Stolperstart für La Boulangère Mini Transat 2023Montag geht’s endlich los!

Jochen Rieker

 · 24.09.2023

90 Skipper aus 17 Nationen, darunter mehr Frauen als je zuvor – das ist das Teilnehmerfeld des Mini-Transat 2023
Foto: La Boulangère Mini-Transat 2023/V. Olivaud
Große Foto-Galerie vom Vorstart-Fieber des Mini-Transat 2023
Wer sich zwei, drei Jahre auf dieses Wochenende vorbereitet , Tausende Qualifikationsmeilen gesegelt, Dutzende Trainings und Lehrgänge absolviert hat, wer also den ganzen Wahnsinn einer Mini-Kampagne auf sich genommen hat für diesen einen großen Tag, musste tapfer sein. Denn der Start wurde Samstag erst auf unbestimmte Zeit verschoben, dann “vielleicht” um 24 Stunden, heute Früh dann definitiv. Jetzt soll es also Montag losgehen, um 13.30 Uhr. Und es wird spannend werden beim La Boulangère Mini Transat 2023!

Nach einer langen Phase mit starker deutscher Beteiligung fehlen diesmal zwar Starter mit “GER” im Groß, nachdem Melwin Fink havariebedingt in die Class 40 aufgestiegen ist und dort gerade als Co-Skipper mit Lennart Burke beeindruckt. Doch bietet das Feld der 90 Teilnehmer auch so reichlich Anlass zum Mitfiebern.

Als erste Österreicherin tritt Lisa Berger mit ihrem Maxi 6.50 “Dimension Polyant” (Startnummer 980) an. Sie will unter die Top Ten kommen und hat in der Qualifikation das Potenzial dafür mehr als einmal aufblitzen lassen. Wir stellen sie in den kommenden Tagen im Rahmen der aktuellen Berichterstattung noch genauer vor. Für die Schweiz treten gleich drei Soloskipper an; der aussichtsreichste ist Felix Oberle auf “Mingulay” (Startnummer 1028), der das Zeug für die Top Five hat.

Welche Foils setzen sich durch?

In der Prototypen-Wertung zogen am Quai Vendée Globe in Les Sables-d’Olonne vor allem die beiden neuen Foiler von Konstruktuer Sam Manuard die Aufmerksamkeit auf sich: “Nicomatic” von Caroline Boule und ihrem Partner Benoit Marie (Startnummer 1067) und “Xucla” von Carlos Manera (Startnummer 1081). Sie liegen gleich am Anfang des Schwimmstegs und sind kleine technologische Meisterwerke, wobei sie sich just bei den Foils am deutlichsten unterscheiden.

Während “Nicomatic” über riesige Tragflügel im Imoca-Stil verfügt, mit Hilfe von Trimmklappen an den Rudern komplett abheben kann und bereits ab acht bis neun Knoten Wind im Flugmodus unterwegs ist, verfolgt der Spanier Manera eine konventionellere Linie: Sein Boot hat keine Elevatoren und kleinere C-Foils, die sich ganz aufholen lassen; für Amwind-Kurse verfügt er zudem über herkömmliche Steckschwerter (s. Detailfotos in der Galerie). Bei halbem Wind oder raumschots ähnelt sein Boot mehr den Imocas der vorigen Generation, die zwar über viel Auftrieb verfügen, mit dem Rumpf achtern jedoch immer noch auf der Wasseroberfläche gleiten – das sogenannte Skimming.

Welches Konzept sich eher durchsetzen wird, ist eine der großen Fragen, die mit diesem Mini-Transat verbunden sind – und ob überhaupt. Bislang nämlich konnte noch bei keiner der alle zwei Jahre ausgetragenen Regatten über den Atlantik ein Foiler triumphieren, und auch jetzt ist längst nicht ausgemacht, ob die Skipper das volle Potenzial ihrer futuristischen Gefährte werden ausloten können.

