein zweiter Rang werden können: Wilhelm hatte seinen polnischen Verfolger gut im Griff, bevor er auf der Zielgeraden aus unerklärlichen Gründen plötzlich langsam wurde und Miarcynski den Deutschen mit ein paar Metern Vorsprung auf der Linie noch abfangen konnte. Sogar der Pole wunderte sich darüber anschließend: "Toni muss etwas an der Finne gehabt haben. Er war die ganze Zeit klar vor mir, und es gab keinen anderen Grund, warum er plötzlich so langsam geworden ist."

Wilhelm selbst nahm den Mini-Dämpfer angesichts seiner hervorragenden Auftaktleistung gelassen. "Ich bin heute gut gestartet, hatte guten Speed drauf und habe auch die richtigen taktischen Entscheidungen getroffen. Es war ein schöner Beginn." Pure Freude malte sich in das Gesicht des Schwarzwälders, als er von seinen gelungenen Starts erzählte: "Da haben einige Favoriten wie der Brite und der Neuseeländer heute Federn gelassen. Im zweiten Rennen habe ich sogar selbst dafür gesorgt, indem ich ihnen von oben schön drübergebraten bin."

Moana Delle aus Kiel stand Wilhelm, mit dem sie gemeinsam im Trio mit Trainer Pierre Loquet trainiert, mit den Rängen vier und fünf sowie Platz fünf im Zwischenklassement kaum nach. Beide nutzten die frischen Winde zum gelungenen Auftakt. Während Wilhelm seine Starkwind-Qualitäten ausspielte ("Das war heute genau so, wie ich es mag!"), profitierte Delle von der am späteren Nachmittag auf 12 bis 14 Knoten etwas abflauenden Brise. "Eigentlich bin ich ja immer noch eine Leichtwind-Tante", erzählte sie grinsend, "aber mit zwei guten Starts konnte ich gut mitfahren. Einen Platz hat mir die Britin Bryony Shaw geschenkt, die gekentert ist."

  Robert Stanjek und Frithjof Kleen bei ihrer Olympia-PremiereFoto: onEdition
Robert Stanjek und Frithjof Kleen bei ihrer Olympia-Premiere

Während Robert Stanjek und Frithjof Kleen im Starboot mit den Rängen vier und sechs auf Platz sieben vorrückten und mit der guten Erkenntnis der Steigerung in den Ruhetag für Star- und Finnsegler am Mittwoch gehen, gelang auch dem Lübecker Lasersegler Simon Grotelüschen im vierten Rennen der Einhandsegler die Trendwende. Dem enttäuschenden 19. Rang in Rennen drei, den er einer Kenterung nach einem Penalty zu verdanken hatte, ließ der 25-Jährige einen dritten Rang folgen. "Geht doch", entfuhr es nicht wenigen Beobachtern.

  Franziska Goltz, Simon Grotelüschen und Moana DelleFoto: tati
Franziska Goltz, Simon Grotelüschen und Moana Delle

"Geht nicht" heißt es weiterhin für Franziska Goltz. Die Laser-Radial-Steuerfrau aus Schwerin kämpft, ackert und gibt nicht auf. Dennoch rutschte sie an ihrem zweiten Regattatag mit den Einzelrängen 26 und 24 auf Platz 26 ab. Unglücklicher noch waren am Dienstagabend die 49er-Segler Tobias Schadewaldt und Hannes Baumann, die als Geschlagene von der 49er-Arena in der Bucht von Weymouth zurückkehrten. Ihre Zweikampfschwäche war in den Wettfahrten drei und vier wie eine nicht verheilende Wunde wieder aufgebrochen und ihnen zum olympischen Verhängnis geworden. Das Kieler Duo kenterte in jeder Wettfahrt einmal und stürzte mit den Rängen 20 und 19 auf Platz 18 im Klassement der 20 Gleitjollen ab. Mit nun schon drei dicken Streichergebnissen (17, 20, 19) auf dem Konto ist der Traum der Norddeutschen von einer olympischen Medaille bereits nach vier Wettfahrten geplatzt.

  49er-Crew Schadewaldt/BaumannFoto: onEdition
49er-Crew Schadewaldt/Baumann
  49er-Steuermann Tobias Schadewaldt vor dem Olympischen Dorf in WeymouthFoto: tati
49er-Steuermann Tobias Schadewaldt vor dem Olympischen Dorf in Weymouth

"Das war ein schwerer Schlag", sagte Steuermann Tobias Schadewaldt am Abend im Olympiahafen, "wir sind wahnsinnig enttäuscht. Handling und Kommunikation an Bord haben einfach nicht gestimmt. Es hat uns wieder einmal in engen Situationen weggehauen. Es war enger und knapper, als es unsere Fähigkeiten heute erlaubt haben." Diese Erkenntnis schmeckte besonders bitter, weil auf dem Kurs "Portland Harbour" mit viel frischem Wind die Lieblingsbedingungen der Kieler herrschten.

Thema des Tages war in Weymouth allerdings erneut das Duell zwischen dem dänischen Finn-Überflieger Jonas Hogh-Christensen und Englands designiertem Goldjungen Ben Ainslie. Nach drei Wettfahrttagen und sechs Rennen lautet die Bilanz zwischen dem rotbärtigen Skandinavier und dem smarten Engländer 6:0. Nicht einmal hat der Top-Favorit der Briten und der Buchmacher den Dänen schlagen können. Stattdessen liegt Ainslie hinter Hogh-Christensen mit zehn Punkten Rückstand nur auf Platz zwei. Täglich entfernt sich die so sicher geglaubte Goldmedaille ein wenig weiter von dem Mann, der im Heimatrevier zum erfolgreichsten Segler aller Zeiten aufsteigen und Hogh-Christensens legendären Landsmann Paul Elvström vom Thron schubsen wollte.

Vier Wettfahrten bleiben Ainslie noch, um das Blatt zu wenden. Mehrfach hat er auf der Kreuz mehrere Plätze eingebüßt, findet kein Mittel gegen den bei den derzeit herrschenden stärkeren Winden um 20 Knoten pfeilschnellen Dänen mit dem Wundermast. Auf die Frage, ob das Top seines Riggs besonders biegsam sein, antwortete Hogh-Christensen heute mit wissendem Lächeln: "Das ist ein dänisches Geheimnis!" Dann fügte er hinzu: "Wir haben vor einem Jahr mit der technischen Entwicklung angefangen, vielleicht fünf, sechs Masten durchgetestet. Bei Ben sind es wahrscheinlich schon 50. Wir haben nicht das Budget. Aber ja, ich habe einen guten Mast!" Hogh-Christensen räumt ein, dass er überrascht sei, nach sechs Wettfahrten mit 6:0 gegen Ben Ainslie zu führen. Diesen Satz diktierte er rund 25 wissbegierigigen britischen Journalisten nicht ohne Genuss in die Blöcke. Doch dann warnte der sympathische Sohn von dem in Deutschland als Admiral's Cup-Sieger 1993 mit "Container" bekannt gewordenen Jens Christensen vor voreiligen Schlüssen: "Inklusive Medaillenrennen sind jetzt erst die Hälfte der Punkte vergeben, die es bei dieser Regatta zu gewinnen gibt. Da ist ein Zehn-Punkte-Vorsprung noch kein dickes Polster." Insbesondere dann nicht, wenn der Verfolger Ben Ainslie heißt und sich gerade nichts im Leben sehnlicher wünscht als die vierte Goldmedaille.