128. Kieler WocheVolles Haus und Wonnewetter zum Auftakt: "Wo ist denn der Herr Hunger?"

Tatjana Pokorny

 · 18.06.2022

128. Kieler Woche: volles Haus und Wonnewetter zum Auftakt: "Wo ist denn der Herr Hunger?"Foto: ChristianBeeck.de/Kieler Woche
Pünktlicher Start für den Klassiker: Die Aalregatta markiert traditionell den Auftakt der Kielbootsegler zur Kieler Woche

Die Kieler Woche ist am Samstag mit vollem Programm optimal durchgestartet. Zur Eröffnung kamen alle Japan-Medaillengewinner. Aber ein Kieler-Woche-Star fehlte …

Die 128. Kieler Woche ist bei Wonnewetter mit vollem Segelprogramm durchgestartet. Auf den Seebahnen und in den Jollenklassen haben die ersten der insgesamt rund 4.000 Teilnehmer zum Auftakt am ersten Samstag der neuntägigen weltgrößten Segelserie 42 Wettfahrten bestritten. Die Eröffnung der Segelwettbewerbe zelebrierten im Olympia-Zentrum Kiel-Schilksee Stadtpräsident Hans-Werner Tovar und Oberbürgermeister Ulf Kämpfer mit den sechs Medaillengewinnern der Olympischen Spiele von Japan, Kieler-Woche-Sportchef Dirk Ramhorst und Wolfram Diener, Chef der Messe Düsseldorf. Ulf Kämpfer sagte: "Das Highlight wird für mich die Windjammerparade. Ich werde an Bord der 'Gorch Fock' sein. Endlich ist das wieder möglich." Zur Ausladung der russischen Marineschiffe von der Kieler Woche sagte er: "Russland hat sich entschieden, sich von der Weltgemeinschaft auszuschließen. Wir können daher zur Kieler Woche nicht so tun, als sei nichts gewesen."

  Im Yardstick-Feld auf nach Eckernförde: Viele Familien-Crews nehmen an der Kieler Woche teilFoto: ChristianBeeck.de/Kieler Woche
Im Yardstick-Feld auf nach Eckernförde: Viele Familien-Crews nehmen an der Kieler Woche teil

Parallel zur offiziellen Eröffnung legten die Aktiven in zehn internationalen Klassen auf sieben Bahnen los, während die olympischen Klassen erst ab Mittwoch gefordert sind. Bereits um neun Uhr hatte Seebahn-Chef Ralf Paulsen mit der Ankündigung für das Eröffnungsrennen der großen Kielboote das erste Schallsignal der Kieler Woche ertönen lassen. Zehn Sekunden vor dem Start setzten die Mutigen unter den Crews Gennaker oder Spi. Doch der Windwinkel erwies sich als sehr spitz und drehend. Die rot-graue "X-Day" wurde auf der rechten Kursseite auf die Seite geworfen, musste wegdrehen und hielt auf das nahende Ufer zu. Die Crew kämpfte mit dem Wind, ließ schließlich das große Tuch fallen. Die Amwind-Besegelung erwies sich aber nicht als Nachteil. Im Gegenteil: Auf der Außenbahn zog das Team von Eigner Walter Watermann (Kiel) bis zum Leuchtturm Friedrichsort an der Konkurrenz vorbei hinaus in die Kieler Bucht und weiter Richtung Eckernförde. Die ersten Yachten waren zügig im Ziel. Das größte Schiff der Aalregatta war dabei auch das schnellste. Um 12.35 Uhr kreuzte die 23 Meter lange "Calypso" von Gerhard Clausen (Kieler Yacht-Club) die Ziellinie vor Eckernförde. Die letzten Teams werden bis zum Abend erwartet. Alle werden traditionell mit je einem Räucheraal belohnt.

