Mehr als ein Silberstreifen am HorizontWM-Silber und -Bronze vor goldener Kulisse

Tatjana Pokorny

 · 21.11.2021

Mehr als ein Silberstreifen am Horizont: WM-Silber und -Bronze vor goldener KulisseFoto: Jesus Renedo/Sailing Energy/World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 Oman 2021
WM-Silber holten im Golf von Oman die 49er-Segler Tim Fischer und Fabian Graf

Deutschlands beste Skiff- und Katamaransegler haben ihre Klasse bei der Weltmeisterschaft im Oman mit zwei Podiumsplätzen erneut unter Beweis gestellt

Deutschlands beste Skiff- und Mixed-Katamaransegler haben zum Saisonfinale am Ende dieses ereignisreichen olympischen Jahres noch einmal ihre Weltklasse unterstrichen. Einen Monat vor dem Weihnachtsfest bescherten sich die 49er-Asse Tim Fischer/Fabian Graf und die Nacra-17-Klassenbesten Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer bei der Weltmeisterschaft im Oman mit Silber und Bronze selbst ihre Geschenke.

Am finalen Sonntag war vor Beginn der Medaillenrennen im Golf von Oman sogar noch mehr drin für die angriffslustigen DSV-Akteure, doch Fischer/Graf brachten sich mit einem Frühstart um ihre Titelträume. Und auch die Olympia-Dritten Kohlhoff/Stuhlemmer konnten ihr Feld im Finale nicht noch einmal so grandios dominieren wie im letzten Rennen der Hauptrunde, das sie mit einem halben Kilometer Vorsprung hatten gewinnen können.

Die Bilanz der Erfolgsmannschaften vom German Sailing Team fällt unter dem WM-Strich dennoch überaus stark und auf Kurs Olympia 2024 beflügelnd aus. Mit Platz drei in der Nationenwertung über alle drei WM-Disziplinen, wobei im 49erFX keine deutschen Seglerinnen am Start waren, dürfen die Skiff-Artisten und Nacra-17-Stürmer mehr als optimistisch in die Zukunft schauen. Besser waren nur die Niederlande mit zwei Titeln im 49er und im 49erFX sowie Großbritannien mit WM-Gold im Nacra 17.

  DIe WM-Serie für 49er, 49erFX und Nacra 17 fand vor goldener Oman-Kulisse stattFoto: Jesus Renedo/Sailing Energy/World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 Oman 2021
DIe WM-Serie für 49er, 49erFX und Nacra 17 fand vor goldener Oman-Kulisse statt

Haben 20 Zentimeter den WM-Titel gekostet?

Tim Fischer und Fabian Graf werden ihre erfolgreichste Weltmeisterschaft so schnell nicht vergessen. Die für den Norddeutschen Regatta Verein und den Verein Seglerhaus am Wannsee startende Crew hatte nach 16 Rennen der Vor- und Hauptrunde zunächst auf Platz zwei gelegen. Ein Protest der drittplatzierten Dänen Fredrik Rask und Jakob Precht Jensen gegen die führenden Niederländer Bart Lambriex/Floris van de Werken aufgrund einer zu engen Situation in Wettfahrt 16 hatte dann aber dafür gesorgt, dass Fischer/Graf noch vor dem Medaillenrennen mit acht Punkten Vorsprung vor den Holländern auf Platz eins vorgerückt waren und als Spitzenreiter in die Finalarena einzogen. Die Titelchance war damit für die Deutschen zum Greifen nah. Doch die Träume zerbarsten im Start. "Wir wollten es eigentlich ganz entspannt angehen", erzählte Tim Fischer nach der Entscheidung, "aber wir waren wohl etwa 20 Zentimeter über der Linie. Da haben wir uns etwas verschätzt. Der Call von Fabi kam direkt. Das war natürlich so nicht geplant."

