Kristina Müller
· 06.04.2020
Kranen, Riggen, Regattafieber: Noch steht Arbeit am Boot an, aber Testschläge müssen sein. Lina Rixgens über ihren Weg zum Mini-Transat im Herbst 2021 – Teil 2
Derzeit bereiten sich so viele deutsche Segler auf das nächste Mini-Transat vor wie noch nie: Sie wollen bei der legendären Einhandregatta von Frankreich in die Karibik im Herbst 2021 an den Start gehen. Dann werden wieder 80 Solisten in 6,50 Meter kurzen Hochseebooten versuchen, den Atlantik zu bezwingen.
Dabei ist auch die Kölnerin Lina Rixgens, 25, die 2017 als erste deutsche Seglerin überhaupt das Rennen beendete (Porträt in YACHT 21/2016). Vier Jahre nach ihrer Ozean-Premiere im Mini will die Medizinstudentin nun 2021 erneut durchstarten, diesmal in einer Scow, einer Wevo 6.50.
Auf YACHT online berichtet sie über die Vorbereitung auf das Offshore-Abenteuer und die Herausforderungen einer Mini-Transat-Kampagne, bei der die Skipper weitaus mehr als nur Segler sind: In Eigenregie organisieren und finanzieren sie ihr Projekt und trainieren für die Teilnahme am Mini-Transat, bei dem schon viele Profisegler ihre ersten Offshore-Meilen sammelten.
Im ersten Teil hat Rixgens von der Übernahme ihres nackten, neuen Bootes und der Mammutaufgabe berichtet, es in einen segelklaren Zustand zu bringen. Im zweiten Teil geht es im Sommer 2019 endlich aufs Wasser – zum ersten Mal mit dem neuen Boot:
Durch verschiedene Verzögerungen bei der Auslieferung ist der mögliche Krantermin immer weiter nach hinten geschoben und damit meine Saisonplanung gehörig durcheinandergewirbelt worden. Das ist wohl das Los bei einem neuen Boot. Nach dem Mini-Fastnet muss ich nun auch bei der Kieler Woche meine Meldung zurückziehen.
Neues erklärtes Ziel ist die Travemünder Woche und die Bootstaufe am Abend der Eröffnungsfeier. Diesmal muss es klappen! Lange genug habe ich jetzt gearbeitet, gewartet, mich gestresst, umgeplant. Doch was immer noch auf sich warten lässt, ist das Rigg. Durch einen Umzug hat der Lieferant der Salingterminals mehrere Wochen Poduktionsstopp und die französische Mastenfirma kann mir das Rigg noch nicht zustellen…
Nächtliche Vorbereitungen
Aber zumindest das Boot kann nun ins Wasser gekrant werden und mit einem "platsch" landet es das erste Mal in seinem Element. Das ist schonmal ein großartiger Fortschritt. Wenige Tage vor der Bootstaufe kommt auch der Mast endlich an. Eilig werden Ober-, Unter- und Mittelwanten sowie Backstagen, Unterbackstagen und das Babystag mit den Bumerang-förmigen Salingen zusammengebaut.
Am Abend vor dem Maststellen arbeiten Sverre und ich bis um Mitternacht auf dem Vorplatz des Passat-Hafens, ziehen Fallen und Kabel ein, laminieren die Halterung des Windgebers und das Positionslicht am Masttop an. Ab und zu laufen etwas unverständlich schauende Passanten vom Fähranleger zu ihren Booten und Wohnungen, wir arbeiten in Gesellschaft von Mücken im schummrigen Licht der Laternen weiter.
Das Maststellen am nächsten Morgen läuft problemlos, nun sieht mein Mini wirklich aus wie ein Boot. Einziges Manko: die Unterwanten sind etwa 10 Zentimeter zu lang. Nun gut, kann ja mal passieren bei einem neuen Boot. Einen Tag und einen Hafen weiter kann zum Glück auch dieses Problem gelöst werden: Die Wanten werden gekürzt, die Terminals neu gepresst.
Premiere mit Ausweichmanöver
Endlich steht der erste Segelschlag an. Aufregend! Bei leichtem Wind führen wir "Whomper" das erste Mal vor Travemünde aus. Kreuzen geht schonmal ganz gut. Für den Rückweg geht das erste Mal der große, pinke Gennaker hoch. Wie in den Sommermonaten üblich, nimmt der Wind abends immer weiter ab. Flaute. Die Motorhalterung haben wir noch nicht angebaut. Mühsam nähern wir uns der Einfahrt. Von der Promenade schallen Menschenlärm und Musik herüber zu uns – Travemünder Woche eben.