  Die "X-Day" kurz nach dem Start zur AalregattaFoto: ChristianBeeck.de/Kieler Woche
Die "X-Day" kurz nach dem Start zur Aalregatta

Nach zwei Jahren Corona-Verschiebung in den September wird Deutschlands bekannteste Regattaserie wieder an ihrem Stammtermin, der dritten vollen Juni-Woche, ausgetragen. In der 2.4-mR-Klasse übernahm Seriensieger Heiko Kröger mit einem zweiten Rang und zwei Tagessiegen direkt die Führung. Beim Euro Cup der 29er mischen nach Tag eins Carl Krause und Max Georgi vom Rostocker Segelverein "Citybootshafen" als Zweite mit zwei Tagessiegen in drei Rennen in der Spitze mit. Die 29er-Vorjahressieger Anton und Johann Sach kamen mit den Rängen 5, 3 und 1 immer besser in Fahrt und greifen am Sonntag als Siebte an. Mit André Budzien im OK Dinghy und Adrien-Paul Farien haben zwei weitere deutsche Segler zum Auftakt die Führung in ihren Klassen übernehmen können. Die anderen sechs internationalen Klassen werden zunächst auch von internationalen Teilnehmern angeführt. Hier geht es zu allen Kieler-Woche-Ergebnissen (bitte anklicken!).

Wolfgang Hunger: "Ich habe Hoffnung auf ein Comeback im kommenden Jahr"

  Ohne 505er bei der Kieler Woche können sie nicht den 25. Titel für Wolfgang Hunger jagen: Der Steuermann geht daher privat aufs Wasser und schaut zu, Vorschoter Holger Jess trainiert Deutschlands erfolgreichen 29er-NachwuchsFoto: Tati
Ohne 505er bei der Kieler Woche können sie nicht den 25. Titel für Wolfgang Hunger jagen: Der Steuermann geht daher privat aufs Wasser und schaut zu, Vorschoter Holger Jess trainiert Deutschlands erfolgreichen 29er-Nachwuchs

Die meistgestellte Frage am Eröffnungstag der neuntägigen weltgrößten Regattaserie aber war nicht etwa die nach möglichen Siegern, sondern die nach einem gut bekannten Lokalmatador: "Wo ist denn der Herr Hunger?" Der dreimalige Olympiateilnehmer, vielfache 470er- und 505er-Weltmeister und Kieler-Woche-Rekordsieger Wolfgang Hunger, der die Kieler Woche vor der eigenen Haustür in Strande bereits 24-mal gewinnen konnte, ist in diesem Jahr nach dem vorläufigen Aus für seine Paradedisziplin 505er zum Zuschauen verdammt. "Das ist sehr schade, gerade bei so schönem Segelwetter wie heute. Ich habe aber Hoffnung aufs Comeback im kommenden Jahr", sagte der Ausnahmesegler. Zu gern hätte er 140 Jahre nach der Kieler-Woche-Premiere im Jahr 1882 um seinen 25. Titel gekämpft. "Das ist natürlich eine schöne Zahl", sagte der 61-Jährige lächelnd und plante stattdessen einen Familienausflug aufs Wasser. Auf die Nicht-Teilnahme habe er sich über Monate vorbereiten können, weshalb sie nicht allzu schmerzhaft sei, sagte Hunger. "Ich bin Realist. Dann gehe ich eben nächste Woche arbeiten." Und Hunger sagte auch das: "Wir müssen als Klasse daran arbeiten, dass wir im nächsten Jahr wieder dabei sind." Ein wenig erinnert das Szenario an das olympische Aus für die Soling, in dessen Folge Jochen Schümann sein imposantes Medaillenkontingent von dreimal Gold und einmal Silber mangels passender Bootsklasse nicht mehr hatte erhöhen können. Bei der Kieler Woche sitzt nun vorerst Rekordjäger Hunger unfreiwillig auf der Zuschauerbank. Dem vorläufigen Kieler-Woche-Aus für die 505er waren einige "Eruptionen" im Verhältnis zwischen der Klasse und den Kieler-Woche-Organisatoren vorausgegangen. Die diplomatische Erklärung von Kieler-Woche-Regattadirigent Dirk Ramhorst zum Status quo: "Es gab unerfüllbare Forderungen der Klasse, aber ein Comeback in der Zukunft ist durchaus möglich." Es wäre gleichbedeutend mit dem Comeback von Klassen- und Kieler-Woche-König Wolfgang Hunger.

