Tatjana Pokorny
· 10.07.2022
Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer haben nach starkem EM-Auftritt das Medaillenfinale verpatzt und das Podium verpasst. Ihr Trendbarometer aber zeigt nach oben
Wenn europäische oder Welttitelkämpfe in den Skiffdisziplinen oder im foilenden Katamaran Nacra 17 anstehen, dann war in den vergangenen Jahren regelmäßig mit deutschen Erfolgen zu rechnen. Die rasanten drei Bootsklassen hatten sich zu Paradedisziplinen des German Sailing Teams gemausert. Diese Güte war bei den Olympischen Spielen im japanischen Revier von Enoshima im vergangenen Sommer sogar drei Medaillen wert. Bei der Europameisterschaft im dänischen Revier von Aarhus war es in dieser Woche anders. Bei genauerem Hinsehen dürfte es sich beim vergleichsweise schwachen Abschneiden der DSV-Akteure in vielen Fällen jedoch um ein vorübergehendes Phänomen handeln.
Die deutschen Olympiasegler haben die Europameisterschaften in den drei schnellsten olympischen Bootsklassen 49er, 49er FX und Nacra 17 ohne Medaillen beendet. Die Olympia-Dritten Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer waren am Sonntag als Dritte nach starker Woche hoffnungsfroh ins EM-Medaillenfinale der besten zehn Katamaran-Crews gestartet. Weil sie aber nur als Neunte ins Ziel kamen, sackten sie in der Endabrechnung noch bis auf Platz sieben zurück. Im Kampf um den Podiumsplatz agierte Vorschoterin Alica Stuhlemmer mit genähter Platzwunde am Knie, die sie sich am Vortag bei einem Aufprall an Deck zugezogen hatte. "Die Wunde musste gestern Abend mit ein paar Stichen im Krankenhaus genäht werden. Das tat schon weh und hat heute im Finale vielleicht nicht geholfen, war aber sicher auch nicht der Grund, warum wir schlecht gesegelt sind", erklärte die 22-jährige Sportsoldatin aus Altenholz robust. "Es war einfach nicht unser Tag. Wir haben zu viele Fehler gemacht."
Anfangs noch gut platziert, war das Kieler Duo im Medaillenrennen nach Positionierung auf der in drehenden Bedingungen weniger bevorzugten rechten Kursseite schnell auf Rang zehn zurückgefallen. Einen Rang konnte es im kurzen Rennen noch gutmachen, doch das reichte nicht zur Verteidigung von Platz drei. Trotz der Enttäuschung über Platz sieben beendete Deutschlands beste Nacra-17-Crew die Serie mit positiven Erkenntnissen. Alica Stuhlemmer sagte: "Wir haben gezeigt, dass wir aus der Kieler Woche viel gelernt haben. Wir bekommen zwar immer noch zu viele Dämpfer ab, aber es geht aufwärts und wir haben viel Spaß daran. Die Italiener zeigen vorne, wo es langgeht. Da liegt Arbeit vor uns." Wo es langgeht, demonstrierten die italienischen Olympiasieger Ruggero Tita und Caterina Banti mit sagenhaften neun Rennsiegen in 14 Wettfahrten und dominantem EM-Gold. Das WM-Konto der Azzurri wies nach dem Medaillenfinale nur 21 Punkte aus. Die zweitplatzierten Neuseeländer Micah Wilkinson und Erica Dawson gewannen Silber mit 86 Punkten.
In den Klassen 49er und im 49er FX konnten die deutschen Teams bei diesen Titelkämpfen nicht glänzen. Tim Fischer/Fabian Rieger (Norddeutscher Regatta Verein/Verein Seglerhaus am Wannsee), WM-Dritte von 2018 im selben Revier, segelten als beste GER-Crew im Feld von 89 49ern auf Platz 16. Die sonst stark agierenden Jakob Meggendorfer/Andreas Spranger (Bayerischer Yacht-Club) hatten in Folge einer Corona-Erkrankung in der Crew im Vorweg der EM kurz nach der Halbzeit aufgegeben.
Skiff-Trainer Max Groy sagte: "Das Abschneiden von Jakob und Andi ist der Corona-Situation geschuldet. Wir wollten es nach der Erkrankung nicht überreißen und lieber sicherstellen, dass sie zur Weltmeisterschaft in der ersten Septemberwoche in Kanada voll regeneriert sind. Auch Tim und Fabian holen nach längerer Pause und dem sensationellen Wiedereinstieg bei der Kieler Woche noch auf. Da fehlt bei so viel Wind wie hier in Aarhus einfach noch etwas Trainingszeit. Ich gehe davon aus, dass beide Crews zur WM topfit sein werden." In Abwesenheit der Japan-Bronze-Gewinner Erik Heil/Thomas Plößel (Norddeutscher Regatta Verein), die studienbedingt pausieren, aber ebenfalls mit Trainer Marc Pickel für die Weltmeisterschaft Anfang September in Kanada planen, sicherte sich deren gut bekannter spanischer Trainingspartner Diego Botin mit seinem neuen Vorschoter Florian Trittel EM-Gold in Dänemark.
Im 49er FX der Frauen läuft nach dem Rücktritt der olympischen Silbermedaillengewinnerinnen Tina Lutz/Susann Beucke (Chiemsee Yacht Club/Norddeutscher Regatta Verein) der Generationswechsel. Die jungen Crews müssen Gas geben, um die noch deutlich erkennbare Lücke zur Weltspitze möglichst schnell zu schließen, denn im Idealfall wollen die Nationenstartplätze für die Olympischen Spiele 2024 bereits im kommenden Jahr bei den Weltmeisterschaften gesichert werden. Das beste deutsche Ergebnis erzielten bei den europäischen Titelkämpfen in Dänemark in der mit 70 Booten großen Flotte die 21-jährige Steuerfrau Inga-Marie Hofmann und Catherine Bartelheimer (Düsseldorfer Yachtclub/Segelclub Inning am Ammersee), die auf Platz 25 segelten. Catherine Bartelheimers Bilanz: "Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden. Unser Ziel war es, die Goldfleet zu erreichen. Das haben wir geschafft. Es war bei vielen Drehern und Böen tricky zu segeln, wie man Aarhus eben kennt. Wir wissen, woran wir arbeiten müssen. Olympia Paris 2024 ist unser Ziel, und dafür geben wir alles." Drei Plätze dahinter schlossen Maru Scheel und Freya Feilcke (Kieler Yacht-Club) die Serie nach 14 Wettfahrten auf Platz 28 ab. Freya Feilcke sagte: "Wir hatten zwei gute Quali-Tage, sind dann aber sehr knapp am Goldfleet vorbei. Das war schon etwas enttäuschend. Das muss man erst mal schlucken. Olympia 2024 ist das Ziel, und wir werden alles geben, um zur Weltspitze aufzuschließen. Ich denke, wir haben eine starke Gruppe und können den Generationswechsel zusammen schaffen." EM-Gold räumten bei der offen ausgetragenen Europameisterschaft die brasilianischen Doppel-Olympiasiegerinnen Martine Grael und Kahena Kunze ab.