Wir packen unser Paddel aus, denn vor der großen Fähre, die Trave-aufwärts in der Biegung schon zu sehen ist, wollen wir auf der anderen Flussseite und somit im Hafen sein. Wir kommen zwar insgesamt nur langsam voran, aber da dieser ultraleichte Mini schnell in Fahrt kommt, gleiten wir doch immer wieder ein gutes Stück in Richtung Box.
Sieben Tücher – die Segelgarderobe
Die Segel sind natürlich von entscheidender Bedeutung. Auf einem Mini gibt es davon viele und vor allem mit viel Segelfläche. Sieben Segel dürfen bei Regatten mitgenommen werden. Ihre Fläche ist –abgesehen von der Vier-Quadratmeter großen Sturmfock – nicht vorgeschrieben, das Material ist bei den Serienbooten allerdings beschränkt.
Das Großsegel darf nur aus Dacron gewebt sein, die Vorsegel dürfen aus Polyester und Nylon bestehen. Laminat-Großsegel sind damit ebenso verboten wie Kohlefasersegel. Die Segelgarderobe meines Minis besteht somit aus dreifach reffbarem Square-Top Großsegel, einfach reffbarer Fock, Code 0, großem Gennaker mit knapp 80 Quadratmeter Segelfläche, reffbarem mittleren Gennaker und Code 5.
Auch bei den Segelschnitten konnte ich auf meine Erfahrung während meiner ersten Mini-Transat zurückgreifen und ich entschied mich auch für dieses Projekt, mit meinem bisherigen Segelmacher weiter zusammen zu arbeiten. Berücksichtigt werden mussten beim Design von Groß und Fock vor allem der sehr weit hinten stehende Mast und die stark gefeilten Salinge.
Regattapremiere
Travemünder Woche. Bei bis zu 35 kn Wind wird uns am dritten Segeltag an Bord auf den kurzen Kursen ganz schön etwas abverlangt. Leinenchaos im Cockpit, da die Fallentaschen noch nicht angebracht sind. Segelwechsel, die noch nicht hundertprozentig gut klappen, eine Patenthalse, da sich die Pinne unter den Fußstützen verhakt. Aber wir segeln und das auch noch sauschnell!
Das Boot ist extrem leicht, uns fehlt eindeutig noch Gewicht achtern. Und es segelt sehr stabil, eine ganz andere Liga als die Pogo 2. Bei einem kurzen Check unter Deck stelle ich fest, dass die vorläufige Papphalterung für GPS und AIS dabei ist, sich aufzulösen. Ein paar Wellen sind wohl doch durchs Cockpit geströmt. Das Provisorium wird bei nächster Gelegenheit durch die endgültige Carbon-Halterung ausgetauscht. Zu basteln bleibt noch so einiges.
Unverzichtbar: Elektrik und Energiemanagement
Elektrik ist für den Solo-Segler eigentlich das Kernstück seines Bootes. Wenn sie nicht funktioniert, muss er wissen wie sie repariert wird. Und wenn das nicht klappt, hat er ein Problem. Das schwerwiegendste Problem ist dabei mit Sicherheit ein defekter Autopilot.
Über die elektronische Ausrüstung meines Minis hatte ich mir auch schon früh Gedanken gemacht. Da die Classe Mini von Satellitentelefon und Kartenplottern absieht, muss man sich die Wahl seiner wenigen erlaubten Geräte gut überlegen. Einziges Kommunikationsmittel ist ein UKW-Funkgerät. Über einen Splitter nutzt es gemeinsam mit dem AIS eine mindestens 90-Zentimeter-lange Antenne im Masttop. Intakte Verbindungen sind hier besonders wichtig, da im Zweifel der einzige Kommunikationsweg eingeschränkt wird oder ausfällt.
Ein GPS ohne elektronische Seekartenfunktion rundet die navigatorischen Geräte ab. Auch nicht fehlen dürfen Barometer, Logge, Echolot und Wecker. Ein elektrischer Autopilot-Antrieb setzt unter Deck an der Pinnenachse an und bekommt Informationen zu Ruderwinkel, Windeinfallswinkel, Kompasskurs und vielem mehr. Mir werden all diese Informationen im Cockpit auf zwei Displays angezeigt. Gespeist wird das alles von zwei 100Ah-Lithium-Ionen-Batterien. Zur Energiegewinnung werde ich nur Solarpanels benutzen.
