Er ist Weltmeister und Träger des Silbernen Lorbeerblatts, der höchsten Sportauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland. Er hat insgesamt vier WM-Medaillen in seiner Sammlung und ist seit mehr als einem Jahrzehnt die deutsche Nummer eins im olympischen Laser-Segelsport. Gereifter und entschlossener denn je, nimmt der Allgäuer Kurs auf seine dritten Olympischen Spiele.
Den laufenden Countdown bis zu seinem ersten Startschuss am 1. August genießt der Aktivensprecher der deutschen Olympia-Segler: „Dieser letzte Abschnitt der Vorbereitung auf die olympische Regatta gibt mir ein sehr gutes Gefühl. Wenn du jeden Tag glasklar vor dir siehst, wofür du so hart arbeitest und vieles im Leben verpasst, ist das wunderschön. Mir bringt das jede Woche neue Motivation und mehr Vorfreude. Das will ich auskosten.“ So auch bei der Kieler Woche.
Dort ist das Ilca-7-Feld im olympischen Jahr qualitativ und quantitativ auffallend stärker besetzt als alle anderen olympischen Disziplinen. Buhl hatte sich bei den Organisatoren dafür eingesetzt, dass die olympische Halbzeit der Kieler Woche – im Gegensatz zu anderen Klassikern für Olympia-Segler nur fünf und nicht sechs Tage lang – den Ilca-7-Solisten mehr Rennen pro Tag bietet, als ursprünglich auch vom Weltseglerverband World Sailing empfohlen. So soll für die Goldflotte der Ilca-7-Besten eine veritable Hauptrunde statt womöglich nur eines kargen Goldfleet-Renntags sichergestellt werden. Ergo: Es gibt mehr guten Sport für die Top-Leute, die auch deswegen vermehrt Kurs auf Kiel nehmen.
Mit Coach Alex Schlonski, dem hochgeschätzten Sparringspartner Nik Willim, dem Norweger Herrmann Tomasgaard und dem französischen 2022er Weltmeister Jean-Baptiste Bernaz bil-det Buhl eine starke Trainingsgruppe. Im Mai waren sie für drei Wochen im Olympia-Revier in der Bucht von Marseille aktiv. Als Gast-Trainer kam Laser-Maestro Robert Scheidt dazu. Die Gruppe drehte jeden Stein zehnmal um. Ein Hauptthema waren Starts. Sie wollen den kleinen Vorsprung egalisieren, den sich der Brite Michael Beckett und Olympiasieger Matt Wearn übers letzte Jahr erarbeitet haben. Buhl sagt ehrlich: „Es ist fast eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Spitze. Aber eine olympische Regatta und ein olympisches Feld haben eine etwas andere Charakteristik. Die Räume sind etwas weniger eng, das Feld streckt sich etwas weiter auseinander, der Speed zählt ein bisschen mehr.“
Zum engen Kreis der olympischen Medaillenkandidaten zählt Buhl den eher extrovertierten, in allen Bedingungen starken Michael Beckett, den stoischen Matt Wearn, den wiedererstarkten Herrmann Tomasgaard, „JB“ Bernaz, den immer noch gefährlichen zweimaligen Weltmeister Pavlos Kontides, den Neuseeländer Tom Saunders – und sich selbst. Buhl weiß, was er auf dem Weg zur Medaille braucht: „Der unbedingte Wille zu gewinnen ist die Voraussetzung. Dann musst du in der olympischen Woche alle erlernten Skills abrufen können, darfst aber auch nicht überdrehen, wenn es darum geht, die Kür abzuliefern.“
2016 hat das bei seiner Olympia-Premiere noch nicht geklappt: Obwohl damals schon mit WM-Bronze von 2013 und WM-Silber von 2015 hochdekoriert, segelte Buhl satt am Medaillenrennen vorbei auf Platz 14, schrie den Himmel über Rio de Janeiro und sich selbst an – und arbeitete weiter. Vor drei Jahren in Tokio sah die Welt schon ganz anders aus. Ein krasser Vorschlusstag mit Rang 32 und einem Sieg brachte in Kombination mit Rang drei im Medaillenrennen Platz fünf. Sechs Punkte fehlten zur Medaille.
