40 Knoten in einigen Spitzen, immer wieder Böen von 30 bis 35 Knoten und im Mittel Winde in der Mitte der Zwanziger – die Seesegler der Internationalen Deutschen Meisterschaft hatten auch am Dienstag beim “Schlittenfahren” auf der Förde alle Hände voll zu tun. Viele Crews genossen die sportliche Herausforderung. Allen voran die neuen Inshore-Meister: das Team um Jesper Radich auf der XR41 “Formula X” in ORC A&B und Torsten Bastiansens Crew auf der X-35 “Sydbank” in ORC C&D.
IDM-Silber und Bronze gingen in der großen ORC-Division an Pietro Bianchis XR41 und das Team um Erik Stannow auf der jüngsten XR41 “Dixi 5”. In der Gruppe der kleineren Boote segelten hinter der “Sydbank” vom Flensborg Yacht Club Patrik Forsgrens modifizierte First 36.7 “Garmin Team Pro4u” und Jürgen Klinghardts Italia 9.98 “Patent 4” aufs Podium.
Das Rennen forderte die IDM-Teilnehmer noch einmal stark. Auf Jens Kuphals am Vortag noch auf Vizemeisterschaftskurs segelnde XR41 “eXciter” platzte ausgerechnet im finalen Lauf der IDM-Inshore-Serie ein Schäkel. “Dadurch kam die Fock von oben”, so Kuphal. Die Crew musste das Rennen abbrechen und sich von den Podestträumen verabschieden. “Und das im letzten Rennen der Regatta – ohne Worte”, kommentierte Kuphal das Malheur.
Bei den Bedingungen aber habe er niemanden in den Mast ziehen wollen, um das Fall wieder einzufangen, so Kuphal. Weiter sagte der Berliner: „Sehr ärgerlich, dass wir durch den Schaden und ein schlechtes Rennen die Medaille verloren haben. Aber so ist es eben: Segeln ist ein technischer Sport.“ Statt Podium stand am Ende Platz fünf in der Liste.
Ihren auffälligen Aufwärtstrend setzte an Tag vier der Kieler Woche bei der IDM Inshore die mit dänisch-deutscher Crew stark segelnde “Dixi 5” von Erik Stannow fort. Die Mannschaft hat ihre neue XR41 erst vor einer Woche von der Werft abgeholt und das Boot in imposantem Tempo auf Ballhöhe zu den anderen XR41-Schwestern gebracht. Gordon Nickel, RVS-Boss Bertil Balser und Bendix Hügelmann zählen hier zu den Pacemakern.
Gordon Nickel sagte nach dem letzten Lauf: “Wir haben eine Minute nach dem Start die Info bekommen, dass wir Frühstarter waren. Den haben wir bereinigt und dann wirklich gepowert. Das war heute definitiv unser bestes Rennen.” Eigner Erik Stannow sagte: “Wir sind super happy. Wir haben alle zwölf und mehr Stunden pro Tag gearbeitet, um das neue Boot hier in dieser Form an die Startlinie zu bringen. Das Ergebnis ist ein Beweis für die Leistungsfähigkeit dieses Teams.”
Erik Stannow hatte die XR41 nach gründlicher Abwägung erst im November gekauft. Der Präsident des Helsingør Sejlklub und Mitorganisator von Seeland Rund hatte mit dem Team zuvor erfolgreich die X-41 “Dixi 4” gesegelt. “Wir haben mit Blick auf diese Saison und die WM im August in Tallin Listen gemacht, die Pros und Contras für oder gegen ein neues Boot aufgelistet. Am Ende überwogen die Pros. Und wir haben es auch als spannende Herausforderung angenommen, das Boot binnen sehr kurzer Zeit fit zu machen.”
Das Boot ist schnell wie ein Raketenschiff.” Erik Stannow
Nach dem ersten Regattaeinsatz sind alle “Dixi 5”-Segler begeistert. Erik Stannow sagte: “Das Boot ist schnell , super stabil und macht viel Spaß zu segeln. Downwind sind wir heute mit zwölf bis 17 Knoten gesegelt.” Diplomatisch äußerte sich Erik Stannow zum Kritikhagel auf der Seebahn und auch bei den Jollen zu den Schwierigkeiten diverser Startboote mit der Verankerung. Weil sich die Startboote wiederholt losrissen, wurden auf der Seebahn sowohl am Montag als auch am Dienstag nur jeweils ein Rennen ausgetragen.
Erik Stannow sagte: “Normalerweise ist es in Kiel immer sehr gut. Hier investieren Leute in der Wettfahrtleitung ihren Urlaub, damit wir unsere Rennen segeln können. Da könnte man ihnen wenigstens Boote geben, mit denen das gut möglich ist. Wir haben ja auch mit elf Crew-Mitgliedern einiges investiert und unser Boot hergebracht, damit wir racen können. Wir sind schon ein wenig enttäuscht, dass es nicht mehr Rennen gab.”