  Die olympischen Silbermedaillengewinnerinnen Tina Lutz und Susann Beucke (l.) im Gespräch mit Kieler-Woche-Pressesprecher Andreas Kling. Die Skiffseglerinnen sagen bei dieser Kieler Woche als Crew nach 15 Jahren gemeinsamer Olympia-Karriere in einem Boot servus, tschüs, aber auch auf Wiedersehen. Die Sportpartnerschaft hatte mit dem Kennenlernen bei der Kieler Woche und einem ersten gemeinsamen Segelschlag am Valentinstag 2007 begonnen. Gekrönt haben die Seglerinnen aus Bayern und Norddeutschland ihren nicht immer leichten Kurs mit dem silbernen Happy End bei der Olympia-Regatta im japanischen Revier von Enoshima. Sanni Beucke ist inzwischen mit ihrer Kampagne "This race is female" ins Offshore-Fach gewechselt, Tina Lutz bleibt dem Segelsport als Bundesliga-Seglerin, Trainerin und vielleicht auch in weiteren Bereichen treuFoto: @ ChristianBeeck.de
Die olympischen Silbermedaillengewinnerinnen Tina Lutz und Susann Beucke (l.) im Gespräch mit Kieler-Woche-Pressesprecher Andreas Kling. Die Skiffseglerinnen sagen bei dieser Kieler Woche als Crew nach 15 Jahren gemeinsamer Olympia-Karriere in einem Boot servus, tschüs, aber auch auf Wiedersehen. Die Sportpartnerschaft hatte mit dem Kennenlernen bei der Kieler Woche und einem ersten gemeinsamen Segelschlag am Valentinstag 2007 begonnen. Gekrönt haben die Seglerinnen aus Bayern und Norddeutschland ihren nicht immer leichten Kurs mit dem silbernen Happy End bei der Olympia-Regatta im japanischen Revier von Enoshima. Sanni Beucke ist inzwischen mit ihrer Kampagne "This race is female" ins Offshore-Fach gewechselt, Tina Lutz bleibt dem Segelsport als Bundesliga-Seglerin, Trainerin und vielleicht auch in weiteren Bereichen treu

Ein fröhliches Kieler Comeback feierte Paul Kohlhoff an diesem ersten Samstag im Olympia-Zentrum seines Heimatreviers. Er stand mit seiner Nacra-17-Olympiavorschoterin Alica Stuhlemmer und den weiteren vier Japan-Medaillengewinnern Tina Lutz, Susann Beucke, Erik Heil und Thomas Plößel auf der Eröffnungsbühne. Dabei berichtete Kohlhoff vor dem Wieder-Durchstart seiner Bronze-Crew: "Ich bin vor fünf Wochen Vater geworden, freue mich sehr. Das habe ich mir immer so gewünscht." Zum täglichen Live-TV der 128. Kieler Woche geht es übrigens hier (bitte anklicken!). Am Sonntag werden die Ilca-6-Rennen ab 10.45 Uhr gezeigt. Am Montag stehen die Waszps auf dem Programm, am Dienstag wieder der spannende Euro Cup der 29er, bei dem der starke deutsche Olympia-Nachwuchs um Podiumsplätze kämpft, bevor ab Mittwoch im Wechsel die olympischen Klassen im Mittelpunkt stehen.

  Alle sechs Japan-Medaillengewinner feierten die Kieler-Woche-Eröffnung auf der Bühne zusammen mit den Stadtvätern und Kieler-Woche-MotorenFoto: ChristianBeeck.de/Kieler Woche
Alle sechs Japan-Medaillengewinner feierten die Kieler-Woche-Eröffnung auf der Bühne zusammen mit den Stadtvätern und Kieler-Woche-Motoren