Lasse Johannsen
· 27.05.2022
Die erste "Rubin" ist am Start, die erste Langstrecke nach Edinburgh wird gesegelt, die Ära der Cupper wirft ihre Schatten voraus.
Teil 2: Die Nachkriegsjahre
Im darauffolgenden Jahr sind die Segler trotzdem wieder dort. Auf dem geschundenen Felsen ist der Wiederaufbau in vollem Gange. Dort, wo man einst in Erwartung der Morgenröte die Betten schonte, stehen Baracken. Doch es geht rund Helgoland und Skagen, und im wiederum nächsten Jahr liegen bereits 100 Yachten im Südhafen. Die eine Hälfte Teilnehmer, die andere besteht aus schaulustigen Seglern, den sogenannten Schlachtenbummlern.
Verschwunden sind die Seefahrtkreuzer. Entweder haben sie den Krieg nicht überstanden oder sind als Beute nach England gegangen. Die Vergütung erfolgt nach der KR-Formel. Hans-Otto Schümann gibt als einer der Ersten eine wettbewerbsfähige Yacht nach dieser Konstruktionsformel in Auftrag. Zur Saison 1951 lässt der später als mehrfacher Admiral’s-Cup-Gewinner und DSV-Präsident bekannt gewordene Hamburger seine erste „Rubin“ bauen, eine 11-KR-Yacht von Abeking & Rasmussen. Mit ihr gewinnt er 1953 als Erster nach dem Krieg den Helgoländer Inselpreis.
Anfang der 1960er Jahre melden schon wieder 77 Yachten zur Nordseewoche. Und langsam, aber sicher verändert die längst als Traditionsveranstaltung geltende Hochseeregatta ihr Gesicht. 1962 kommt bei der Auswertung das erste Elektronengehirn zum Einsatz, und während die Bremer Spreizgaffelketsch „Senta“ von 1928 als letzte Yacht noch immer mit Pfingstbusch im Topp an den Start geht, segeln bereits die ersten Kunststoffschiffe mit.
Einen Rekord auf der Regatta rund Helgoland legt mit Ernst Burmesters „Aschanti IV“ 1964 ein 35 Meter langer Neubau im Stil der Neufundlandschoner hin. Er ist nach zweieinhalb Stunden – fast zehn Minuten vor der Zweiten, der „Germania VI“ – fertig mit der Inselumrundung. Die Zielrichter sitzen noch beim Mittagessen. Nur der Einsatz des Krankenwagens kann die Situation retten und sie an den Hafen bringen. Im Dauerlauf erreichen die betagten Herren eben noch rechtzeitig den Molenkopf, um die Zeit zu nehmen. Die Nordseewoche hat mächtig Fahrt aufgenommen.
Burmester hatte schon zwei Jahre zuvor Nordseewochengeschichte geschrieben. Denn nach Heinz Harmssen war er 1962 Gewinner des zweiten Helgoländer Inselpreises. Das erste Anrecht hatte er sich vier Jahre zuvor mit seinem Zwölfer „Aschanti III“ ersegelt. Als die Presse darüber titelte „Rennpferd gegen Ackergaul“, war der Bremer Werftbesitzer so erbost, dass er sich eine zeitgemäße 12-KR-Yacht von Sparkman & Stephens konstruieren ließ. Die „Dorothee“ bescherte ihm 1961 und 1962 dann das zweite und dritte Anrecht und gewann später noch öfter, insgesamt fünfmal den begehrten Preis – ein Rekord, den sie bis heute hält.
Das Jahr 1968 bringt auch für die Nordseewoche Umbrüche mit sich. Erstmals wird die Langstreckenregatta nach Edinburgh gesegelt, die bis 2019 immer im Wechsel mit der seit 1953 wieder von Helgoland aus startenden Regatta rund Skagen stattfindet. Das Rennen steht bald für Stürme und tagelange Flauten, Nebelwalzen und haushohe Seen.
Und die Ära der Cupper wirft ihre Schatten voraus: In den Jahren 1968 und 1969 ist die Nordseewoche Austragungsort der Regatten um den Eintonner-Pokal. Gesegelt wird auf Yachten, die nach der RORC-Formel des britischen Royal Ocean Racing Club gebaut und vermessen wurden. Im Jahr 1967 siegte in Le Havre mit „Optimist“ eine Yacht unter deutscher Flagge, gesteuert von dem Bremer Segelmacher Hannes Beilken. Er verteidigt den Cup im Rahmen der Nordseewoche 1968 erfolgreich, und so wird Helgoland 1969 ein zweites Mal Austragungsort des One-Ton-Cup und die Nordseewoche Teil des internationalen Segel-Spitzensports.
Dieser Artikel ist Teil der neuen YACHT 12/2022, ab 1.6. am Kiosk oder digital bestellbar.