Tatjana Pokorny
· 03.03.2024
Drei Punkte fehlten Simon Diesch und Anna Markfort in der WM-Endabrechnung zu einer Medaille. Der Steuermann vom Württembergischen Yacht-Club und seine Vorschoterin vom Verein Seglerhaus am Wannsee segelten bei der 470er-Mixed-WM nur haarscharf am Podium vorbei. Ihre Hoffnungen, bei vielversprechender Ausgangssituation im Sonntagsfinale vor Mallorca um Edelmetall kämpfen zu können, platzten nach stundenlangem Warten mit der Absage des Medaillenrennens.
Zu starke Winde und tosender Wellengang verhinderten die Austragung des WM-Showdowns in der neuolympischen 470er-Mixed-Disziplin. „Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll“, sagte Anna Markfort kurz nach der offiziellen WM-Absage, die rund dreieinhalb Stunden nach dem ursprünglich für 13 Uhr geplanten Finalstart kam. Weiter sagte Anna Markfort: „Wir hätten das Finale aus vielen Gründen so gern bestritten und um die Medaille gekämpft. Hätte uns aber vor WM-Start jemand Platz vier angeboten, dann hätten wir den mit Kusshand genommen.“
Da sprach auch die leidenschaftliche 470er-Seglerin und sagte: “Der 470er zählt zu den wenigen olympischen Segeldisziplinen, die auch in solchen Bedingungen bestehen. Es wäre sicher ein spannendes Rennen geworden.” Andererseits hatte die ihrer Medaillenhoffnungen beraubte deutsche Crew auch Verständnis für die Finalabsage, denn es wäre mehr als eine Herausforderung gewesen, die Boote der Wettfahrtleitung und Coaches durch die Brandung auf den Kurs zu schicken.
In Winden um die 30 Knoten und drei Meter hohem Wellengang wollten die Veranstalter nichts riskieren und beendeten die Welttitelkämpfe beim gastgebenden Club Nàutic Arenal Mallorca ohne Finale. Weshalb die Medaillen an die Top-Drei nach insgesamt elf Wettfahrten in Vor- und Hauptrunde gingen. Weltmeister wurden die Spanier Jordi Xammar und Nora Brugman (67 Punkte) vor den Briten Vita Heathcote/Chris Grube (67 Punkte) und den Japanern Keiju Okada/Miho Yoshioka (72 Punkte). Die Veranstalter titelten “Xammar und Brugman regieren in Spanien”.
Simon Diesch und Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Verein Seglerhaus am Wannsee) fehlten in der Endabrechnung bei 75 Punkten nur drei Zähler zu Bronze. Ihre Serie kann sich sehen lassen: 3, 1, 5, 3, 7, 26, 22, 11, 15 und 17 waren die ersegelten Ränge. Sie zeigen deutlich: Drei sehr starke WM-Tage und zwei schwächere führten zur “Schokoladen-Medaille”, wie Anna Markfort lächelnd sagte.
Die Erkenntnis der Vorschoterin, die auch für den Joersfelder Segel-Club startet: „Unser Aufwärtstrend, den wir natürlich mit dem Gipfel im Sommer planen, setzt sich fort. Wir waren bei der WM besonders stark an den Tagen, an denen wir die Bedingungen gut verstanden und unseren Plan auch sauber umgesetzt haben.”
Als weiteren Grund für den WM-Erfolg nannte die 30-Jährige den gewachsenen Teamgeist in ihrer Crew: „Wir haben viel Zeit in die Arbeit mit unserer Sportpsychologin investiert. Das hat unser gegenseitiges Verständnis noch mal verbessert, uns gemeinsam noch stärker gemacht, als wir es ohnehin schon waren.“ Die erste Bilanz von Steuermann Simon Diesch: “Wir sind hier angetreten, um unsere beste Leistung abzurufen. Was wir hier abgeliefert haben, zeigt auf jeden Fall, dass die Performance gut genug ist, Medaillen zu gewinnen. Wir stehen jetzt nicht auf dem Podium. Da wollen wir aber im Sommer stehen. Entsprechende Aufgaben liegen vor uns.“
DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner freute sich mit den Athleten und sagte: „Simon und Anna haben eine herausragende WM bestritten. Es ist sehr schade, dass sie nach so vielen Tagen im blauen oder roten Leibchen am Finaltag nicht mehr die Chance bekamen, sich dieses Leibchen wieder zurückzuholen. An ihrer beeindruckenden Leistung ändert das aber wenig.“
Die weiteren Olympiakader-Crews aus der Weltklasse-Trainingsgruppe des German Sailing Teams um Coach Steve Lovegrove konnten dagegen nicht wunschgemäß punkten. Gut vorbereitet in die WM gestartet, blieben Malte und Anastasiya Winkel (Schweriner Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein) und Luise Wanser und Philipp Autenrieth (Norddeutscher Regatta Verein/Bayerischer Yacht-Club) hinter den eigenen Ansprüchen und Erwartungen zurück.