Mehr als enttäuscht reagierte “patent 4”-Eigner Jürgen Klinghardt, der das Wohl und Weh seiner Crew um Skipper Oliver Voss dieses Mal aus der Ferne verfolgte. Nach zwei Renntagen mit jeweils nur einer Wettfahrt schrieb Jürgen Klinghardt: “Wir fühlen uns um die Chance, die IDM Inshore noch zu unseren Gunsten entscheiden zu können, betrogen.”
Die Kritik richtete sich nur anfänglich gegen die Wettfahrtleitung um Stefan Kunstmann, doch die war mit dem gegebenen Startboot machtlos, hatte sich sogar nach dem Kurzprogramm am Montag erneut bis in den Abend intensiv um einen Austausch des auch laut Pricipal Race Officer Eckart Reinke nicht für Starkwinde geeigneten Bootes bemüht. Doch der Austausch kam nicht zustande.
Eckart Reinke sagte: “Das hat mich heute mitten ins Herz getroffen. Ich, der doch eher als Starkwind-Mann bekannt ist, kann doch nicht der Erste sein, der reinfahren muss! Wir stehen eigentlich eher für das Gegenteil und sitzen mit den Crews in einem Boot.”
Unmut gab es auch in der Ilca-7-Klasse, weil in knackigen, aber für die Olympia-Jollen gut machbaren Winden das Startschiff «umhertrieb», wie Philipp Buhl berichtete. Die Klasse des Weltmeisters von 2020 hatte deshalb nach nur einem Rennen am Dienstag so lange warten müssen, dass die Segler fast wie bei einem Boykott von alleine in den Hafen zurücksegelten. Die Wettfahrtleitung folgte, so erzählte es Buhl.
Schon am Vortag hatten sich die Ilca-7-Segler mit reichlich Proviant an Bord auf vier Rennen vorbereitet, waren aber nach zwei Läufen in laut Buhl «besten Bedingungen» ins Olympiazentrum Kiel-Schilksee zurückgeschickt worden. Buhls Fazit: “Das ist ein Trauerspiel und nicht olympiareif. Hier kommen Leute von weit her, junge Segler betteln bei Eltern und Sponsoren, investieren viel. Und dann wird nicht gesegelt, weil angeblich zu viel Wind ist, obwohl der für unsere Klasse sehr gut machbar ist. Oder weil die Anker nicht halten. Dafür möchte ich der Wettfahrtleitung gar keine Vorwürfe machen, aber das ist einfach nicht gut.”
Am Morgen hatte Philipp Buhl wie weitere Ilca-7-Segler die Mitnahme einer Anbord-Kamera verweigert, weil für Boote ohne Kamera kein Ausgleichsgewicht zur Verfügung stand. “Ich möchte Gerechtigkeit. Marcus Baur (Red.: ehemaliger 49er-Olympiateilnehmer) hat solche Gewichte mal aus Fairness-Gründen angeschafft. Sie liegen bei ihm im Keller. Man müsste sie nur abholen.”
Die Kritik bezüglich der Startboote beantwortete Kieler-Woche-Sportchef Dirk Ramhorst am Dienstagabend in Kiel: “Wir haben da in der Tat eine Baustelle beim Thema: Welche Boote haben wir? Welche Ankerketten haben die? Und am Ende auch Eigner, die bei bestimmten Bedingungen nein sagen. So hatten wir heute auf der Seebahn suboptimale Bedingungen. Das Thema ist nicht neu und wir überlegen, uns für die Zukunft vielleicht mit mehreren Vereinen ein Schiff anzueignen.”
Die deutschen Olympia-Segler und -Windsurfer ziehen am Mittwoch mit zehn Booten und Boards in die Medaillenrennen und Finalserien ein. Um Kieler-Woche Gold kämpfen die im 49erFX führenden Sophie Steinlein/Catherine Bartelheimer (Norddeutscher Regatta Verein) und – 6,3 Punkte hinter ihnen liegend – die Olympia-Sechsten Marla Bergmann/Hanna Wille vom Mühlenberger Segel-Club. 16,3 Punkte hinter den Spitzenreiterinnen können als Fünfte nach neun Wettfahrten auch Katharina Schachhofer/Elena Stoltze noch in die Medaillenränge vordringen. Dazu stehen als Nachwuchs-Crew im FX-Feld Lucas und Moritz Hamm im Finale.
Im Ilca 7 kann Philipp Buhl im Medal Race als Vierter mit drei Punkten Rückstand auf den drittplatzierten Iren Finn Lynch noch Bronze erreichen. Als Neunter hat sich auch Justin Barth (Berliner Yacht-Club) für das Medaillenrennen der Top Ten qualifiziert. Jacob Meggendorfer und Andreas Spranger haben in ihrem 49er-Finale als Dritte 5,4 Punkte Rückstand auf die Franzosen Erwan Fischer/Clément Pequin aufzuholen, wollen sie noch ran ans Kieler-Woche-Gold. Der Kieler Windsurfer Fabian Wolf zieht als starker Spitzenreiter in die iQFOiL-Finalserie ein, die auch Max Körner (Münchner Yacht-Club) erreicht hat. iQFOiL-Ass Sophia Meyer vom Verein Seglerhaus am Wannsee geht am Mittwoch als Zweite in die Windsurf-Entscheidung.