Mini-TransatFinale Furioso – Lenz trotzt Bugsprietbruch kurz vor dem Ziel

Tatjana Pokorny

 · 11.11.2025

Im Ziel seiner Mini-Transat-Premiere: Hendrik Lenz.
Foto: Olivaud/Pilpre/La Boulangère Mini-Transat
Auch kleine Siege können große sein. Für den Düsseldorfer Hendrik Lenz ist das Mini-Transat nach Höhen und Tiefen furios und versöhnlich zu Ende gegangen. Kurz vor dem Ziel noch 16. bei den Serienbooten, konnte der 31-Jährige im Starkwindfinale noch zwei Boote einfangen. Der 16 Seemeilen vor der Ziellinie gebrochene Bugspriet schockte, hielt ihn aber nicht auf.

Mit Platz 14 ist Hendrik Lenz nicht nur bester deutscher Teilnehmer im 25. La Boulangère Mini-Transat. Er ist auch der einzige GER-Solist, der das Rennen mit intaktem Mast beenden konnte. Am 3. November war neun Tage nach dem Start der zweiten Etappe von La Palma nach Gudeloupe zuerst der Mast auf Thiemo Huuks Bertrand-Vector “Europe” gebrochen. Nur vier Tage später knickte auch der Mast auf Victor Davids Pogo “Ich bin en Solitaire” oberhalb der zweiten Saling ab.

Mini-Transat: Mitgefühl nach Mastbrüchen

Mit beiden Weggfährten fühlte Hendrik Lenz nach dem eigenen Zieldurchgang zu Wochenbeginn stark mit. “Es tut mir sehr, sehr leid für beide. Drei Jahre Vorbereitung, um hinkend und mit gebrochenem Mast ins Ziel zu kommen… Ich hoffe, dass beide genügend Wasser haben. Ich hatte 80 Liter dabei. Jetzt sind es noch 15, 20 Liter.”

Während Hendrik Lenz in Saint-François wenige Stunden nach seinem Montagsfinale und dem herzlichen Empfang auf Guadeloupe von einem kleinen Balkon aus auf Palmen schaute und sich auf ein weiches Bett freute, “an dem du dir nicht wie auf dem Glasfaserboot bei jedem Umdrehen raue Ellbogen holst”, ließ er sein gerade beendetes erstes Mini-Transat Revue passieren. Dabei dachte Lenz auch an die so hart getroffenen und noch weit entfernten Weggefährten. Hier geht es zum Tracking für das Mini-Transat.

Thiemo Huuk hatte zu dem Zeitpunkt mitten im Atlantik unter Notrigg bei 4,4 Knoten Fahrt immer noch 840 Seemeilen bis Saint-François vor sich. Für den Deutsch-Franzosen Victor David waren es “nur” noch 470 Seemeilen bei ähnlich langsamer Fahrt. Hendrik Lenz hat indessen seine mit Höhen und Tiefen gespicktes Mini-Transat-Premiere als Vierzehnter glücklich zu Ende gebracht.

Erst “Horrornacht”, dann Bugsprietbruch kurz vor dem Ziel

Am Finaltag hatte Lenz nach zuvor noch einmal smarter Positionierung im Norden noch zwei Boote einfangen können. Dann brach rund 16 Seemeilen vor der Ziellinie der Bugspriet auf “Monoka”. Ein Schock. Würden ihn die eben überrundeten Konkurrenten nun wieder einholen? War der letzte Kraftakt nach der “schlimmsten Horronacht des ganzen Rennens” mit Gewittersturmböen im Viertelstundentakt und mindestens 20 Sonnenschüssen vergeblich gewesen?

Hendrik Lenz ist zu diesem Zeitpunkt schon übersäät von grünen, blauen und roten Flecken. Die hat er sich in der “Horrornacht” beim Handsteuern und Festhaken mit dem Arm unter der Reling im letzten Aufbäumen auf die brutale Art “verdient”. Der Autopilot kam mit den Bedingungen längst nicht mehr klar. “Das Boot hat wie eine Rüttelplatte benommen, auf die ständig ein Vorschlaghammer eindrischt”, erinnert sich Lenz.

In dieser Nacht auf den 10. November haben sich die Solisten um Lenz herum auf dem Weg ins Ziel gegenseitig via Funk über die “Squalls” informiert. Wer Glück hatte und nicht gerade schlief, konnte die Segel rechtzeitig vor dem nächsten bis zu 40 Knoten starken “Überfall” eilig runternehmen. Lenz übersteht die Nacht. Dann der Schock: sein Bugspriet bricht! Kurz ist er fassungslos: Warum trifft ihn ein solcher Tiefschlag so nah am Ziel?