Werden für Buhl, der für den Segelclub Alpsee-Immenstadt und den Norddeutschen Regatta Verein startet, im dritten Anlauf in diesem Sommer aller guten Dinge drei sein?
Anfang Mai hatte der in Kiel lebende 1,87 Meter große Steuermann noch einmal vier Tage bei den Eltern in Sonthofen Kraft getankt. Beim Radfahren in den Bergen kam er auch an der Wiege seiner Kindheit vorbei. Das etwas zerfallene alte Bauernhaus im Weiler Sterklis ist heute unbewohnt und steht unter Denkmalschutz. Viel Platz bot das Haus den Buhls und ihren drei Kindern damals nicht. Doch draußen in der Natur ergaben sich unendliche abenteuerlichste Spielmöglichkeiten. Die nächste Piste für den in seiner Jugend erfolgreichen Skirennläufer Buhl war nie weit, und auch der Große Alpsee, wo er das Segeln von Vater Friedl Buhl in dessen FD lernte, ein zunehmend verlockendes Ziel. Als der deutsche Top-Athlet im April auf seiner Radtour vor dem Haus Sterklis 8 innehielt, zogen viele schöne Erinnerungen an seinem geistigen Auge vorbei. Kurz dachte er:
Schon crazy, dass ich aus diesem kleinen Dorf heraus das werden konnte, was ich heute bin“
Was seinen dritten Olympia-Start von den vorherigen unterscheiden könnte? „Mein Gesamtwissen ist größer“, sagt der Analytiker Buhl. 18 Jahre sind vergangen, seit der Sportsoldat Buhl erstmals in einem Bundeskader trainieren durfte. Zwei Jahre zuvor hatte ihm 2004 beim Laser-Radial-Landestraining mit dem Bayern-Kader ein Teamkamerad Ben Ainslies 2002 veröffentlichtes Buch „The Laser Campaign Manual“ gezeigt. Es erzählt, wie man im Laser siegt. Das Buch hat Buhls olympische Leidenschaft angefacht, Ainslies Leistungen ihn befeuert. Der heutige Chef und Skipper der britischen America’s-Cup-Kampagne Ineos Britannia war damals schon Doppel-Olympiasieger. Er war der Segelheld seiner Zeit, der seinen ersten Ruhm im Laser erworben hatte. Später konnte der junge Philipp stundenlang Videos von Ainslies Rivalen Robert Scheidt studieren. Heute ist Buhl selbst ein Champion und genießt die Chance, vom Klassen-Maestro lernen zu dürfen, weil das NRV Olympic Team und sein Förderer Marcus Brennecke im olympischen Jahr zwei Sondertrainings mit Robert Scheidt möglich gemacht haben.
„Robert ist extrem detailversessen, hat einen sehr genauen Plan zu Taktik und Positionierung und äußert seine Meinung klar“, sagt Buhl. Scheidt wiederum bewundert Buhls einzigartiges Starkwind-Spiel und attestiert dem Deutschen, der in Ilca-Kreisen als Fairplayer und mitunter sehr vehementer Kämpfer für die Klasse geschätzt wird, inzwischen auch eine hohe Leistungsfähigkeit in leichteren Winden. „In Anbetracht der Tatsache, dass du etwas schwerer bist als Beckett und Wearn, bist du auch erstaunlich konkurrenzfähig bei weniger Wind“, sagte Scheidt jüngst zu Buhl. Es klang wie ein Ritterschlag. „Und wem soll man glauben, wenn nicht einem neunmaligen Weltmeister“, sagt Buhl und grinst.
Nur ist Buhl einer, der wie Deutschlands erfolgreichster Olympia-Segler Jochen Schümann genau weiß, dass es Perfektion im Segelleistungssport mit seinen unendlichen Möglichkeiten nie geben wird. Schon gar nicht in der heiß umkämpften Weltspitze der seit 1996 olympischen 4,23 Meter langen Einheitsjollen vom Typ Ilca 7. Es gibt nur das ewige Streben nach Verbesserung.
Und so wird Philipp Buhl bis zum olympischen Gipfelsturm weiterarbeiten. Sein Vorhaben für die sechs Marseille-Tage im Mittelmeer-Bilderbuchrevier rund um die einstige Pirateninsel Île d’If klingt einfach, ist es aber nicht: „Ich werde versuchen, konzentriert abzuliefern, was ich gelernt habe.”