Kieler WocheErst böiger Auftakt mit Bruch, dann sonniges Vergnügen – 130. Kieler Woche eröffnet

Tatjana Pokorny

 · 22.06.2024

Druckvoll ging es zu am ersten Tag der 130. Kieler Woche
Foto: ChristianBeeck.de
Deutschlands älteste und größte Segelwoche läuft. Mit der traditionellen Aalregatta und den Auftaktrennen der olympischen Klassen startete die 130. Kieler Woche am Samstag in ihr Segelfest auf der Förde. Am Mittag stieg auf der großen Bühne der Audi Sailing Arena im Olympiazentrum Kiel-Schilksee die offizielle Eröffnung. Da hatten die ersten Aalregatta-Boote Eckernförde schon erreicht, während die olympischen Klassen in der Strander Bucht und auf den weiteren Jollenkursen gefordert waren.

Für die Kielbootsegler brachte die Aalregatta einen harten Einstieg in diese 130. Kieler Woche: Bei der der 27,5 Seemeilen langen Auftaktwettfahrt von Kiel nach Eckernförde, wurden die Crews im Startgebiet vor dem Sportboothafen Düsternbrook auf der Innenförde unter grauem Himmel von druckvollen, westlichen Böen empfangen. Auf der offenen See, noch bevor die ersten Jollenklassen unterwegs waren und die Kieler Woche 2024 mittags offiziell eröffnet wurde, ging es dann richtig zur Sache mit Winden um sechs bis sieben Beaufort beim Kieler Leuchtturm. Als der Kurs schließlich mit Kreuzschlägen durch die Eckernförde Bucht ins Ziel führte, stand auch noch eine kurze, steile Wellen gegenan.

Maxi “Calypso” holt die Line Honours

Dort zollten einige Teams im Feld der knapp 200 Yachten den ruppigen Bedingungen Tribut und mussten teilweise mit Bruch aufgeben. Besser lief es für die großen ORC-Yachten der ersten Startgruppe, die mit viel Speed durch die Wellen pflügten. Allen voran die “Calypso“ von Gerhard Clausen (Hamburg). Der 75 Fuß lange Maxi war zum Start um 9.05 Uhr zwar etwas zurückhaltend, zog dann aber schnell an der Konkurrenz vorbei und lief schließlich um 12.22 Uhr als erste Yacht in Eckernförde ein – dicht gefolgt von der um 35 Fuß kleineren „X-Day“ um Skipper Lars Hückstädt aus Plön und der „Red“ von Skipper Paul Posch aus Hamburg.

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Wir haben teilweise auf eine kleinere Besegelung gesetzt. Das war auch nicht langsamer.” Gerhard Clausen

„Es war ein angenehmes Rennen mit etwas weniger Konkurrenz als in den vergangenen Jahren, so dass wir uns schnell an die Spitze setzen konnten“, zog Gerhard Clausen Bilanz. Auf den Kursen unter Gennaker zeigten die deutlich leichteren Yachten zwar ein ähnliches Speedpotenzial, doch auf dem Halbwind- und später auch auf dem Amwindkurs konnte sich der Maxi absetzen. „Wir haben teilweise auf eine kleinere Besegelung gesetzt. Das war auch nicht langsamer“, berichtete Gerhard Clausen. Berechnet musste sich die „Calypso“ zwar geschlagen geben, durfte sich aber mit dem Titel als „First Ship Home“ schmücken, da auch die später gestarteten Mehrrumpfboote nicht schneller über den Kurs kamen. Berechnet siegte in der Gruppe der großen Yachten die „Surprise“ mit Steuerfrau Marie Becker.

Die Aalregatta verbindet Kiel und Eckernförde

Zu den zehn Starts vom Wettfahrtleiterteam um Ralf Paulsen waren schon einige Gäste an die Kiellinie gekommen und politische Kräfte aus Kiel und Eckernförde auf den Startturm. Eckernfördes Bürgermeisterin Iris Ploog schickte die Teams in Kiel auf die Reise, um sie einige Stunden später in ihrer Heimat wieder in Empfang zu nehmen, und sagte: „Die Aalregatta hat eine lange Tradition und ist ein schönes Zeichen der Verbundenheit zwischen den beiden Städten.“ Dass die Crews zum Kieler-Woche-Auftakt diesmal im Clubhafen des SC Eckernförde (SCE) und nicht im Stadthafen anlegen, sah die Eckernförder Verwaltungschefin mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Natürlich gibt es Publikum, das die Yachten im Herzen der Stadt vermisst. Aber der SCE hat sich viel Mühe gegeben. Es für die Aktiven sicherlich ein schönes Erlebnis.“

Es ist total cool, hier dabei zu sein, denn Segeln ist einfach prägend für Schleswig-Holstein.” Magdalena Finke

Die ersten Yachten hatten das Rennen schon vor der offiziellen Eröffnung der Segelwettbewerbe beendet. Um 13 Uhr kamen auf der Bühne der Audi Sailing Arena im Olympiahafen von Schilksee das offizielle “Eröffnungskomittee” zusammen, um mit lautem und langem Hupen aus sechs Tröten die neuntägige Regattawoche “anzupfeifen”. Magdalena Finke, Staatssekretärin in Schleswig-Holsteins Innenministerium und zuständig für Sport, freute sich nach eigenen Worten „wie Bolle“. „Es ist total cool, hier dabei zu sein, denn Segeln ist einfach prägend für Schleswig-Holstein. Wir geben als Land gemeinsam mit der Stadt viel Geld für Schilksee aus, denn unsere besten Athletinnen und Athleten brauchen auch die beste Infrastruktur.“

Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer hat in diesem Sommer vielfach Grund, den Segelsport zu feiern: „Ich habe die Freude der OB einer Stadt zu sein, in der es erstklassigen Fußball, Handball und Segelsport gibt. Es gibt nur wenig Städte in der Größe von Kiel, die das bieten können.“ Aufwiegen wollte Kämpfer die Sportarten nicht gegeneinander, sagte aber: „Der Segelsport steht für sich. In Kiel kennt man nur die Zeiten vor, während und nach der Kieler Woche.“

Einmalige Vielfalt bei der Kieler Woche

Ein wiederkehrender Kieler-Woche-Gastspieler ist Heiko Kröger. Der Paralympics-Sieger von 2000 ist auch in diesem Jahr in der Inklusionsklasse 2.4mR dabei, misst sich mit der Weltspitze im Ein-Personen-Kielboot. Da seine Serie erst mit der zweiten Kieler-Woche-Halbzeit ab Donnerstag beginnt, konnte der vielfache Weltmeister bei der Eröffnung dabei sein und lobte dabei die gute Kieler Arbeit für seinen Sport: „In Kiel wurde der paralympische Segelsport schon sehr früh ins Programm aufgenommen. Die Bedingungen sind beispielhaft. Und beim Segeln ist die inklusive Beteiligung herausragend. Das ist in anderen Sportarten so nicht möglich.“

Segeln ist einfach die Seele des Wassersports.” Wolfram N. Diener

Ein großes Anliegen ist die Inklusion auch für die Messe Düsseldorf und die größte Wassersportausstellung der Welt, die boot. „Wir haben in Düsseldorf die RehaCare, die weltgrößte Messe mit Innovationen für Menschen mit Behinderungen. Und zur boot richten wir mit dem DSV den inklusiven Tag des Segelns aus“, sagte Wolfram N. Diener, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messegesellschaft Düsseldorf. Mit der Kieler Woche verbindet die boot eine jahrzehntelange Partnerschaft, die laut Diener eine echte Herzensangelegenheit sei: „Das ist eine gewachsene Freundschaft. Es ist immer schön, zur boot im Januar, das Regattaprogramm der Kieler Woche verkünden zu können. Segeln ist einfach die Seele des Wassersports.“

Zur Kieler Woche wird das in einmaliger Vielfalt präsentiert. Nach der Eröffnung starteten zunächst die fünf olympischen Disziplinen ILCA 6, ILCA 7, 49erFX, 49er und 470er sowie die Nachwuchsklassen 29er und 420er in ihre Regatta Sie sorgten nach der Aalregatta in der Innenförde auch auf der Außenförde und in der Strander Bucht für spannende Segelwettbewerbe. Dabei waren viele Augen auf das mit mehreren Medaillenkandidaten für Marseille stark besetzte Ilca-7-Feld gerichtet.

Weltklasse-Trio macht sich fit für Olympia

Hier messen sich mit dem 2020er-Weltmeister Philipp Buhl, dem 2022er-Weltmeister Jean-Baptiste Bernaz und dem norwegischen Olympia-Dritten Herrman Tomasgaard drei Weltklasseathleten, die sich als Wegggefährten und Rivalen in einer Trainingsgruppe auf ihren olympischen Gipfelsturm in Marseille vorbereiten. Das Trio hat sich bewusst für den Kieler-Woche-Start entschieden. “Die Kieler Woche ist eine berühmte Regatta und für uns ein guter letzter Check”, sagte Jean-Baptiste Bernaz, der zu Frankreichs Hoffnungsträgern für die Olympiaregatta zählt. “Er ist ein sehr kompletter Segler. Das hat er heute in allen Bereichen gezeigt”, sagte Philipp Buhl über den Franzosen, der sich mit drei Rennsiegen an die Spitze des Feldes katapultierte.

Buhl selbst eröffnete die Kieler Woche mit den Rängen 3, 15 und 2 als Dritter fast ebenso vielversprechend, auch wenn er seine Downwinds als “etwas zäh” empfand. Dafür waren ihm alle drai Starts und auch anderes gut gelungen. Auch Hermann Tomasgaard blieb als Sechster nach drei Rennen in Schlagdistanz. Während die aktuellen Ilca-7-Klassenbesten – der Olympiasieger und Weltmeister Matt Wearn aus Australien und der Brite Michael Beckett – die Kieler Woche auslassen und das Olympiarevier in Marseille im Visier behalten, haben sich die drei Jäger bewusst für den Regattastart im deutschen Norden entschieden.

“Hier kann man auch noch mal was trainieren, was vielleicht nicht jeder sehen soll”, sagte Buhl, der im Heimatrevier auch die “mentale Erfrischung vom heißen Marseille” und eine letzte Auszeit vom Training im Olympiarevier sucht. “Revierkenntnisse sind schön zu haben, aber irgendwann kennt man es auch. Und wir haben noch andere Prioritäten”, so Buhl.

Tag eins der Kieler Woche – die Ilca-7-Rennen in der Wiederholung:

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