Die erforderliche Rückkehr zur Startlinie zur Bereinigung brachte Fischer/Graf zu weit ins Hintertreffen. Sie konnten die enteilten Niederländer nicht mehr stoppen, die mit einem überzeugenden Rennsieg zu ihrem ersten WM-Titel segelten. Silber jedoch verteidigten Fischer und Graf mit Rang sieben im Medaillenfinale – es ist nach WM-Bronze in 2018 ihre zweite Medaille bei Welttitelkämpfen im olympischen Skiff. "Silber ist cool", sagte Steuermann Fischer, der aber auch offen und ehrlich um die verpasste Großchance trauerte. "Man darf nicht vergessen, was für eine Chance wir hier heute hatten." Damit müssen die traditionell erfolgreichen deutschen 49er-Segler auch nach der 25. WM ihrer Olympia-Disziplin seit 1997 weiter auf den ersten Titel warten.

  Am Ende der olympischen Saison war bei der WM im Oman im 49er keine ehemalige Weltmeister-Crew im Einsatz. Dafür gab es neue aufstrebende Talente zu beobachtenFoto: Jesus Renedo/Sailing Energy/World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 Oman 2021
Am Ende der olympischen Saison war bei der WM im Oman im 49er keine ehemalige Weltmeister-Crew im Einsatz. Dafür gab es neue aufstrebende Talente zu beobachten

Die erste der insgesamt sechs deutschen 49er-WM-Medaillen seit der Premiere 1997 hatte zur Jahrtausendwende Marcus Baur mit Philip Barth gewonnen. Damals wie heute war es Silber. Dem zweimaligen Olympiateilnehmer Baur gelang 2004 mit Bronze noch ein zweiter WM-Erfolg. Vor 17 Jahren an seiner Seite: der heutige 49er-Erfolgscoach Max Groy, in dessen Regie Tim Fischer und Fabian Graf seit Ende 2016 in einer aufstrebenden Gruppe trainieren.

Dazu zählen auch Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger vom Bayerischen Yacht-Club, die im Oman starke Momente hatten, sechs Top-Fünf-Resultate erkämpften, am Ende aber das hohe Niveau nicht mehr ganz halten konnten und das Medaillenfinale als Gesamt-Elfte unglücklich knapp verpassten. Max Groy sagte im Oman: "Unsere Trainingsgruppe ist stark. Alle pushen sich gegenseitig und haben damit auch Anteil am Erfolg von Tim und Fabian."

Seine Silber-Schützlinge lobte Groy besonders: "Tim und Fabian zeichnet ihr intelligenter Segelstil aus. Sie haben ein gutes Gefühl für den Wind, finden auch kluge Wege durch die Mitte und müssen nicht immer in die Ecken ballern. Das steht auf ihrer Haben-Seite." Groys WM-Kurzbilanz bringt die aktuellen Leistungen und das Vorhaben für die Zukunft auf den Punkt: "Der Standort ist jetzt ein sehr guter. Den gilt es zu halten."

  49er-Coach Max Groy (vorn) und seine Silber-Crew mit Tim Fischer und Fabian GrafFoto: 49er Sailing
49er-Coach Max Groy (vorn) und seine Silber-Crew mit Tim Fischer und Fabian Graf
  Über WM-Silber freuten sich bei der Siegerehrung im Oman am Sonntagabend Tim Fischer und Fabian GrafFoto: 49er Sailing
Über WM-Silber freuten sich bei der Siegerehrung im Oman am Sonntagabend Tim Fischer und Fabian Graf
  Die neuen 49erFX-Weltmeisterinnen kommen mit Odile van Aanholt und Elise Ruyter wie bei den 49er-Männern aus den NiederlandenFoto: Jesus Renedo/Sailing Energy/World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 Oman 2021
Die neuen 49erFX-Weltmeisterinnen kommen mit Odile van Aanholt und Elise Ruyter wie bei den 49er-Männern aus den Niederlanden

