Jochen Rieker
· 21.11.2023
Zweimal belegte die Oberösterreicherin Platz 44 auf den beiden Etappen des diesjährigen Mini-Transats von Les Sables-d’Olonne nach La Palma und von La Palma nach Guadeloupe. Auf dem ersten Teilstück warf sie früh ein Bruch des Wasserstags zurück. Auch die Königsetappe verlief für die sympathische Solo-Skipperin nicht nach Plan. Wir sprachen vergangenen Freitag mit ihr, zwei Tage nach der Ankunft in der Karibik, als sie schon wieder obenauf war.
Echt, bin ich 45.? Na, is auch schon egal!
Es war … unglaublich! Ich hab mich die ganze Zeit schon so drauf gefreut, wie noch nie eigentlich. Die Begrüßung war irre, schon im Kanal. Da haben mir viele Menschen aus ihren Wohnungen zugejubelt, überall waren Mitstreiter, Leute vom Veranstalter in Schlauchbooten. Ich hab so gezittert …! Ich konnte nicht mal den Rum trinken, so aufgeregt war ich. So eine Ankunft hab ich noch nicht erlebt. Den Moment werd ich nie vergessen.
Bestimmt auch. Ja!
Mittlerweile find ich’s total okay. Aber während der Etappe ist es mir lange Zeit gar nicht gut gegangen, als ich den Anschluss verloren hatte. Da konnte ich mein Rennen nicht genießen. Es war alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte.
Technisch gab’s keinen Grund, dass ich zurückgefallen bin. Mein Boot lief super. Nur mein Autopilot kam nicht so gut mit den Wellen zurecht, die sehr konfus waren. Deshalb hab ich einige Male auf den Code Zero gewechselt, statt den Spi zu fahren, was mich sicher etliche Plätze gekostet hat.
Vielleicht war es auch ein Fehler, die Top Ten als Ziel zu formulieren. Wünschen tut sich’s jeder. Und ich hab davon geträumt, ganz weit vorn dabei zu sein, natürlich. Aber ich hab immer gewusst, dass mein Level nicht das gleiche ist wie das der Besten in der Classe Mini. Meine Überzeugung war freilich, dass auf so einem langen Rennen alles möglich ist.
Weil ich unter meinem selbst gesteckten Ziel geblieben bin, hatte ich zeitweise auch ein bisschen Angst vor dem Ankommen, dass ich Erwartungen enttäusche, nicht nur meine eigenen, sondern auch die meiner Sponsoren – allen voran Trans-Ocean und Dimension-Polyant. Ich hab alle möglichen Emotionen durchlebt. Mit der Zeit konnte ich das ganz gut einordnen und kam dann schon relativ aufgeräumt an.
Jetzt bin ich einfach nur stolz, dass ich es geschafft habe”
Ja, das vergisst man oft. Das haben mir auch ganz viele im Ziel gesagt – dass es beim zweiten Mal so anders ist.
Ich hatte vor den Squalls ehrlich gesagt ein bisschen Angst. Deshalb hab ich nachts manchmal auf den Code gewechselt, was auch gut war, weil ich teils 40 Knoten und starke Winddreher hatte. Aber oft war’s auch unnötig. Da bin ich zu lange zu konservativ gesegelt, weil ich Schiss hatte.
Jetzt würd ich das anders machen. Zum Ende hin bin ich auch mutiger geworden. Aber am Anfang war das echt einschüchternd. Das kann man vorher ja auch nirgends trainieren. Eigentlich dachte ich, ich hätte es gut raus, vor der Schauerbö wegzuhalsen und den Wind mitzunehmen. Aber in einer Nacht waren die Squalls überall. Da bin ich mit jeder Halse nur in die nächste gekommen. Hach, schrecklich! Das hat einige richtig fertiggemacht.
Ja, die Wellen waren echt krass. Ich bin ja vor sechs Jahren schon mal im Rahmen der ARC über den Atlantik gesegelt, auf einem größeren Boot mit Crew. Aber solche Bedingungen hatten wir nicht. Entweder ist das der Beweis, dass du nur die guten Dinge in Erinnerung behältst, oder es war einfach anders. Wir hatten oft nur Chaos, kaum regelmäßige Atlantikdünung. Ich glaub, so viele Sonnenschüsse gab es auf keinem Mini-Transat. Jeder sagt das. Ich war eigentlich immer ganz gut darin, das Boot auf Kurs zu halten, aber diesmal …?!
Verrückt finde ich, dass man sich irgendwie an alles gewöhnt, sogar daran. Einmal hatte ich mich gerade zum Schlafen hingelegt, in meinem Pyjama, da hat’s uns auf die Seite gelegt. Ich also raus, die Schot lösen. Und plötzlich sitze ich in einem Swimmingpool, weil eine Welle über uns gebrochen ist und das ganze Cockpit geflutet hat. Schräg, ganz, ganz schräg!
