Tatjana Pokorny
· 28.07.2021
Das German Sailing Team hat an Olympia-Tag vier die Höhen und Tiefen des olympischen Seins ausgelotet. Eine harte Doppel-Disqualifikation traf die 470er-Frauen
An keinem der bisherigen Tage der olympischen Regatta wechselten sich Hochstimmung und Tiefschläge, gute Ergebnisse und Schrecknachrichten so schnell ab wie an diesem vierten Tag in Enoshimas Olympiahafen. Die Diskrepanz zwischen dem fulminanten und sehenswert eingefahrenen Tagessieg von Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer im Nacra 17 und der abendlichen Doppel-Disqualifikation von Luise Wanser und Anastasiya Winkel hätte kaum größer sein können. Während sich die Kieler Mixed-Katamaran-Crew zurückhaltend über ihren überaus gelungenen Auftakt freute, fanden sich die schwer getroffenen 470er-Seglerinnen, die mit den Rängen fünf und neun als Gesamt-Vierte auf dem Wasser überzeugend in ihre Olympia-Premiere durchgestartet waren, am Abend nur auf Platz 19 in der 470er-Olympiaflotte der Frauen mit 20 Booten wieder.
Und das war passiert: Ein General-Check der Trapezhosen aller 470er-Crews hatte ergeben, dass die Weste von Vorschoterin Anastasiya Winkel 200 Gramm zu schwer war. Ein solches Vergehen kann man unterschiedlich bestrafen, wenn es als Verletzung der Klassenregeln eingestuft wird: mit einer Punktstrafe oder einer Disqualifikation. Die Jury bei den Olympischen Spielen wollte offenbar ein Exempel statuieren und disqualifizierte die GER-Crew für beide Rennen des Tages ebenso wie die argentinischen Seglerinnen Maria Belen Tavella und Lourdes Hartkopf. Dagegen will das German Sailing Team nun mit Regelberater Craig Mitchell vorgehen und eine Wiedereröffnung des Verfahrens beantragen.
Während sich die unglücklichen Seglerinnen vom Norddeutschen Regatta Verein für die Wettfahrten am Donnerstag nun neu sammeln müssen, erklärte 470er-Frauen-Trainer Riccardo de Felice: "Die Klassenregeln sagen, dass die Trapezhose nicht über drei Kilogramm wiegen darf. Als wir sie das letzte Mal gewogen haben, war das auch nicht der Fall. Heute beim Wiegen waren es 200 Gramm mehr. Für die Jury bedeutet das einen Bruch mit den Klassenregeln, auch wenn die 200 Gramm beim Segeln keinen Unterschied gemacht hätten." Wie es bei Standard-Ausrüstung überhaupt zu Gewichtsunterschieden kommen kann, weiß Riccardo de Felice auch: "Die Seglerinnen personalisieren ihre Trapezhosen. Beispielsweise, damit sie an bestimmten Stellen steifer sind." Dennoch hatte es nach dem letzten Wiegen von Winkels Trapezhose keine Veränderungen mehr gegeben. Das harte Jury-Urteil hätte mit einer prozentualen Strafe auch milder ausgehen können. Das Team will sich nun neu fokussieren und auf die kommenden Rennen und die anstehende Aufholjagd konzentrieren. Sollte es bei dem harten Urteil bleiben, kann die Crew einmal 22 Strafpunkte streichen und muss kämpfen, um sich von den zweiten 22 Punkten wieder zu erholen.
Für die Katamaran-Könner im German Sailing Team lief der Auftakt mindestens nach Plan: Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer wussten ihre Karten an diesem Mittwoch gut auszuspielen: Sie waren schnell, kontrolliert und effektiv unterwegs. Lohn des Einsatzes nach Tag eins: Mit den Rang fünf, einem eindrucksvollen Tagessieg und Rang sieben hinterließen sie nicht nur einen souveränen Eindruck, sondern platzierten sich vielversprechend auf Platz zwei hinter den co-favorisierten italienischen Weltmeister Ruggero Tita und Caterina Banti. "Wir sind uns bewusst, dass erst weniger als 20 Prozent der Regatta absolviert sind. Nun dürfen wir morgen mit dem blauen Leibchen starten, obwohl wir es uns noch lange nicht verdient haben", sagte Paul Kohlhoff.
Die deutschen Skiff-Akteure erlebten einen nicht wirklich befriedigenden Tag. Die 49erFX-Seglerinnen Tina Lutz und Susann Beucke hatten sich gerade noch über ihren starken dritten Rang in Wettfahrt vier gefreut, da folgten mit den Rängen 14 und 12 garstige Dämpfer, die das bayerisch-norddeutsche Duo den Tag auf Platz sieben beenden ließen. Weil zweistellige Ergebnisse nicht ihrem Anspruch genügen, wollen Steuerfrau und Vorschoterin den Ruhetag nutzen, um einen neuen Schlachtplan zu schmieden. "Wir müssen vor allem gute Starts haben, uns nicht nach hinten durchreichen lassen und aggressiver rangehen, um dahin zu kommen, wo wir hinwollen. Wir hatten heute zu sehr die Handbremse an", kündigte Sanni Beucke am Abend kämpferisch an.
Auch Erik Heil und Thomas Plößel kamen zwar mit einem bläulichen Auge davon, waren aber auch nicht zufrieden mit den Rängen 13, 5 und 14, die sie auf Platz acht zurückfallen ließen. Eine Magenverstimmung hatte Vorschoter Plößel nicht mit vollen Kräften agieren lassen, es fehlte an Speed. Beides sollte am Donnerstag wieder da sein, wenn Plößel fit ist. Bei 21 Punkten auf dem Konto fehlen nur neun Zähler zu den anfangs strauchelnden neuseeländischen Top-Favoriten Peter Burling und Blair Tuke, die sich auf Platz fünf vorgearbeitet haben. Das 49er-Feld wird von den Briten Dylan Fletcher und Stuart Bithell vor den spanischen Trainingspartnern der Deutschen angeführt: Diego Botin Le Chever und Iago Lopez Marra.