Protos beim Mini Transat 2023: Das sind die Favoriten

Caroline Boule fehlt dafür Hochsee-Erfahrung und ein Autopilot auf Class-40- und Imoca-Niveau. Die französisch-polnische Skipperin startet als Rookie auf dem anspruchsvollsten Boot im Feld, und sie räumt den Mangel an Erfahrung und ihren Respekt gegenüber der Geschwindigkeit unumwunden ein.

“Nicomatic” erreicht spielend Werte an die und auch weit über 20 Knoten – fordert dann aber eine kundige Hand und einen wachen, hungrigen Geist. Dass sie über weite Strecken fliegen wird, davon geht “Caro” gar nicht aus. Vier bis sechs Stunden pro Tag reichen ihrer Überzeugung nach, um sich an die Spitze zu setzen und vorn zu bleiben. Ihre Konkurrenten teilen diese Einschätzung.

Carlos Manera verfügt zwar über eine gezähmtere Version von Foiler, hat dafür aber modernste Elektronik von Madintec an Bord: eine hochleistungsfähige Steuerungseinheit für den Linearantrieb namens “MadBrain”, die in etwa so rabiat agieren kann, wie sie heißt. Reicht das für Platz eins?

Sieg auch ohne Foils nicht ausgeschlossen

Gut möglich allerdings, dass es so ausgeht wie bisher stets: mit Siegen für die konventionelleren Proto-Scows. Anwärter Nummer eins in dieser Riege ist Federico Waksman aus Uruguay, der mit dem Boot des vormaligen Mini-Transat-Gewinners Pierre Le Roy antritt, einem David-Raison-Design von 2020 (Startnummer 1019). Der erlebte freilich eine unschöne Überraschung, als ihm die Classe Mini vor fünf Tagen erklärte, sein Großbaum sei zu lang und müsse gekappt werden, was auch eine Last-Minute-Änderung am Großsegel nach sich zog – wohlgemerkt der gleiche Großbaum, mit dem Le Roy 2021 unbeanstandet siegte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Schnellste Frau unter den Protos mit Steckschwertern und Neigekiel ist, sofern ihr technisch und taktisch kein Malheur passiert, absehbar Laure Galley (Startnummer 1048). Die Diplomingenieurin hat sich für das zweijährige Förderprogramm im Rennstall des japanisch-deutschen Werkzeugmaschinen-Konzerns DMG Mori qualifiziert und bisher alle Erwartungen übertroffen.

Die ruhige, blitzgescheite, angenehm bescheidene und doch hoch ambitionierte Skipperin ist eine echte Entdeckung. Unter Team-Manager Charles Euverte, der früher schon Ministen trainierte, hat sie sich enorm entwickelt. Irene Bader, im Vorstand der DMG Mori Corporation und CEO des Segelteams, plant auch über das Mini-Transat hinaus mit “Laurey”, wie sie heute gegenüber der YACHT durchblicken ließ.

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Das erwartet die Segler beim Mini Transat

Morgen kommt auch der Imoca-Skipper von DMG Mori zum Mini-Transat-Start, Kochiro Shiraishi. Er war in den Tagen zuvor beim Défi Azimut im Einsatz, wenn auch eher glücklos. Vielleicht wächst auf den 6,50-Meter-Boliden ja bereits ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Altstar aus Japan heran.

Für die Schnellsten verspricht die erste Etappe, die über 1.350 Seemeilen nach La Palma führt, am Kap Finisterre sportlich zu werden. In Böen erwarten sie bis zu 30 Knoten aus Südwest, also genau gegenan. Das bestätigte Wetter-Router Christian Dumard heute Früh bei der ersten Skipperbesprechung. Am Nachmittag und Abend folgten weitere Wetter-Briefings. Die Segler haben die vielen Termine allmählich satt: Die meisten wollen einfach nur noch los. Morgen um 13.30 Uhr ist es so weit.

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Der Start wird bereits ab 12.30 Uhr übertragen und von Benjamin Dutreux kommentiert, dem Imoca-Skipper von “Guyot Environnement”. Zu verfolgen ist der Live-Stream auf der Homepage des La Boulangère Mini Transat und auf der Facebook-Seite der Veranstalter.


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