Kieler WocheAntritt, Auftritt und Abschied – die Olympiamannschaft kommt zur Kieler Woche

Tatjana Pokorny

 · 17.06.2024

Philipp Buhl nimmt gut einen Monat vor Olympia für die Kieler Woche im Heimatrevier noch einmal die Regattasegel dicht
Foto: Jack Fletcher
Wenn am 22. Juni die ersten Startschüsse zur 130. Kieler Woche fallen, steht der Auftakt im Zeichen der traditionellen Aalregatta – und der Olympioniken. Die Segelnationalmannschaft hat sich für die Olympia-Regatta in Marseille formiert und feiert am 26. Juni beim Finale der ersten olympischen Kieler-Woche-Halbzeit in Schilksee ihren Abschied vom Heimatrevier, bevor es nach Frankreich auf Medaillenjagd geht. Nicht alle, aber einige Top-Akteure sind auf der Förde vor dem Abschiedsfest auch im Regatteinsatz. Insgesamt werden rund 3000 Aktive erwartet.

“Die Kieler Woche ist ein willkommenes Heimspiel und bleibt für uns gesetzt. Auch kurz vor Olympia ist ein Top-Wettkampf wertvoller als ein Reviertraining”, sagt DSV-Trainer Alex Schlonski. Der Coach von Deutschlands bestem Ilca-7-Steuermann Philipp Buhl und seinen Mitstreitern im German Sailing Team weiß, wovon er spricht. Alex Schlonski ist bei Philipp Buhls drittem olympischen Gipfelsturm zum zweiten Mal als Coach an der Seite des Allgäuers.

Kieler Wochen sind meistens schön. Jeder will da gewinnen.” Philipp Buhl

Die Trainingsgruppe um den 2020er-Weltmeister Philipp Buhl, seinen jüngeren Landsmann Nik Aaron Willim, den französischen 2022er-Weltmeister Jean-Baptiste Bernaz und den norwegischen Olympia-Dritten Hermann Tomasgaard hat sich bewusst für den Start bei der Kieler Woche entschieden, während andere internationale Olympiateilnahmer auf weitere Regattapraxis verzichten.

Top-Act in Kiel: die Asse der Ilca-7-Klasse

Philipp Buhl will das letzte Kräftemessen vor dem olympischen Showdown in der Bucht von Marseille ab 28. Juli nutzen. Der 34-Jährige sagte: „Kieler Wochen sind meistens schön. Jeder will da gewinnen. Ich schöpfe in dieser Phase vor den Olympischen Spielen jede Woche immer neue Motivation für das große Ziel in Marseille und will auch die Kieler Woche auskosten.“ Buhl, Bernaz, Tomasgaard, Willim, weitere starke deutsche und internationale Akteure sowie insgesamt 120 Starter machen die Ilca-7-Klasse bei dieser Kieler Woche zum Top-Act unter den olympischen Disziplinen.

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Mit seinem Ja zu einer weiteren Olympia-Kampagne war Nik Aaron Willim am Montag vor der Kieler Woche zu Gast bei der Vorab-Pressekonferenz in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Dort sagte der 27-jährige Ilca-7-Steuermann, der sich nach hervorragendem Start in die nationale Olympia-Ausscheidung am Ende seinem Meister Philipp Buhl im Kampf um nur ein Olympia-Ticket hatte geschlagen geben müssen: “Ich habe lange überlegt, ob ich noch vier Jahre weitermachen soll. Aber jetzt aufzuhören, da ich bei der Weltspitze der Top-Ten anklopfe, kommt dann auch nicht in Frage.“

Nach abgeschlossener Bachelor-Arbeit will Nik Willim fürs Masterstudium mit dem Thema “Nachhaltige Innovationen” für zehn Monate nach Belgien gehen. Davor aber steht das am Samstag beginnende Heimspiel. “Die Kieler Woche will ich erstmal genießen, die ist immer ein tolles Highlight”, sagte Nik Willim.

Rund 3000 Aktive kreuzen zur Kieler Woche auf

Insgesamt werden rund 3000 Aktive ab Samstag in 16 olympischen und internationalen Jollen- und kleineren Kielbootklassen sowie auf den Seebahnen der größeren Yachten und bei Wettkämpfen der Marinekutter erwartet. Sportlich eröffnet wird die Kieler Woche von der traditionellen Aalregatta der größeren Boote nach Eckernförde sowie den Olympioniken. Im olympischen Bereich aber zollt die Kieler Woche ihrer zeitlichen Nähe zur Olympia-Regatta in der Bucht von Marseille viel Tribut. Die meisten Olympiastarter verzichten wenige Wochen vor ihrem Gipfelsturm auf den Start in Kiel. Ausgetragen werden auf der Kieler Förde nur fünf von zehn olympischen Segeldisziplinen.

Die Terminenge rund einen Monat vor den olympischen Segelwettbewerben bedeutet auch für uns eine Herausforderung, der wir aber überwiegend mit sehr stattlichen Meldezahlen Paroli bieten.” Dirk Ramhorst

Mit Blick auf die in anderen Bereichen besser gefüllten Felder sagte Kieler-Woche-Sportchef Dirk Ramhorst: «Die Terminenge rund einen Monat vor den olympischen Segelwettbewerben bedeutet auch für uns eine Herausforderung, der wir aber überwiegend mit sehr stattlichen Meldezahlen Paroli bieten.” Dass die Kieler Woche in vielen Bereichen ein Magnet für den Spitzensegelsport bleibt, beweisen etliche Namen. Auch wenn der Start der amtierenden Weltmeisterin und Olympiasiegerin Anne-Marie Rindom (Dänemark) in der Woche vor dem Regattastart noch fraglich war, kommt mit Maud Jayet die Schweizer Vizeweltmeisterin von 2023. Auch die Berlinerin Julia Büsselberg, die nach erfolgreicher Nationen-, aber knapp verpasster individueller Qualifikation noch auf ein Olympiastartplatz via Einzelfallantrag hofft, startet in Kiel.

