Die Klasse der Mini 6.50 gilt als die Kinderstube des Offshore-Segelns. Viele der großen Profis haben auf den kleinen Rennmaschinen Hochseeerfahrung gesammelt, meist beim Mini Transat, einem alle zwei Jahre stattfindenden Rennen über den Atlantik. Jetzt wagt sich der 19-Jährige Jannes Lull aus Wiesbaden in diese Welt, die traditionell von französischen Seglern dominiert wird. Wir haben ihn zum Interview getroffen und über seine Pläne gesprochen.
Seit meinem vierten Lebensjahr bin ich auf dem Wasser unterwegs, sowohl auf Dickschiffen als auch mit dem Laser. 2013 segelte mein Onkel die Mini Transat – ich war damals sieben oder acht und komplett fasziniert. Jeden Tag saß ich vor dem Tracker und verfolgte die Route der Boote. Das hat mich geprägt. Danach verfolgte ich Boris Herrmann und andere Profi-Segler. Offshore-Segeln wurde mein Traum. Jetzt habe ich das Abitur in der Tasche und kann loslegen.
Wer professionell offshore segeln will, kommt am Mini Transat nicht vorbei. Die Regatta ist der klassische Einstieg – und auch für Quereinsteiger erreichbar, die noch nicht etabliert sind. Die Boote sind bezahlbar, der Markt nicht übersättigt, sodass man sie später wieder verkaufen kann. Ich habe auch überlegt, erstmal im Reisemodus loszufahren. Doch ich will richtig in die Szene einsteigen. 30 Tage Wettkampf, in einem 6,50 Meter langen Boot über den Atlantik - das fasziniert mich. Zugleich will ich an meine Grenzen gehen und durchhalten.
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Auf jeden Fall, allein für die Qualifikation. Dafür muss man eintausend Seemeilen einhand segeln. Hinzu kommen rund 1.300 Seemeilen, die man im Anschluss bei Qualifikationsrennen absolvieren muss. Gleichzeitig endet die Frist Ende 2026, bis dahin muss ich meine Meilen gesammelt haben. Allerdings kommen nur die 60 Boote mit den meisten Seemeilen in Regatten in die Startliste. Deshalb gehe ich davon aus, dass ich mindestens 4.000 Seemeilen brauche.
Wenn man ohne Budget und Erfahrung von Null startet, ist es schon ein steiniger Weg. Man muss viel Netzwerken, sich mit erfahrenen Seglern austauschen, Sponsoren suchen. Das ist viel Aufwand und durchaus frustrierend. Ich habe bestimmt 700 Emails verschickt. Davon kamen vielleicht 10 Prozent zurück, die meisten waren Absagen. Man braucht schon eine gewisse Ausdauer.
Eine rein deutsche Mini-Szene existiert kaum. Sie ist sehr klein. Nur wenige segeln wirklich Regatten, fürs Mini-Transat 2027 sind wir bislang zu dritt: Tom Wehde, Carla Hénon-Steck und ich. Dafür gibt es eine aktive WhatsApp-Gruppe deutscher Minisegler mit rund 100 Mitgliedern – darunter Ehemalige wie Lennart Burke, der jetzt Globe40 segelt. Die internationale Mini-Szene ist insgesamt sehr offen. Man kommt schnell rein. Es ist wie ein großer Freundeskreis.
Die Klassenvereinigung spielt eine zentrale Rolle: Sie legt Sicherheitsvorkehrungen fest, organisiert Teile des Transats und veröffentlicht den Regattaplan. Ihre Internetseite bietet zudem einen Marktplatz für Boote und eine Skipper-Börse – dort habe ich beispielsweise jemanden kennengelernt, mit dem ich zweihand 1.000 Seemeilen gesegelt bin.
Daneben organisieren Vereine, allein oder in Kooperation, weitere Regatten. Trainings-Center gibt es in Marseille, Barcelona, Rom, La Rochelle, Lorient und anderen Städten – sie arbeiten eigenständig oder sind an Vereine angebunden.
Ich versuche, möglichst viel über Sponsoren zu finanzieren. Der Trans Ocean unterstützt mich bei den Meldegeldern. Den Rest zahle ich selbst – was funktioniert, weil ich in meinem bisherigen Job remote weiterarbeiten kann.
Bis zum Start der Mini Transat kalkuliere ich mit rund 50.000 Euro – Boot inklusive. Dazu kommen Segel und eventuell Reparaturen, die sich allerdings schwer einschätzen lassen. Die Verpflegung während der Regatten übernehmen Sponsoren. Bei den Meldegebühren rechne ich mit etwa einem Euro pro Seemeile: 2026 bedeutet das rund 5.000 Eur. 2027 wird teurer – die Mini Transat schlägt deutlich stärker zu Buche.
Das hat verschiedene Gründe. Insgesamt ist die Dichte an Seglern am Atlantik deutlich höher als am Mittelmeer. Entsprechend schwer ist es, dort in die Regatten zu kommen, weil Starplätze begrenzt sind. Ich denke, dass es am Mittelmeer einfacher wird, genug Seemeilen sammeln zu können. Klar, es sind andere Segelbedingungen, sie sind aber nicht viel einfacher.
Ja, meine Großeltern kommen aus Frankreich. Bei denen kann ich unterkommen, wenn ich nicht gerade Regatten segle. Das vereinfacht das Ganze.
Ja, fließend. Deshalb sehe ich keine großen Hürden, mich dort zu etablieren. Alles läuft auf Französisch: wie berichtet wird, was die Regattaleitung mitteilt, wie informiert wird. Wenig überraschend, wenn 80 Prozent der Starter Franzosen sind.
Das stimmt. Ich sammle Daten für die Wissenschaft – zunächst zu Mikroplastik, später will ich das Spektrum erweitern. Bereits jetzt begleite ich ein Projekt von Trans Ocean e.V. und dem Geomar, weitere Kooperationen sind denkbar. Außerdem bin ich Botschafter der Surfrider Foundation Deutschland (ebenso wie Ocean-Race-Europe-Gewinner Paul Meilhat, Red.). Die Organisation kooperiert mit Brennpunktschulen, deren Schüler oft wenig Kontakt zu den Meeren haben. Das Ziel ist, ihnen die Faszination dafür zu vermitteln. Das Projekt läuft noch in der Testphase.
Sollte man meinen. Im Leistungssport übersieht man schnell, wie viel man unterwegs ist: Training in der Karibik, die Fahrt von Paris ins Trainingscenter in die Bretagne, der Rücktransport des Boots per Containerschiff nach Europa. Das will ich vermeiden, so weit es geht. Mein Ziel: 2027 mit der nachhaltigsten Mini-Kampagne an den Start zu gehen.
Eine Transat-Runde würde die Containerschiffe überflüssig machen – und sowohl Kosten als auch Emissionen sparen.
Mehr zu Jannes Lull und seinen Ambitionen finden Sie hier.