La Boulangère Mini TransatWarum Lisa Berger “am liebsten gleich wieder starten würde”

Jochen Rieker

 · 07.10.2023

Nicht unterzukriegen: Lisa Berger, erste österreichische Skipperin im Mini-Transat
Foto: Lisa Berger Racing
Angekommen in La Palma: Lisa Berger auf ihrem Maxi 6.50 ”Dimension Polyant” (AUT 980)
Die junge Frau vom Attersee ist die einzige deutschsprachige Solistin im Feld der Mini-Transat-Teilnehmer. In der Nacht zu Samstag kam sie auf Platz 44 ins Ziel der ersten Etappe vor La Palma – angeschlagen, aber nicht ausgeknockt. Die YACHT hat mit ihr über Wale, Ängste, Bruch und ihre ungebrochene Lust am Mini-Segeln gesprochen

Lisa, du bist mitten in der Nacht angekommen. Wie viel Stunden hast du seither geschlafen?

Vier. Irgendwie bin ich mental immer noch ein bisschen an Bord und im Wachrhythmus.

Du hattest dir fürs Rennen eine Top-10-Platzierung vorgenommen. Jetzt fehlen dir auf den Sieger der Serienboote, Michael Gendebien, mehr als anderthalb Tage. Enttäuscht?

Anfangs ja, und zum Schluss auch. Aber ich hab ganz viel an Positivem mitgenommen. Das Segeln im Passat war ein Traum. Deshalb freu ich mich jetzt schon richtig auf die zweite Etappe.

Du bist am zweiten Tag zwei Stunden vor dem Wind abgelaufen und hast dadurch den Anschluss verloren. Was war da los?

Mir ist das Wasserstag gebrochen, das den Bugspriet nach unten sichert. Das ist aus 10 Millimeter starkem Dyneema gespleißt und sah noch wie neu aus. Es ist das einzige Teil des Riggs, das ich vor dem Start nicht ausgetauscht hatte. Da war ich extrem frustriert und sauer. Ich hatte echt düstere Gedanken, aber dann hab ich einfach funktioniert.

Musstest du ins Wasser, um ein Ersatzstag zu riggen?

Ja, mitten auf der Biskaya! Wir hatten zwar nur 10 bis 15 Knoten Wind, aber noch zwei Meter Schwell. Ehrlich gesagt kamen mir erst mal die Tränen, als mir klar wurde, was das bedeutet. Dann hab ich alle Segel runtergenommen, was mir nicht leichtfiel, weil währenddessen ein Boot nach dem anderen an mir vorbeiging.

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Um auf keinen Fall den Kontakt zu meinem Maxi zu verlieren, habe ich mehrere Leinen über Bord gehängt. Und gerade, als ich bereit war zu springen, hab ich den Blas von einem Wal in 100 oder 200 Meter Entfernung gehört. Das war natürlich sehr motivierend.

Aber es musste ja sein, also bin ich trotzdem ins Wasser. Erst mal blieb mir die Luft weg – ob wegen der Aufregung oder der Kälte weiß ich nicht, wahrscheinlich wegen beidem. Da wurde mir klar: Ich hab mein Messer vergessen! Also zurück ins Cockpit klettern, was zum Glück richtig gut klappte, und noch mal von vorn. Als Ersatz für das Original-Stag hatte ich nur vier Millimeter starkes Dyneema dabei. Das habe ich eingeschoren – nicht ideal, aber ich hab mir eingeredet, dass das schon halten werde.

Hat es?

Ich hab bis zuletzt gebetet. Und na ja, es hat geklappt. Im Süden der Biskaya hat das Ersatzstag zwar ein bisschen gereckt; da stand der Bugspriet etwas zu hoch. Deshalb hab ich das Stag nach dem Durchgang der Front vor Kap Finisterre mit einem weiteren Dyneema-Geflecht verstärkt, diesmal vom Bug aus. So ging’s bis ins Ziel.

Respekt!

Ich bin wirklich ein bisschen stolz darauf, dass ich das Problem so schnell lösen konnte. Zum Glück hab ich erst hier in La Palma erfahren, dass eine Skipperin ganz in meiner Nähe einen Hai gesichtet hat. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich vielleicht nicht ins Wasser.

Du konntest danach nicht mehr zur Führungsgruppe aufschließen. Wie kamst du damit klar?

Es war frustrierend. Aber ich habe mich einfach darauf konzentriert, so gut wie möglich zu segeln. Und ich habe nie aufgehört, an meine Chance zu glauben, noch Plätze gutzumachen.

Erst mal musstest du den Ausläufer der Sturmfront nordöstlich von Kap Finisterre meistern.

Boah, das war schrecklich: das schlimmste Wetter, das ich je auf meinem Boot erlebt habe. Als ich die Genua auf dem Vorschiff festgelascht habe, um anschließend die Sturmfock setzen zu können, wäre ich fast über Bord gegangen. Ich war zwar eingepickt, hatte mich mit dem Fuß aber nicht gut genug nach Lee abgestützt und bin von einer Welle vierkant in den Seezaun geworfen worden. Danach waren meine Arme blau und schwarz.

Das Meer sah echt beängstigend aus. Ich bin danach unter Deck und war froh, dass mein Autopilot das gut packt. Du hoffst eigentlich nur, dass nix kaputtgeht – und hörst dann im Funk von einem Mastbruch. Das war hart!

Hat dein Maxi 6.50 Schäden davongetragen?

Nein, bis auf das untere Backstag in Lee, das sich im Seegang gelöst hat und an Deck fiel, blieb bei mir alles heil. Ich könnte im Prinzip morgen wieder los!

In der zweiten Hälfte des Rennens bist du nicht so weit nach Westen gegangen wie die am Ende Führenden. Wieso nicht?

Ich hab definitiv zu lange gewartet. Du segelst natürlich immer mit den lokalen Winden, nimmst Dreher mit und zögerst die Halse hinaus, wenn es geht. Im Nachhinein betrachtet war das ein Fehler.

Hast du sonst noch Erkenntnisse mitgenommen?

Ja, ich hab im Passat zu tief gehalten, bin immer um die 145 Grad zum wahren Wind gefahren, statt zehn Grad höher zu gehen, mehr Speed aufzubauen und dann erst tiefer zu halten. Das war eine wichtige Erfahrung, die mir auf der zweiten Etappe helfen wird.

Was machst du jetzt: Bleibst du auf den Kanaren, oder fliegst du erst mal nach Hause an den Attersee?

Ich bleibe hier! Morgen muss ich mein Boot aufräumen, das Wasserstag erneuern, das Backstag fixieren. Und dann will ich mit ein paar anderen aus meiner Trainingsgruppe die Inseln erkunden.

Wie gehst du die nächste Etappe an?

Auf die freue ich mich schon riesig! Die erste ist abgehakt; die lief halt, wie sie lief. Das kann ich nicht mehr ändern. Aber das zweite Teilstück in die Karibik ist ohnehin die Königsetappe. Die zählt für mich umso mehr. Am liebsten würde ich gleich wieder starten!


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