Im Mini-Transat geschockt, geweint, gekämpft

“Ich habe auch mal kurz geheult”, erzählt er später im Hafen. Dann aber erspähte Lenz etwa vier Seemeilen hinter sich den dichtesten Konkurrenten Pierrick Evenou am Horizont. Ohne Vorsegel. Lenz schöpft neue Hoffnung, erkennt seine Chance, den so schwer erkämpften 14. Platz vielleicht auch mit gebrochenem Bugspriet verteidigen zu können. Kurzerhand knotet er den großen Code Zero am Boot fest und zieht ihn am Spifall hoch.“Das war nicht schön, aber schneller als nur mit Fock – und hat geholfen”, blickt Lenz zurück.

Auf See erschien es ihm beim Zurückschauen kurz nach dem Bruch so, “als würde der Spi von Pierrick Evenou bereits den gesamten Horizont ausfüllen”. “Doch auch Pierrick ist zweimal gebroacht. Ich glaube, auch das hat mir den Hintern gerettet”, reflektiert Lenz. Alle um ihn herum sind in den letzten Rennstunden müde. Nach der außergewöhnlich harten Nacht noch mehr als ohnehin schon. Wer jetzt noch kämpfen kann, hat einen Vorteil. Lenz kann. Er nutzt seinen Vorteil, die Umstände und bringt den 14. Platz nach 15 Tagen, 23 Stunden, 17 Minuten und 1 Sekunde auf See ins Ziel.

Es ist ein super Ergebnis, mit dem ich meinen Frieden machen kann.” Hendrik Lenz

“Nach meiner persönlichen Erwartung ist das Bronze.”, ordnete Hendrik Lenz die eigene Leistung kurz nach dem Rennen ein. Vor Rennstart hatte er gesagt: “Unter die ersten Zehn zu kommen, wäre Silber, unter die Top-Fünf: Gold!” Sein erstes Mini-Transat hat ihm starke Nehmerqualitäten abverlangt. Die gesamte Mini-Saison über war es für Lenz zuvor immer nur aufwärts gegangen. Seine Klasse hatte er im Puru Transgascogne, dem letzten großen Test vor dem Mini-Transat, mit den Rängen drei und fünf auf den beiden Etappen gezeigt.

Zermürbendes “Topfschlagen” zum Auftakt

Platz 14 im Rennen der kleinen Boote über den großen Atlantik ist vielleicht nicht ganz das, was Aufsteiger Lenz wollte, aber mit Blick auf den Rennverlauf und die Bedingungen eine sehr starke Leistung, “auf die ich stolz bin”. Auch Vector-Skipper Lenz weiß, dass die Top Ten der Serienboote allesamt Raison-Maxis sind. “Das hat gute Gründe. Es war ein Rennen mit viel Wind, oft 23, 24 Knoten, aber oft auch die Übergangsbedingungen von 16 bis 20 Knoten. Zuzüglich einer oftmals kurzen und unangenehmen Welle. Da setzen sich die Maxis dann ab”, sagt er.

Nach gutem Start hatte das Rennen aber zunächst für die gesamte Mini-Flotte mit extrem schwachen Winden über mehrere Tage begonnen. “Das war Phase eins von dreieinhalb: das Flautenfiasko mit Topfschlagen. Ich hatte nur das Gefühl, dass man Topfschläger kürzer war als der von den anderen”, fasst Lenz den Geduldspoker vom Auftakt zusammen.

Nach einigem Auf und Ab konnte er aber den Kontakt nach vorne halten. Am 28. Oktober ist Lenz sogar kurz Spitzenreiter, am 29. Oktober zunächst Dritter mit nur 22 Seemeilen Rückstand auf den führenden Paul Cousin. An diesem vierten Renntag rutscht er an Deck aus, fällt mit vollem Körpergewicht auf die Winsch. “Das war big Aua und schlug auf die Laune. Beim Schlafen tat es besonders weh”, erinnert sich Lenz, der eine seiner Rippen stark geprellt oder gar angebrochen wähnte. Die weiter anhaltenden Schmerzen sind die stummen Zeugen.

Mini-Transat: ab in den Süden!

Sechster ist Hendrik Lenz später am 29. Oktober, als sich das Feld der Serienboote zwischen den Kanaren und den Kapverden beim 22. Breitengrad Nord zu teilen beginnt. Paul Cousin und Quentin Mocudet – der spätere Serienbootsieger im 25. Mini-Transat und der Zweite – zählen zu den ersten Top-Akteuren, die nach Süden gehen. Die halbe Flotte folgt nach und nach. Auch Hendrik Lenz. Beim 20. Breitengrad Süd geht die Südgruppe dann wieder auf Westkurs, um kurze Seit später noch weiter in den Süden einzutauchen. Das Spiel setzt sich fort.