Zum glänzenden Doppel-Erfolg für das German Sailing Team trugen die Olympia-Dritten Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer im Nacra 17 bei. Die Crew vom Kieler Yacht-Club hat im Golf von Oman wie schon in Japan Bronze erkämpft und beschließt das olympische Jahr auf Kurs Paris 2024 gestärkt. Dass im WM-Finale am Sonntag auch für sie mehr als Bronze drin gewesen wäre, ließ den 26-jährigen Steuermann Paul Kohlhoff nicht ganz unbeeindruckt: „Puh, das war hart heute. Wir wären nach unserem Sieg im letzten Hauptrundenrennen, mit dem wir uns für das Medaillenrennen gut hatten positionieren können, wirklich sehr gern Zweite geworden. Doch dafür haben wir uns im Medaillenrennen zu viel erlaubt. Ich habe deswegen heute ein weinendes und ein lachendes Auge. Unter dem Strich wird aber die gute Erkenntnis bleiben, dass wir das Jahr über konstant in der Spitze agiert haben und da auch bleiben. Hätte uns im vergangenen Jahr jemand zweimal Bronze für Olympia und die WM 2021 angeboten, hätten wir sofort eingeschlagen. Wir sind unserem Trainer Marcus Lynch dankbar für das Erreichte und geben weiter Gas.“

Neue und alte Nacra-17-Weltmeister sind die Briten John Gimson/Anna Burnett, die nicht nur auf dem Boot, sondern auch im Leben ein glückliches Paar sind. Silber gewannen die jungen Italiener Gianluigi Ugolini/Maria Giulbilei, die sich nach drei Junioren-WM-Titeln bei dieser Leichtwind-WM im Seniorenfeld ohne einige der bisherigen Weltklasse-Teams eindrucksvoll schnell nach oben katapultierten und nahtlos an die Tradition der erfolgreichen italienischen Nacra-17-Crews anknüpfen. Hier geht es zu den WM-Gesamtergebnissen (bitte anklicken!).

  Die WM-Bronzemedaillen-Gewinner Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer mit ihrem Coach Marcus LynchFoto: Nacra 17 Class
Die WM-Bronzemedaillen-Gewinner Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer mit ihrem Coach Marcus Lynch
  Die besten drei WM-Crews im Nacra 17. Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer kannten den Weg auf den dritten Podestplatz schon von Olympia in diesem Sommer…Foto: Nacra 17 Class
Die besten drei WM-Crews im Nacra 17. Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer kannten den Weg auf den dritten Podestplatz schon von Olympia in diesem Sommer…

DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner, die das Sonntagsfinale wie viele deutsche Segelfans live am heimischen Bildschirm miterlebt hatte, sagte danach: "Die Leistungen sind mit zwei WM-Podiumsplätzen herausragend. Das ist ein sehr schöner Start in den neuen Olympia-Zyklus von zwei Mannschaften, die beide die Olympia-Regatta vor Marseille in Angriff nehmen – ein toller Auftakt, zu dem wir den Crews und ihren Trainern sehr herzlich gratulieren!"

Die WM ging im Generationenwechsel nach den Spielen von Japan und 978 Tage vor Beginn der Olympischen Spiele 2024 in Frankreich mit würdigen Siegern, neuen Gesichtern und vielversprechenden Talenten zu Ende. Welche der bei dieser WM nicht startenden internationalen Skiff- und Nacra-Stars der vergangenen Jahre 2022 mit Blick auf den dann nur noch zweijährigen Vorlauf zum nächsten Gipfel vielleicht doch wieder olympisch einsteigen, wird erst die nächste Saison zeigen. Auch die zweimaligen olympischen Bronzemedaillengewinner Erik Heil und Thomas Plößel, die bei dieser WM fehlten, haben noch nicht final über die Fortsetzung ihrer Karriere entschieden.

  Wenn eine Momentaufnahme die harte Arbeit einer Nacra-17-Vorschoterin wie Alica Stuhlemmer aus Altenholz bei Kiel zeigen kann, dann diese! Am Steuer gibt Paul Kohlhoff Gas…Foto: Jesus Renedo/Sailing Energy/World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 Oman 2021
Wenn eine Momentaufnahme die harte Arbeit einer Nacra-17-Vorschoterin wie Alica Stuhlemmer aus Altenholz bei Kiel zeigen kann, dann diese! Am Steuer gibt Paul Kohlhoff Gas…