Moderate See hatten wir nur dann, wenn es geprasselt und der Regen die Wellen beruhigt hat. In einem Squall mit 39 Knoten Wind bin ich auf flachem Wasser mal eine Zeit lang mit 14, 15 Knoten Speed gesurft, nur unter Groß und Genua, weil ich vorher zum Glück den Spi runtergenommen hatte! Das war schon ein bisschen spooky …! Da kann man paranoid werden. Aber irgendwann findest du auch das normal. (Lacht)
Ein paarmal hab ich einen Stecker gefahren, der so heftig war, dass es das Heck aus dem Wasser gehebelt hat, und dann drückt dich der Wind einfach auf die Seite.
Mit dem kannst du die krassesten Nosedives erleben! Er sticht zwar nicht in die Welle rein wie die Pogos, aber dafür stoppt er quasi komplett auf. Du stehst einfach und denkst, dass du gleich einen Purzelbaum machst. Deshalb schießt du auch leichter in den Wind, weil das Boot nur zur Seite ausweichen kann.
Hmm … 75 Prozent, würd ich sagen.
Etwa 80, 85 Prozent. Die Teilstücke waren ja ganz unterschiedlich. Auf die zweite Etappe haben alle hingefiebert – eigentlich sollte es die Belohnung für die ganze vorhergehende Qualifikation werden, für alle Mühen, alle Hürden, die wir überwinden mussten. Aber am Ende war es für keinen so, wie erhofft. Wir hatten uns extrem auf den Passat gefreut, den wir südlich von Portugal schon auf der ersten Etappe erlebt hatten, mit langer, gleichmäßiger Dünung und beständigem Nordost. Das war perfekt. Da hat keiner geahnt, dass die Königsetappe so unstet werden würde.
Ja. Als wir südwestlich der Kanaren allmählich in den Passat kommen sollten, bin ich mit acht anderen Booten stundenlang in einer Flaute hängen geblieben. In der Nacht hab ich die alle verloren. Da war ich sehr frustriert, fast depressiv, ziemlich lang eigentlich.
Da kamen so Gedanken wie: Zwei, drei Jahre Vorbereitung – und jetzt vergeige ich es so!”
Ich hab mich dann auch taktisch nicht richtig entscheiden können, bin mal nach Süden, dann wieder nach Norden. Und genau in der Zeit hat Christian Dumard zwei Tage lang über Kurzwelle die Wetterinformationen durchgegeben. Und er hat sie nie wiederholt, er verwendet nicht das Funk-Alphabet, obwohl wir ihn vor dem Start darum gebeten hatten. Ich hatte also in einer Phase, wo ich es am nötigsten gebraucht hätte, keine gescheiten Infos. Das hat mich ziemlich aus dem Tritt gebracht, und ich hatte irgendwann 300 Seemeilen Rückstand auf die Spitze.
Ich hab mir den Tracker noch gar nicht angeschaut, ehrlich gesagt.
Nein! (Lacht) Ich hab schon einen anderen Plan!
Ich hab mit Boris Herrmann gechattet. Er hat mir gute Tipps gegeben. Das war genau das, was ich heute gebraucht hab, weil ich ein bisschen die Peilung verloren hatte. Vor dem Start hatte ich einen klaren Plan; da wollte ich in der Figaro-Klasse weitermachen. Aber dann kam ich nach der Erfahrung auf der zweiten Etappe ziemlich ins Zweifeln. Boris hat mir da rausgeholfen. Er ist so ein super Typ! Er weiß genau, wie man sich fühlt nach einem solchen Rennen. Und ich denke, dass ich’s genauso mache wie er.
Das lass ich aus. Er war ja damals erst 19 Jahre alt.
Ich glaub, das wäre auch was für mich. Die Figaro-Klasse ist zwar eine unglaubliche Kaderschmiede, aber das Ergebnis kannst du erst mal vergessen. Da hast du am Anfang nur Stress und Frust. Und ich hab die Sorge, dass mir das die Freude nehmen würde. Für mich ist es wahrscheinlich gescheiter, beim Offshore-Segeln zu bleiben. Ich will noch gar nicht mehr sagen. Aber ich fühl mich seit heute so gut, seit dem Austausch mit Boris. Ich hab ein neues Ziel, und das ist genau das, was ich gebraucht habe.
Das wäre ein Traum. Er ist jedenfalls ein riesengroßes Vorbild für mich. Wir haben uns bisher noch gar nicht getroffen, aber er ist interessiert daran, wie es bei mir läuft, und er schreibt oft oder schickt mir Audio-Nachrichten. Das finde ich so nett – wirklich cool!
Wir haben den gleichen Mental-Coach, Thomas Theurillat von OneDay. Der hat mit Boris immer wieder mal übers Mini-Transat gesprochen und auch über mich. Und irgendwann vor zwei Monaten hat Boris dann Kontakt zu mir aufgenommen und mich nach Lorient eingeladen. Das passte damals leider nicht in meine Vorbereitung fürs Rennen, deshalb haben wir uns bisher nur über WhatsApp ausgetauscht. Als ich im Ziel war, hatte er beim Transat Jacques Vabre ja noch 1.500 Seemeilen vor sich. Und dann erkundigt er sich, wie’s mir geht! Ich hoffe, dass wir uns bald mal sehen, wenn er zurück in Europa ist. Aber schon jetzt hat er mir mehr geholfen, als er es sich vermutlich vorstellen kann.