Im Feld in der inklusiven 2.4mR-Klasse ist mit dem Paralympics-Sieger, Weltmeister und Titelträger Heiko Kröger aus Ammersbek, seiner Vize Meagan Pascoe aus Großbritannien und weiteren starken Startern zu rechnen, die sich bei der WM im August vor Schilksee erneut packende Kämpfe liefern dürften.

Flaggen aus 53 Nationen wehen in Kiel

Mitfavoritin im Eurocup der 29er, für den 140 Crews auf der Meldeliste stehen, ist mit Ewa Lewandowska die polnische Jugendweltmeisterin der Mädchen. Sie startet mit Vorschoter Krzysztof Królik. Auch die Youth-WM-Dritten Boróka und Szonja Fehér aus Ungarn wollen bei der Kieler Woche angreifen. Ihre Landsleute, die FD-Rekordweltmeister und amtierenden Vizeweltmeister Szabolcs Majthenyi/Andras Domokos, stehen ebenso auf der Meldeliste wie die Vorjahressieger: die amtierenden und 2022er-Weltmeister Kay-Uwe Lüdtke und Kai Schäfers.

Interessante Aufgaben hat auf Kurs Kieler Woche der Takelmeister zu lösen, der angesichts exotischer Nationenkürzel wie AFG, ESA, LCA oder SAM und ZIM tief ins Archiv der Landesflaggen greifen muss. Segler und Seglerinnen aus 53 Nationen wollen dabei sein, wenn die berühmte deutsche Segelserie ihre Herausforderer über neun Tage in unterschiedlichsten Klassen fordert.

Angeführt wird der multinationale Wettbewerb in der alphabetischen Reihenfolge von Afghanistan. Einzelmeldungen gingen aus El Salvador (ESA) und St. Lucia (LCA) sowie Guatemala, Indien, Luxemburg, Marokko, Mexiko, Malta, Singapur, Slowenien, Tunesien sowie last but not least Simbabwe (ZIM) ein. Von den Samoainseln nördlich von Neuseeland kommen sogar zwei Teilnehmende, von denen mit Vaimo'Oi'a Ripley vom Apia Yacht Club im ILCA 6 eine gleich zweimal an den Start geht: erst olympisch dann international. So lohnt sich die weite Reise doppelt. Das stärkste Aufgebot mit weit mehr als der Hälfte aller Wasserfahrzeuge kommt wenig überraschend aus dem Gastgeberland, traditionell gefolgt von Dänemark (85) knapp vor Schweden (82).

Das tägliche TV-Programm der Kieler Woche

KielerWoche.TV überträgt die Rennen täglich live von der Medienbahn. Zum Auftakt stehen hier die 49er-FX-Frauen im Rampenlicht. Es folgen die 49er am Sonntag, Ilca 7 am Montag, Ilca 6 am Dienstag und die Medaillenrennen am finalen Mittwoch der ersten Kieler-WOche-Hälfte. Ab Donnerstag werden die OK-Jollen mit mehr als 80 Booten am Start gezeigt. An den folgenden Tagen rücken Ilca 6 (open) und J/70 in den Fokus. Zum Abschluss am zweiten Sonntag ist die Übertragung der Rennen des Wingfoil-Coaching- und Demo-Events geplant. Die Übertragungen laufen nicht nur auf der Großbildleinwand der Bühne der Audi Sailing Arena und den Videoschirmen auf dem gesamten Hafengelände, sondern auch im Internet.

Weil das Olympiazentrum Kiel-Schilksee auch die Heimat des Deutschen Segler-Verbands (DSV) und Bundesstützpunkt ist, plant der Verband zur Kieler-Woche-Halbzeit eine Vorstellung und Verabschiedung seiner Olympiamannschaft für Paris 2024. Bevor am Mittwochnachmittag nach den Medaillenrennen die Kieler Woche-Champions 2024 geehrt werden, stehen ab 16 Uhr die deutschen Aktiven für Marseille auf der Bühne der Audi Sailing Arena. Anschließend ist Zeit für Autogramme und Selfies mit den Spitzensportlern. In acht von zehn Disziplinen gilt die Nominierung deutscher Olympiasegler, Surfer und Kiter durch den DOSB als sicher. Zu den Qualifizierten zählen auch die Lokalmatadoren und Olympia-Dritten von Japan, Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer im Nacra 17.

Ihre Heimatverbundenheit unterstreicht die Stranderin Susann Beucke am ersten Samstag der Kieler Woche. Die 49erFX-Silbermedaillengewinnerin von Japan wechselte nach ihrem Olympia-Erfolg mit Tina Lutz das Fach und stieg ins Hochseesegeln ein. Zwischen zwei Figaro-Regatten in Frankreich wird sie am Vormittag des 22. Juni im Helly-Hansen-Zelt eine Autogrammstunde geben, ihre Autobiografie “Gegen den Wind“ signieren und einen Vortrag für den Segelnachwuchs halten. Nachmittags geht die dann 33-Jährige als Schirmherrin mit dem inklusiven BAT Sailing Team aufs Wasser. Letzteres wird erneut mit seh- und hörbehinderten Seglern in der internationalen J/70-Klasse antreten.

Der KiWo-Trailer! Ein Ausblick auf neun Tage Segelsport und Festvergnügen satt:

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