Weder den Silbermedaillengewinnern der olympischen Testregatta 2023 noch den Weltmeistern von 2022 gelang es bei diesen Welttitelkämpfen mit 61 Booten aus 25 Ländern, in die Top Ten vorzudringen. Malte und Anastasiya Winkel konnten zwar mit zwei Tagessiegen glänzen, kassierten aber wie Luise Wanser und Philipp Autenrieth zu viele zweistellige Resultate. Die Winkels verpassten den Finaleinzug der besten zehn WM-Crews schließlich durch einen schmerzhaften Frühstart im vorletzten Rennen und wurden Zwölfte. Einen Platz dahinter beendeten Luise Wanser und Philipp Autenrieth die früh im Jahr ausgetragene WM.
Wir haben insgesamt in dieser Woche zu viele grobe und vermeidbare Fehler gemacht” (Malte Winkel)
Malte Winkel beleuchtete kurz nach dem WM-Ende die Schwächen und Stärken seiner Crew: “Dass wir das letzte Rennen gewinnen konnten, hat uns Selbstvertrauen tanken lassen und gezeigt, dass wir bei den Bedingungen auch abliefern können. Der Frühstart aber war super, super ärgerlich. Wir haben insgesamt in dieser Woche zu viele grobe, teilweise vermeidbare Fehler gemacht, sind aus unserer Sicht zu Recht nicht in den Top Ten. Man muss es daher auch aus der anderen Perspektive betrachten: Wir sind unter diesen Umständen happy damit, als zweitbestes Team in die Ausscheidung gestartet zu sein.”
Auch Luise Wanser machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung: „Die Enttäuschung ist momentan groß, es nicht in die Top Ten geschafft zu haben. Aber wir werden versuchen, unsere Fehler für die nächsten beiden Ausscheidungsregatten abzustellen.“ Simon Diesch sagte auf die Frage, ob er sich über die Schwächen der beiden hochkarätigen Crews aus der eigenen starken Trainingsgruppe gewundert habe: “Ich würde es nicht als Schwächen bezeichnen. Sie hatten ihre Baustellen, haben sich vielleicht mit höheren Anforderungen konfrontiert als nötig gewesen wäre. Ich sage aber auch, dass beide Teams starke Einzelmomente hatten.”
Für die mit der WM gestartete nationale Ausscheidung im Kampf ums 470er-Mixed-Olympiaticket haben sich bei der ersten von drei Regatten nun zunächst Simon Diesch und Anna Markfort mit 17 Punkten eine deutliche Führung erarbeitet. „Natürlich ist es ein Hammergefühl, diese 17 Punkte zu haben“, entfuhr es Anna Markfort am Sonntag in Kiel. Simon Diesch fügte hinzu: „Die 17 Punkte sind sehr wertvoll, aber wir wissen natürlich: Sie sind weit weg von irgendwelchen Garantien oder Möglichkeiten. Das Blatt hat sich minimal zu unseren Gunsten verschoben. Aber die anderen beiden Crews sind auch sehr gut in der Lage, sich bei ein oder zwei Events nach vorn zu schieben.“
Beobachtet hat die bei dieser WM erfolgreichste deutsche 470er-Mixed-Crew auch das naturgemäß gestiegene Konkurrenzdenken der in einer Trainingsgruppe intensiv und vertrauensvoll miteinander arbeitenden Top-Crews. Anna Markfort erzählt lächelnd: “Wir haben natürlich gemerkt, dass unsere nationalen Konkurrenten hier bei der WM schon das Messer zwischen den Zähnen haben. Freie Lanes kriegt man da nicht mehr geschenkt.” Fair blieb diese erste Regatta der dreiteiligen Ausscheidung aber bis zum Schluss.
In der internen Ausscheidungswertung folgen Malte und Anastasiya Winkel als Zweite mit neun Punkten und Luise Wanser und Philipp Autenrieth mit acht Punkten. Auch die mit Marek Chochian trainierenden Theres Dahnke und Matti Cipra (Plauer Wassersportverein) sowie Theresa Löffler und Christopher Hoerr (Deutscher Touring Yacht-Club/Segelclub Breitenbrunn Chiemsee) konnten mit den Plätzen 17 und 18 in die Top 20 segeln. Dahnke/Cipra sammelten vier Punkte für die nationale Olympia-Ausscheidung, Löffler/Hoerr drei. Damit konnte das German Sailing Team als einzige Nation mit fünf Crews in die Top-20 segeln.
Teil zwei der Ausscheidung findet Anfang April mit dem Spanien-Klassiker Trofeo Princesa Sofía im selben Revier wie die WM statt. Die Entscheidung, welche Crew die Fahrkarte für den Start bei der olympischen Regatta in Marseille lösen kann, fällt spätestens bei der Europameisterschaft vor Cannes im Mai.