Lenz geht mit etwas Abstand nördlich der Anführer mit, rückt rechnerisch zunächst wieder auf Platz fünf vor. “In der zweiten Phase konnte ich gut mithalten. Mit 24, 25 Knoten hatten wir gut Wind, oft mehr als angesagt”, erinnert er. Inzwischen trennen ihn auf der Süd-Nord-Achse bereits 100 Seemeilen von Cousin, Mocudet und anderen im tieferen Süden. Am 2. November ist Lenz bei schon 72 Seemeilen Rückstand auf Paul Cousin aber immer noch Siebter.

Dabei bleibt es eine Weile, bevor sich die führenden Boote zwischen dem 18. und dem 17. Breitengrad Nord etwa beim 40. Längengrad West wieder aneinander annähern. Das Atlantik-Powerplay macht Hendrik Lenz bis zum 5. November mit. Dann verholt er sich bis fast zum 15. Breitengrad Nord stark in den Süden. Inzwischen ist sein Rückstand als Zwanzigster auf fast 180 Seemeilen angewachsen. Die Speedbolzerei der Maxis in ihren Schokoladenbedingungen ist mit dem Vector nicht zu halten. Das frustriert den deutschen Herausforderer.

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Lenz ringt mit den Schwächen seines Minis

Der sonst so friedliche Lenz ärgert sich über die eigene Situation. “Mein Boot fuhr in 16, 17 Knoten nicht richtig los. Die anderen waren mit 12 bis 15 Knoten Speed unterwegs, ich mit neun. Sonst bin ich gar nicht so, aber ich war so sauer über alles, dass ich einen leeren Wassereiner zertreten und zerschlagen habe. Das war auch die Phase, in der ich Ramstein für mich wiederentdeckt habe”, erinnert sich Lenz später nicht frei von Sarkasmus an die dunkle Zeit im Rennen.

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Ich dachte, ich kann meinen Jüngstenschein gleich wieder abgeben. Ich war bereit zum Aussteigen.” Hendrik Lenz

Der Mini ist in dieser Zeit “komplett nass, wie ich es noch nie erlebt hatte”, sagt Lenz. Er ist überzeugt, dass das Mini-Transat jeden Herausforderer mindestens einmal bricht. Die Kunst sei es, diesen Kopfbruch, den man in einem solchen Rennen alleine und ohne Kommunikation nach außen einfach habe, wieder zu beheben. Lenz ist überzeugt: “Irgendwo bricht dich so eine Regatta immer. Die Frage ist nur, wie du danach weitermachst. Das kostet viel Kraft, aber man muss es machen. Felix Oberle sagt dazu: ‘Das ist einfach Transat.’”

“In dieser Phase drei hatte ich auch ein bisschen Autopilotenprobleme. Die Welle war kurz und steil. Ich habe es nicht geschafft, ihn richtig zu trimmen”, erklärt Lenz weitere Herausforderungen. Er kämpft sich ohne große Gewinne zurück auf Platz 16 und hält den bis zum Finaltag am 10. November, für den er noch ein letztes Mal nach Norden ausholt.

Viel gelernt im Mini-Transat

Diese strategische Entscheidung im von Lenz als “Phase dreieinhalb” bezeichneten Schlussakt seiner Mini-Transat-Premiere ist die Grundlage für den erfolgreichen Last-Minute-Angriff, die Basis dafür, dass Lenz am Ende noch zwei stolze Plätze gutmachen kann. “Da habe ich mich auch mit meinem Boot wieder vertragen”, sagt er später im Hafen lächelnd.

Gelernt habe er im Mini-Transat sehr vieles. Auch das: “Man kann sich nicht darauf verlassen, was man vorher geleistet hat. Da sind so viele Unwägbarkeiten dazwischen.” Verlassen konnte sich Hendrik Lenz aber auf seine Lebensgefährtin Lea und Mutter Viola Lenz. Genau wie die Gastgeber, angekommene Segler, Familien und Freunde waren sie da, als er Saint-François bei Tageslicht erreichte. Nach lauter Nachtankünften in dieser Saison kam Hendrik Lenz erstmals bei Sonnenschein ins Ziel.

Vor Proto-Sieger Mathis Bourgnon und Serienboot-Sieger Paul Cousin zieht Lenz nach der 25. Mini-Transat-Edition den Hut. Zu Paul Cousin sagt er: “Der ist abnormal schnell gewesen. Er hat sich dieses Mal am Routing orientiert. Und das hat gepasst. Zusammen mit Quentin und Amaury sind das die schnellsten Boote. Und am Ende zählt immer, wer am schnellsten ist.”

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