Nach Sonne satt zum Kieler-Woche-Auftakt gab es auch zum Ende noch einmal sonniges Traumwetter mit knackigen Winden: Wer an diesem Sonntag noch das Regattasegeln der 131. Kieler Woche genießen durfte, der wird sie als sehr sportlich in Erinnerung behalten. Dass zwischendurch in der neuntägigen Regattawoche auch starke und stürmische Winde und heftiger Regen die Segler prüften, darf sportlich wie auch im übertragenen Sinne verstanden werden.
Sportlich waren die Linsen der TV-Kameras und die Augen der Fans am letzten Kieler-Woche-Tag zunächst auf die finalen beiden olympischen Wettbewerbe gerichtet: Schon ab späten Vormittag standen die Medaillenrennen für die jeweils besten zehn Akteure der 470er-Mixed und der Nacra-17-Konkurrenz beim deutschen Event des neuen Sailing Grand Slam mit fünf Regattaklassikern in Europa und den USA auf dem Programm.
In guten bis frischen Winden zwischen 14 und 20 Knoten kreuzten die Favoriten und ihre Jäger an der Startlinie auf. Kleine Schaumkrönchen auf den Wellen zeigten an, dass es sonnig, aber druckvoll zur Sache gehen würde. Zuerst waren die 470er-Duos gefordert, bei denen die britischen WM-Dritten Martin Wrigley und Bettine Harris als Spitzenreiter ins Rennen gingen – und ihre Position mit einem souveränen Finalsieg verteidigten. Sie gewannen Kieler-Woche-Gold vor den furios attackierenden spanischen Weltmeistern Jordi Xammar und Marta Cardona, deren Segelgala bildschön anzusehen war.
Du musst ein sehr guter Segler sein, um hier erfolgreich zu sein. Genau das macht es so cool.” Jordi Xammar
Übertragen wurden die Medaillenrennen und weitere Wettfahrten vom Kieler-Woche-TV, so dass Fans in aller Welt und auch das Millionenpublikum in der Kieler Innenstadt live dabei sein konnten. Das Olympiazentrum Kiel-Schilksee, so eine Schätzung der Veranstalter, haben über neun Tage rund 100.000 Gäste mit Interesse für den Segelsport besucht. Jordi Xammar machte der Kieler Woche bei seinem Einsatz schon während der Regatta ein schönes Kompliment, sagte: “Wir sind sehr happy, hier zu sein. Es ist eines der besten Events in der Welt, ein Super-Wettkampf, gut organisiert.”
Erfolgreichste deutsche Akteure waren im 470er-Mixed-Finale Theresa Löffler und Christopher Hoerr (Lausanne/Röthenbach), die mit Rang drei noch auf Platz fünf vorrückten. «Man möchte beim Heimspiel gerne eine Medaille gewinnen, aber es war eine durchwachsene Woche. Wir sind froh, noch Plätze gutgemacht zu haben», sagte Steuerfrau Theresa Löffler.
Als zweites deutsches Team hatten sich Malte Winkel und Paula Schütze (Schweriner Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein) mit Platz zehn für das 470er-Mixed-Finale qualifiziert. Auch sie konnten sich trotz Materialbruch (Cunningham-Softschäkelbruch) und blockiertem Spifall beim Bergen im Rennen mit Rang vier noch auf Platz neun der Kieler-Woche-Wertung verbessern. Was nicht da ist, wo der auf Kurs Olympia 2024 mit seiner früheren Vorschoterin Anastasiya Winkel im nationalen Kampf ums Olympia-Ticket nur knapp gescheiterte Steuermann möglichst bald wieder hin will.
Seine neu formierte Crew will im kommenden Jahr um einen Kaderplatz kämpfen. Malte Winkel sagte in Kiel: „Wir haben das Gefühl, das die Ergebnisse unserer ersten Saison nicht widerspiegeln, was wir in der Winterphase gemacht haben. Wenn wir die Ergebnisse aber einmal weglassen, dann bin ich sehr happy, wie weit wir schon gekommen sind. Ich bin überzeugt, dass wir uns in sehr kurzer Zeit wieder mit den anderen in der Weltspitze messen können.“
Das anschließend ausgetragene Nacra-17-Medaillenrennen geriet in zunehmenden Winden zum heißen Ritt über die Wellen. Den Sieg holten sich trotz eines Nodesdives die jungen Australier Brin Liddel und Rhiannan Brown aus dem Talentprogramm von Coach Darren Bundock. Damit rückte die Crew vom Wangi Sailing Club am Lake Macquarie in New South Wales den beiden Top-Crews aus Frankreich und Großbritannien noch einmal ganz nah. In der Endabrechnung freute sich das junge Duo aus Down Under über Kieler-Woche-Bronze hinter den Franzosen Tim Mourniac/Aloise Retournaz und den miteinander verheirateten Briten John Gimson und Anna Burnet.