Mehrere Tage hockte ich mit tatkräftiger Unterstützung im Bootsinneren, brachte alle Geräte an ihren gewünschten Positionen an und verkabelte sie. Es wurde gekrimpt, gelötet, angeklemmt. Der Schaltplan wurde nach und nach in die Realität umgesetzt und der Sicherungskasten füllte sich immer mehr mit Kabeln. Als irgendwann endlich das altbekannte Piepen der Displays ertönte, war ich im siebten Himmel.
Zickzack durch die Inselwelt – die erste Langstrecke
Wir segeln Am Wind an Femø entlang. Zickzack durch die dänische Inselwelt. Überall Flachs, mehr als drei Meter ist es fast nirgendwo tief. Einen Monat nach dem Kranen ist das Vegvisir Race die erste längere Regatta, die Sverre und ich auf meinem neuen Mini bestreiten. 225 Seemeilen doublehanded von Nykøbing aus über einen verrückten Kurs durch schmale Fahrwasser und um Bojen in Hafenbecken herum.
Es ist stockfinster. Spritzwasser kommt ständig über, das Boot bockt in der kurzen Welle. Nach fünf Segelwechseln macht sich die Müdigkeit langsam breit. Gerade nehme ich zum dritten Mal die Winsch auseinander, da sie nicht mehr greift. Bei jedem größeren Aufprall im Wellental geht die am Rettungsring befestigte Lampe achtern an der Reling für ein paar Sekunden an. Wie eine Bremsleuchte. Für einen kurzen Moment sind wir dann halbblind, bevor sich unsere Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnen.
Startvoraussetzung: Das Sicherheits-Equipment
Bei der Sicherheitsausrüstung versteht die Classe Mini keinen Spaß. Und das ist auch gut so wenn man bedenkt, dass wir Segler alleine auf diesen kleinen Booten bei jedem Wetter draußen sind und die nächste Hilfe manchmal hunderte Meilen weit weg ist. So stellte ich mir auch eine Liste mit allen benötigten Ausrüstungsteilen zusammen, verglich Preise und Gewichte.
Ich brachte Rettungsinsel, Rettungsring, Rettungsleine und EPIRB an Bord unter. Der Radarreflektor, zwei manuelle Bilgepumpen, Lifelines und die Notruderhalterung wollten angebracht werden, und rote und weiße Handfackeln, orangene Rauchtöpfe sowie Seewasserfärber landeten im Notfall-Grabbag.
Mit UKW-Notantenne, Feuerlöscher, Löschdecke und Treibanker hatte ich dann nach einiger Zeit die meisten Gegenstände auf der Liste abgehakt. Rettungswesten und Lifebelts werden natürlich auch mit an Bord sein.
Der Anfang ist gemacht
Nach der Rückkehr vom turbulenten Vegvisir Race ist die erste Feuertaufe bestanden. Es ist klar: dieses Boot ist der Wahnsinn! Aber es wird noch eine Menge Zeit an Optimierung brauchen bis alles so ist, wie ich es mir vorstelle, und vor allem viele Meilen auf dem Wasser bis die besten Segel- und Autopiloteinstellungen für alle Kurse und Windstärken gefunden sein werden. Aber schon bald wird mein Mini nicht mehr das "Bastelboot" sein.
Im nächsten Blogbeitrag: Ausgebremst – kein Segel-Training in Corona-Zeiten
Lina Rixgens, 25, hat im Opti Segeln gelernt, später erfolgreich Europe-Regatten absolviert. Als Schülerin hat sie bereits zweimal den Atlantik auf einem Zweimastschoner überquert. Dabei entstand ihr Wunsch, Hochsee- mit Regattasegeln zu verbinden, womit sie später auf der „Haspa Hamburg“ begann. 2015 stieg Rixgens ins Mini-Segeln sein. Für die Transat-Vorbereitung zog sie nach La Rochelle und legte zwei Urlaubssemester ein.
Für ihre Teilnahmen beim Mini-Transat 2017 (Platz 49) wurde die Medizinstudentin aus Köln von Trans-Ocean ausgezeichnet. Als erste deutsche Frau beendete sie damals das Solo-Atlantikrennen. 2021 will sie wieder dabei sein und auf einer neuen Wevo 6.5 aus Italien angreifen, einem neuen Mini-Design mit Scow-Bug.
Allein über den Atlantik: Rückblick auf Linas Mini-Transit 2017