Man könnte die Markteinführung der Minis vor bald 50 Jahren mit der Erfolgswelle des VW-Käfer während der deutschen Wirtschaftswunderzeit vergleichen. Die ersten Entwürfe der Sechseinhalb-Meter-Racer, von denen am 8. Oktober 1977 zwei Dutzend in die Mini-Transat-Premiere von Penzance aus via Teneriffa nach Antigua gestartet waren, fußten auf einem Grundgedanken des Briten Bob Salmon: Wie Volkswagen, so sollten auch Minis Menschen trotz bescheidenem Budget das Tor zur weiten Welt öffnen – den einen zu Lande, den anderen auf See.
Bis heute ist der Mini mit seiner Länge von gerade einmal 21 Fuß die kleinste Offshore-Rennbootklasse der Segelszene. Wie bei den großen Schwestervereinigungen von Class40 und Imoca ist der Saisonkalender mit vielseitigen Herausforderungen für die Soloskipper gefüllt. Unbestrittenes Highlight ist das alle zwei Jahre stattfindende Mini Transat. Dort treffen die Besten und Hartnäckigsten zum XL-Abenteuer auf ihrem Lieblingsspielplatz aufeinander: dem Atlantik!
Die Boote, die mit ihrem spärlichen Platzangebot bei manchen Betrachtern klaustrophobische Ängste auslösen, kommen bis heute ohne viel elektronischen Schnickschnack aus. Ihre Bändiger sind beim Sprung über den Großen Teich weitgehend auf sich gestellt. Nur einmal täglich erhalten sie von der Wettfahrtleitung Wetter- und andere wichtige Informationen über den Weltempfänger. Ansonsten gilt : kein Kontakt zur Außenwelt!
Fans, die wie von der Vendée Globe oder dem Ocean Race gewohnt sind, dank permanenter Berichterstattung der Crews nahezu live dabei zu sein, erleben den Mini-Purismus wie einen medialen Entzug. Dieser altmodisch anmutende Aspekt des Reglements trägt andererseits dazu bei, den besonderen Mythos des Mini Transats am Leben zu erhalten. In technischer Hinsicht hingegen segeln die Bootsdesigns in der Gegenwart. Spitzenakteure, allen voran Benoit Maire, setzen auf ausgefeilte Kohlefaserkonstruktionen und modernste Foil-Technologie.
Dass es auch eine oder mehrere Nummern kleiner geht, zeigen jenseits forscher bis furioser Prototypen-Entwicklungen mit Überflieger-Qualitäten die Seriensegler mit ihren Maxi-Minis, sprich den Vectoren oder Pogos. Beide Flotten sind traditionell ein guter Spiegel für die aktuellen Rumpf- und Segeldesigntrends. Dieses Jahr werden es wohl die Raison-Maxis sein, die das Siegerboot in der Serienboot-Wertung stellen.
Oder doch nicht? Das Mini Transat wäre ohne Überraschungen nicht, was es ist: ein Dorado für geniale Tüftler und Trendsetter, für Leistungssportler, Überlebenskünstler und Abenteurer. Offshore-Legenden wie Loïck Peyron, Yannick Bestaven, Ellen MacArthur, Boris Herrmann und viele andere mehr haben sich in diesem Transatlantik-Rennen bewiesen, bevor sie ins Oberhaus der internationalen Soloelite aufgestiegen sind.
Aus deutscher Sicht erfreulich: Nach der vergangenen Auflage ohne GER-Beteiligung haben Minisegler hierzulande wieder Fahrt aufgenommen. Drei Serienboot-Herausforderer starten nur beziehungsweise auch unter deutscher Flagge. Ferner sind ein Österreicher sowie acht Schweizer dabei, darunter Proto-As Felix Oberle und der talentierte Serien-Solist Joshua Schopfer. Der Düsseldorfer Hendrik Lenz gilt unter den rund 75 Prozent Mini-Transat-Novizen als aussichtsreichster deutscher Teilnehmer.
Boris Herrmann wurde 2001 mit 19 Jahren als jüngster Starter unter 27 Serienboot-Skippern Elfter. Jörg Riechers schaffte es 2017 als Zweiter aufs Proto-Podium – das bis heute beste Ergebnis für Schwarz-Rot-Gold beim Mini Transat. Dritte Plätze in der Serienwertung erkämpften 2019 Morten Bogacki und 2021 Melwin Fink. Vielleicht kann, trotz aller französischer Dominanz, ja Hendrik Lenz mit Mini-Boot und Maxi-Entschlossenheit an die Erfolge seiner Vorgänger anknüpfen.
Drei deutsche Serien-Miniisten, ein Österreicher und ein Proto-Solist aus der Schweiz zählen zu den Herausforderern beim 25. Mini Transat. Neben Hendrik Lenz sind es Thiemo Huuk aus Wülfrath (Vector „Europe“), der in Bergisch Gladbach geborene und in Nantes lebende Deutsch-Franzose Victor David (Pogo 3 „Ich bin en solitaire“), Roland Welzig aus Maurach (Vector „Platypus“) sowie Felix Oberle aus Aarau (Raison-Proto „Big Bounce“). Die Gruppe erinnert an das 2021er-Trio mit Melwin Fink, Lennart Burke und dem Österreicher Christian Kargl, die sich damals gegenseitig stark unterstützt hatten. Die besten Karten fürs aktuelle Rennen im Kampf um ein Top-Fünf-Ergebnis hat dabei Felix Oberle. Er verpasste beim Mini Transat vor zwei Jahren mit Rang vier denkbar knapp einen Platz auf dem Podium.