Das Champagner-Segeln der foilenden Katamarane setzte den Schlusspunkt hinter die Wettbewerbe in acht von zehn olympischen Disziplinen. Am Comeback der Kiter wollen die Kieler auch fürs kommende Jahr wieder arbeiten. In Abwesenheit deutscher Top-Crews wie Simon Diesch/Anna Markfort (470er-Mixed) oder Richard Schultheis/Fabian Rieger (49er), die beide aufgrund von Terminüberschneidungen des Steuermanns schweren Herzens fürs Heimspiel hatten passen müssen, betrug der Ausbeute der deutschen Nationalsegler drei Medaillen, drei vierte Plätze und vier weitere Top-Ten-Platzierungen.
Auffällig war, dass in einigen olympischen Disziplinen wieder mehr Spitzensegler am Start waren. Dafür hatten auch die deutschen Olympiasegler bei internationalen Events in ihren Klassen stark geworben. Zu den Ergebnissen aller Klassen bei der Kieler Woche geht es hier. Überwiegend gute bis sehr gute Bedingungen genossen die internationalen Klassen in der zweiten Kieler-Woche-Halbzeit. Die kräftigen Winde machten die Förde dabei zu einem Spielplatz, auf dem Athletik und und Bootshandling zu gefragten Eigenschaften wurden.
Für Heiko Kröger war das kein Problem. Mit seiner Serie von ersten und zweiten Rängen hatte er sich seinen Kieler-Woche-Titel Nummer 15 schon vor dem letzten Finaltag verdient. Neun Siege würden ihm zum Kieler-Woche-Rekord von Wolfgang Hunger, der auf der Förde 24 Male gewinnen könnte, noch fehlen. Heiko Krögers Fazit: „Wir hatten super Wettfahrten. Wind und Kurse waren gut, wir hatten minimale Wartezeiten zwischen den Rennen. Das lief alles reibungslos.“ Aufs Podium segelten im Ein-Personen-Kielboot 2.4mR auch Christoph Trömer (Plau) und Frank Huth aus Norwegen.
Im hochklassig besetzten Feld der 50 OK-Jollen spitzte sich gegen Ende der Zweikampf zwischen dem schwedischen Kieler-Woche-Titelverteidiger Niklas Edler und dem dreimaligen Weltmeister André Budzien aus Schwerin mit seinem neuen Boot zu. Vor dem Finale war Budzien bis auf einen Punkt an den Skandinavier herangekommen, doch Edler konnte kontern und setzte sich durch.
Während die OK-Jollen auf ihre WM im September zusteuern, sind die Contender-Besten zu ihrer WM bereits im Juli auf dem Gardasee gefordert. Christoph Homeier ist bereit. Das hat der Bremer mit seinem Kieler-Woche-Sieg klargestellt, bei dem er den mehrfachen dänischen Europameister Jesper Armbrust und den australischen 2022er-Weltmeister Mark Bulka auf die Plätze zwei und drei verwies. Im Flying Dutchman ließen die Ungarn Szabolcs Majthenyi/András Domokos mit ihrem Sieg einmal mehr leicht aussehen, was so anspruchsvoll ist.
„Es müsste der neunte oder zehnte Sieg sein. Genau wissen wir das nicht. Aber es war wohl der härteste: An drei der vier Tage hatten wir wirklich harte Winde. Gerade am vorletzten Tag mit vier Wettfahrten war es sehr kräftezehrend“, sagte berichtete FD-Steuermann Majthenyi. Gemeinsam mit seinem Vorschoter trotzte er einer Frühstart-Disqualifikation im ersten Rennen und fuhr mit sechs Rennsiegen noch auf Platz eins. Damit verwiesen die Ungarn die in diesem Jahr erstmals zum WM-Sieg gesegelten Kilian König und Kai Schäfers (Hannover/Edersee) auf Platz zwei.
