Tatjana Pokorny
· 23.06.2024
Luise Wanser ist 470er-Mixed-Weltmeisterin. Ihr Gold feierte sie 2022 mit Vorschoter Philipp Autenrieth überglücklich. “Dieser WM-Sieg war mir so wichtig! Es war mir wichtig, ein Statement für Frauen zu setzen, weil ich glaube, dass wir Frauen immer noch unterschätzt werden. Nicht nur im Segelsport. Überall in der Welt. Wir konnten beweisen, dass man in gemischten Mannschaften auch mit Frau am Steuer Weltmeister werden kann.”
Lange zählten Luise Wanser und Philipp Autenrieth nach ihrem gefeierten Titelerfolg auch zum Kreis der Favoriten im Kampf um nur eine deutsche Olympia-Fahrkarte im neu-olympischen 470er-Mixed. Doch in diesem Kampf unterlagen sie den Teamkameraden Simon Diesch und Anna Markfort, die bei der Olympia-Regatta für Team D starten. “Diese Niederlage tut immer noch weh. Wie es für mich olympisch weitergeht, das überlege ich noch”, räumt Luise Wanser ehrlich ein. Nach dem bitteren Aus für ihre ehrgeizige Olympia-Kampagne hatte sich die 27-jährige Hamburger Juristin mit dem Bachelor in der Tasche zunächst eine Auszeit genommen.
Die Arbeit mit den Frauen macht sehr viel Spaß, ist sehr effizient.” Luise Wanser
Vor wenigen Wochen aber kam sie zurück, folgte dem Ruf des deutschen Teams für den ersten America’s Cup der Frauen im Herbst vor Barcelona. “Jetzt oder nie”, hieß es in ihre Richtung. “Jetzt oder nie”, dachte sich dann Luise Wanser, flog aus Miami heim und trainiert seitdem im Kieler Simulator der Mannschaft an der Seite von Athletinnen wie der olympischen 49erFX-Silbermedaillengewinnerin Tina Lutz für den GER-Einsatz im Women’s America’s Cup. “Die Arbeit mit den Frauen macht sehr viel Spaß, ist sehr effizient! Und wir werden immer besser”, sagt Luise Wanser, die entweder solo als Steuerfrau mit automatisch zugeschalteter virtueller Trimmerin oder im Quartett mit jeweils zwei Steuerfrauen und zwei Trimmerinnen aus dem Team trainiert. Wobei die gelernte Steuerfrau Luise Wanser ihre Fähigkeiten auch als Trimmerin im Simulator weiterentwickelt.
Parallel zum Training nehmen die angehenden deutschen America’s-Cup-Frauen auch an virtuellen Regatten teil, bei denen sie sich mit internationalen Frauen-Teams vergleichen, die sich in ihren Heimatländern auf den 1. Women’s America’s Cup vorbereiten. Die Simulatoren aller Teams sind für diesen Zwecke über ein Programm miteinander verbunden. “Diese Regatten sind eine weitere Möglichkeit festzustellen, ob man sich als Team verbessert”, erklärt Luise Wanser das Vorbereitungsprogramm, das in Kiel vorangetrieben wird. Dann lächelt sie und sagt: “In meiner Kindheit durfte ich nie am Computer spielen. Jetzt mache ich das täglich.”
Gemeinsam mit den anderen deutschen Seglerinnen im Team wirbt Luise Wanser um weitere Unterstützung für die bislang mit bescheidenem Budget gesicherte Teilnahme der deutschen Frauen an der historischen Premiere des Women’s America’s Cup. “Wir werden dabei sein, das ist sicher. Aber natürlich kann uns noch mehr Unterstützung helfen, noch weiter voranzukommen”, sagt die ehrgeizige Leistungssportlerin Luise Wanser. Mehr Unterstützung könnte beispielsweise die Chancen erhöhen, mehr als die gesicherten vier Tage Vorab-Training auf den AC40-Geschossen zu ermöglichen, auf die Frauen-Crews mit Mutter-Teams im America’s Cup einen direkten Zugriff haben.
Ein ehrgeiziges Ziel verfolgt auch Susann “Sanni” Sanni Beucke: Die Profiseglerin aus Strande hatte 2021 in Japan an der Seite von Tina Lutz olympisches Silber im Frauen-Skiff gewonnen. Anschließend hatte sie das Fach gewechselt, ackert seitdem im französischen Lorient in der fordernden Figaro-Klasse und bei anderen Engagements für ihren Aufstieg in die Imoca-Klasse. Fernziel der 33-Jährigen ist die Teilnahme an der Vendée Globe 2028. “Boris Herrmann hat die Landschaft hierzulande gut geebnet”, sagte Sanni Beucke bei ihrem Besuch der Kieler Woche. Dazu habe sie selbst mit ihrer Kampagne “This race is female” sehr viel Rückenwind erfahren.
Auch ihre Mission ist das “Female Empowerment”, die Stärkung von Frauen. “In meinem Sport muss man das gar nicht dauernd sagen. Die Bilder sprechen für sich”, sagte die Meeresstürmerin. Mit ihrem Intensiv-Engagement in der Figaro-Klasse habe sie sich “darauf konzentriert, das Fundament für die Vendée Globe zu schaffen”. In die Karten spiele ihr auch das auf Imocas ausgetragene Ocean Race Europe, das am 10. August 2025 in Kiel startet. Da will sie dabei sein, idealerweise als Skipperin. Spannende Gespräche dazu laufen, so die nimmermüde Antreiberin.
Großes haben auch Deutschlands beste Olympiasegler im Sinn. Bei der aktuellen Kieler Woche aufgrund der zeitlichen Nähe zur olympischen Regatta ab 28. Juli und laufender Trainings in Marseille nicht in voller Stärke auf der Förde im Einsatz, wird die Segelnationalmannschaft aber zur Halbzeit der neuntägigen Regattawoche an der Förde komplett antreten.
Der 26. Juni steht im Olympiazentrum Kiel Schilksee ganz im Zeichen der fünf Ringe. Für den Nachmittag ist eine offizielle Vorstellung der Segel-Equipe für Team D auf der Bühne in der Audi Sailing Arena geplant. Wer die Frauen und Männer einmal persönlich erleben will, die in Frankreich unter Segeln, als Windsurfer oder Kiter auf Medaillenjagd gehen, der hat dazu am Mittwoch der Kieler Woche inklusive Autogrammstunde und Bühnen-Interviews die beste Chance.