Tatjana Pokorny
· 25.10.2025
Der Startschuss zur zweiten Etappe im La Boulangère Mini Transat war am Samstagnachmittag um 16 Uhr deutscher Zeit vor Santa Cruz de La Palma gefallen. Es war unter strahlend blauem Himmel der erwartete Leichtwindstart. Die paar Knoten Druck reichten eben gerade aus, um die Minis auf den 2700 Seemeilen langen Kurs nach Saint-François auf Guadeloupe zu schieben.
Bei den Prototypen zeigte sich Favorit Benoît Marie (”Nicomatic – Petit Bateau”) von Beginn an unbeeindruckt von den flauen Bedingungen: Der “Superfoiler” übernahm direkt die Führung und hielt sie nach kurzen kleinen Verlusten auch am späten Samstagabend wieder. Gegen 23 Uhr hatten sich zunächst Alexandre Demange (”DMG Mori Sailing Academy 2”) und Julien Letissier (”Frerots Branchet”) hinter ihm einsortiert.
Zu diesem frühen Zeitpunkt trennten die gesamte Prototypenflotte mit 32 gestarteten Booten aber nur rund 13 Seemeilen. Bei anhaltend leichten Winden war für die ersten 24 bis 48 Stunden mit ständigen und auch starken Positionsverschiebungen zu rechnen. Hier geht es zum Mini-Transat-Tracker.
Bei den Serienbooten war es der Düsseldorfer Hendrik Lenz, der am besten von der Linie wegkam. So berichteten es die französischen Veranstalter. Nach seinem “schlechtesten Start ever” auf Etappe eins, bei der er danach bis zum Abbruch noch bis auf Platz drei vorgerast war, zeigte der “Monoka”-Skipper zum Auftakt von Etappe zwei das Gegenteil. Dabei hatte er sich einen Sicherheitsstart vorgenommen, denn Frühstartern drohte eine drakonische 24-Stunden-Strafe.
Doch das größere Feld der 57 Serienbootsegler lag in drei, vier Knoten Wind nach den ersten Stunden vom ersten bis zum letzten Skipper noch dichter zusammen. Nur siebeneinhalb Seemeilen trennte am späten Abend des 25. Oktober Spitzenreiter Paul Cousin (”AFP – Biocombustibles” und Schlusslicht Miguel Angel Rondon Gonzales (”Kristina II”).
Dicht an dicht schoben sich die Minisegler von Santa Cruz de La Palma nach Süden. Hendrik Lenz war zwischenzeitlich auf Rang 16 zurückgefallen, aber wieder auf Rang neun vorgefahren. Das Auf und Ab hielt für die meisten Segler und Seglerinnen bei der Mini-Transat-Windlotterie in die Nacht hinein beständig an, wobei sich die Favoriten gut vorarbeiten konnten. Die Atlantik-Herausforderer wussten vorher, welche Nervenschlacht ihnen zum Auftakt der Atlantik-Etappe bevorstehen würde. Hier geht es zur Vorschau auf die Etappe.
Der Samstag-Start im Mini-Transat hat den dreiwöchigen Zwischenstopp auf der Kanareninsel La Palma beendet. Hier hatten sich die Miniisten mit Reparaturen befasst, aber auch das Miteinander bei mehrtägigen Ausflügen und gemeinsamen Abenden genossen. “Diese Klasse ist wie eine große Familie, es ist ziemlich unglaublich. Wir haben eine sehr starke Bindung und eine echte Brüderlichkeit untereinander”, hielt Matthieu Faivre (”La Fabuleuse Armada”) vor der Abreise glücklich fest.
Das gleiche Gefühl hatte auch Marie Chaussade (”Ganesh”), die mit 88 Freunden zum XL-Atlantik-Abenteuer aufgebrochen ist: „Wir haben uns zweieinhalb Jahre lang vorbereitet, jetzt ist es soweit. Es ist ein sehr freudiges Gefühl.” Für die Mehrheit der Mini-Segler bringt diese zweite Etappe über den Atlantik den Höhepunkt mehrjähriger Bemühungen. „Nach vier Jahren des Träumens und zwei Jahren der Vorbereitung bin ich endlich hier“, erklärte Naho Takahara (”Seven X Seven”) sichtlich bewegt beim Ablegen.
Die gleiche Emotion zeigte auch Julien Matha (”X-FLR6”): „Alles begann mit einer Freundin. Sie sagte mir: ‘Man muss seine Träume leben’, und das war der Startschuss. Dieses Mini-Projekt hat in meinem Leben einen zehntausendmal wichtigeren Platz eingenommen als erwartet, aber es ist ein unglaublicher Lebensabschnitt. “ Beim Düsseldorfer Hendrik Lenz war es die frühere Opti-Trainingskameradin Lina Rixgens, deren Mini-Transat-Einsätze ihn dazu inspiriert hatten, selbst einen Mini-Transat-Start anzugehen.
24 bis 48 Stunden, so hatten viele schon vor dem Start getippt, könnte es dauern, bis die Minis die wieder zunehmenden Passatwinde auf ihren Kurs zu den Antillen erreichen. Bis dahin sind gute Nerven gefordert. Und vielleicht weniger Schlaf, als die flauen Bedingungen es suggerieren. “Man kann in dieser Phase viel gewinnen, aber auch viel verlieren. Es wird sehr darauf ankommen, wie man nachts segelt. Wenn man da eine Brise verpasst, ist es schlecht”, wusste Hendrik Lenz schon vor dem Startschuss.
Der bei Abbruch von Etappe eins beste deutsche Akteur des seit 1977 ausgetragenen Mini-Transats tippte wie sein deutsch-französischer Trainingsgruppenmitstreiter Victor David auf eine Etappendauer von etwa 16, 17 Tagen. Alle Skipper haben damit zu rechnen, dass die Wettfahrtleitung zusätzlich zu dem bereits eingezogenen Wegpunkt einen weiteren ergänzt. Kommt der, dann aber nur zwischen dem Start und dem schon rund 150 Seemeilen von der Startlinie entfernt positionierten Wegpunkt.
Die Wettfahrtleitung will sich auf diese Weise die Möglichkeit offenhalten, auf ein sich möglicherwiese näherndes Jamaika-Tief oder gar einen Hurrikan reagieren zu können. Eine weitere Änderung war im Skipper’s Briefing auch noch bekanntgegeben worden: Die Mini-Transat-Segler sind nicht zum Tragen eienr Schwimmweste verpflichtet, müssen aber alternativ mit einem Lifebelt angeleint sein. So geschützt, wird in den kommenden zweieinhalb Wochen der Atlantik ihr Spielfeld, ihr Horizont und für viele das Symbol eines realisierten Traums sein.