In der J/70 segelte der dänische Profi Sten Mohr mit seiner Crew souverän zum Sieg. Kai-Uwe Hollweg (Bremen) und Michael Grau (Hamburg) mussten jeweils eine mäßige Platzierung in die Rechnung reinnehmen und konnten Mohr nicht mehr zwingend attackieren. Beeindruckend war der Auftritt des jungen Maltesers Timmy Vassallo im Ilca4. Acht Siege in zehn Wettfahrten fuhr der Mann von der Inselgruppe im Mittelmeer ein.
Für goldene Momente sorgte am Kieler-Woche-Finaltag der DSV-Nachwuchs. Levian Büscher (Düsseldorfer Yacht-Club), U17-Bronzemedaillengewinner bei der Weltmeisterschaft der ILCA 6, setzte sich gegen 119 Konkurrenten durch und gewann die offen ausgetragene ILCA-6-Serie. Der Sechzehnjährige zieht im Sommer ins Sportinternat in Kiel und zählt zu den Nachwuchstalenten des German Sailing Teams.
Im 420er siegten mit Moritz Borowiak und Noel Jonas Theiner (Schweriner Segler-Verein) zwei Segler aus Mecklenburg-Vorpommern, die bereits die YES für sich entscheiden konnten. Die Schweriner ließen 39 weitere Duos hinter sich und jubelten über Kieler-Woche-Gold in der olympischen Nachwuchsklasse. Auf den zweiten Rang kamen Jacob Cross und Finn Weigt vom Segelclub Rheingau.
Von den Teenagern bis hin zu den Olympiastars, von den internationalen Bootsklassen über die Boardsportler in der neuen “KiWo”-Dependence Stein bis hin zu den Seeseglern: die Mehrheit der Segler und Seglerinnen hat diese 131. Kieler Woche genossen. Dass es in einigen Klassen nicht nur wetterbedingte Ausfälle, nicht festzumachende Startschiffe, Kommunikationsprobleme, späte Ergebnisse und auch direkte und offene Auseinandersetzungen darüber gab, ist inzwischen bekannt. Weder Veranstalter noch ihre Kritiker, die auch in Seesegelkreisen zu finden waren, hatten die Themen am Sonntagabend schon gänzlich abgehakt.
So ging Sportchef Dirk Ramhorst in seinem Kieler-Woche-Fazit noch einmal auf die von Aktiven wie dem 2020er-Ilca-7-Weltmeister Philipp Buhl (Sonthofen) und weiteren Seglern geäußerte Kritik an einigen Bereichen der Sportorganisation ein, sagte im Kieler-Woche-TV: “Wir haben zugehört. Das müssen wir noch besser machen. Aber wir tun jedes Jahr unser Allermeistes, um zu zeigen: Wir können Olympia. Wir sind olympiareif.”
Der ehemalige Aktivensprecher Buhl hatte die Kieler Woche in einigen sportlichen Bereichen als «nicht olympiareif» bezeichnet und am Finaltag in einem via soziale Netzwerke verbreiteten Statement auf «erkennbare strukturelle Defizite» hingewiesen. Seine Kritik betraf Rennausfälle in Folge von Problemen mit der Verankerung von Startschiffen, aber auch die Kommunikation mit den Sportlern und weitere Punkte. Buhl schrieb aber auch, er unterstütze Olympische Spiele in Deutschland, «gerne auch mit Kiel als Austragungsort». Dazu notierte er: «Die Optimierung des sportlichen Teils der Kieler Woche könnte die Chancen auf den Zuschlag deutlich erhöhen.»
Seid mutig und sagt uns eure Meinung.” Dirk Ramhorst
Im Hauptquartier der Kieler Woche war man am Abend intensiv darum bemüht, die hochgeschlagenen Wellen im Disput zu glätten. In einem aktuell aufgenommenem Clip, der über die Kanäle von “Kieler Woche Sailing” in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde, hat Dirk Ramhorst die Teilnehmer dazu aufgerufen, ihre Eindrücke von der Kieler Woche wiederzugeben.
Im Clip bedankt sich Dirk Ramhorst bei den Kieler-Woche-Aktiven und sagt: “Euer Feedback und Eure Kritik ist für uns von größter Bedeutung. Aus diesem Grund werden wir Euch in den nächsten Tagen eine Umfrage schicken. Wir wollen wirklich wissen, wie die Situation ist, was wir verbessern können, was wir bewahren können. Vielleicht teilt ihr auch eure Ideen mit uns, die wir möglicherweise noch nicht vor Augen habe, ”, sagte der Sportchef. Das Echo darauf könnte so breitgefächert ausfallen, wie das Programm der Kieler Woche elbst ist.
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