Bei den internationalen 420ern waren am Montag im Hafenvorfeld beim Warten wegen Flaute weithin die ukrainischen Farben sichtbar, denn Sviatoslav Madonich/Dmytro Karabadzhak hatten ihr Großsegel im Olympiazentrum Kiel-Schilksee oben. Wenn die ukrainischen Teams zur Kieler Woche kommen, dann tun sie es nicht nur für den sportlichen Erfolg. Sie präsentieren auch die blau-gelbe Flagge im Segel, das Nationenkürzel UKR, als Botschafter einer Nation, die mitten im Krieg steckt. Madonich/Karabadzhak könnten für die Ukraine eine Kieler-Woche-Medaille gewinnen.
Für das 420er-Duo ist die Heimat in der Ukraine seit über zwei Jahren nur sporadischer Aufenthaltsort. Sie touren zu Regatten durch ganz Europa, leben und trainieren in Italien. Mit sechsten Plätzen bei den Opti-Weltmeisterschaften 2022 und 2023 hat sich Steuermann Sviatoslav Madonich einen Namen gemacht, Vorschoter Dmytro Karabadzhak gehörte zur Weltspitze des Ilca-Nachwuchses. Jetzt bilden sie gemeinsam ein Team, haben von der 420er-Werft Nautivela ein Boot gestellt bekommen. „Zur Kieler Woche testen wir das neue Boot, bereiten es für die EM und WM vor“, sagt Karabadzhak. Nach der heißen Regattaphase soll es zum Heimatbesuch in die Ukraine gehen. „Immer wenn es möglich ist, besuche ich meine Eltern und meine beiden Schwestern. Derzeit telefonieren wir viel. Aber es ist immer eine angespannte Situation“, so Karabadzhak. Noch sind für den 17-Jährigen Reisen in die Ukraine und wieder zurück nach Italien möglich. Mit seiner Volljährigkeit im nächsten Jahr wird er darauf verzichten.
Ebenfalls die ukrainische Flagge hoch halten bei der Kieler Woche bei den 470ern Yehor Samarin/Yelyzaveta Vasylenko. Das 470er-Mixed-Team lebt und trainiert in Dnipro, südöstlich der Hauptstadt Kiew. Sie sind die über 2.000 Kilometer aus der Zentral-Ukraine mit ihrem Boot nach Kiel angereist. „Wegen der Olympischen Spiele gibt es in unserer Klasse zurzeit nur wenige Regatten. Deshalb sind wir froh, bei der Kieler Woche dabei zu sein“, sagt der 23-jährige Steuermann. Yehor Samarin hatte auf eine Qualifikation für die Spiele gehofft, konnte das Ticket nach Marseille aber nicht lösen. Jetzt blickt er mit seiner 17-jährigen Vorschoterin bereits auf den nächsten Olympia-Zyklus.
Als Segler und Trainer ist für Samarin der Segelsport der berufliche Fokus. Yelyzaveta Vasylenko hat dagegen gerade die Schule beendet, denkt über ein Studium nach: „Aber es gibt noch viele Fragezeichen. Deshalb fokussiere ich mich aktuell auf das Segeltraining.“ Die Kieler Woche genießen die beiden, um sich im internationalen Feld zu messen und die eigene Leistung zu verbessern. Doch die Situation in der Heimat, wo das Leben von ständigem Luftalarm begleitet wird und Segeltraining nur bedingt möglich ist, schwingt immer mal wieder mit. „Einige Teilnehmer fragen nach – vor allem die Polen, für die der Krieg ja sehr nah ist“, sagt Yehor Samarin. „Und ich denke, wir sollten darüber reden. Wir sind nicht in der Lage, den Krieg zu stoppen. Die Welt muss was tun, sonst setzt er sich weiter in Europa fort.“