Tatjana Pokorny
· 19.06.2022
Erst herrschte am Samstag Karibik-Wetter auf der Ostsee, dann wurden Veranstalter und Teilnehmer am Sonntag von flauen und schwankenden Winden gefordert
Die 128. Kieler Woche ist an ihrem ersten Wochenende nach der strahlenden Eröffnungsfeier mit den sechs olympischen Medaillengewinnern von Enoshima gut in Fahrt gekommen. Nach dem sportlichen Auftakt bei Sonnenschein am Samstag wurden die Organisatoren und Teilnehmer am Sonntag jedoch von einem Gewitter und im weiteren Verlauf von leichten und schwankenden Winden gefordert. Das geplante Programm konnte dennoch weitgehend stattfinden.
Von der Seebahn kehrten am Sonntag 167 Yachten in den Hafen von Kiel-Schilksee zurück. "Wir haben bei der Aalregatta auf dem Hinweg nach Eckernförde Karibikbedingungen auf der Ostsee erlebt", zog Seebahn-Gesamtwettfahrtleiter Eckart Reinke Bilanz. Auf dem Rückweg nach Kiel konnte der Mittelstrecken-Klassiker der Kieler Woche mithilfe einer Bahnverkürzung vor Einsetzen der Flaute sauber beendet werden. Der Hintergrund: Zum Start der Rückregatta von Eckernförde nach Kiel hatte es nur eine schwache Brise zwischen drei und neun Knoten gegeben, dazu aus wechselnden Richtungen. Daher entschied Seebahn-Chef Ralf Paulsen, die Yachten vorzeitig an der Bahnmarke Stollergrund-Nord zu zeiten. So segelten sie nur zehn statt der geplanten zwanzig Seemeilen. "Die Wetterprognose sagte voraus, dass der Wind komplett einbrechen würde. Dann hätten wir sie kaum noch nach Hause gebracht", begründete Paulsen die von der Flotte begrüßte Entscheidung.
Am Vortag war die Wettfahrt von Kiel nach Eckernförde zum Geduldsspiel für die langsamen Yachten geworden. Während die "Calypso" von Gerhard Clausen (Hamburg) als schnellstes Schiff bereits nach 3 Stunden, 30 Minuten und 8 Sekunden die Ziellinie kreuzte, konnte das Ziel für die Letzten erst nach siebeneinhalb Stunden geschlossen werden. Die Rückregatta schloss erneut die "Calypso" mit den Line Honors für das erste Boot im Ziel ab. Nach 2 Stunden, 31 Minuten und 5 Sekunden war die nur zu zweit (Doublehand-Wertung) gesegelte Yacht wenige Minuten vor der schönen Brenta 60 "Almost Nothing" von Steffen Müller (Kiel) und der "X-Day" von Walter Watermann mit jeweils voller Crew an Stollergrund-Nord.
Ein besonderes Erlebnis bedeuteten die beiden Wettfahrten der Aalregatta für die Youngster der DSV-Aktion "Be part of the crew". Dabei wurden Akteure anderer Bootsklassen auf die Yachten vermittelt. "Ich segele sonst X-79 und war jetzt bei der 'Piranha' an Bord", berichtete Annabelle Töllich aus Flensburg. "Es hat super Spaß gemacht – ein nettes Schiff mit netten Leuten. Ich habe viel gefragt und viel erklärt bekommen. Der beste Moment war heute, als wir am Ende der Eckernförder Bucht den großen Gennaker gezogen haben. Auf Schlag ist die Yacht von drei Knoten auf neun Knoten angesprungen." Nach dieser Aalregatta stellte Annabelle Töllich daher fest: "Das mache ich gern weiter."
Eine Besonderheit erlebten die rund 1.000 aktiven Kielbootsegler bei der Siegerehrung am Samstagabend in Eckernförde. Ein globaler Systemfehler im Regatta-Ergebnisdienst "Manage2Sail" hatte dazu geführt, dass die Ergebnisse der Aalregatta nicht hochgeladen werden konnten. "Alle haben ihre Platzierung erst bei der Siegerehrung erfahren", berichtete Reinke lächelnd. Die Ungewissheit über das eigene Abschneiden ließ bei der Ehrung der Teams reichlich Stimmung an der Hafenspitze von Eckernförde aufkommen. "Ich habe sehr lange nicht mehr so viel Jubel und Euphorie erlebt", erzählte Reinke. Dem erfahrenen Seebahn-Dirigenten fiel außerdem auf, dass die Yardstick-Gruppen in diesem Jahr außergewöhnlich stark besetzt sind. "Es sind viele Schiffe im Yardstick-Bereich, schöne Schiffe, auch solche mit Foliensegeln. So tolle Boote! Denen möchte ich gerne sagen: Übt ein bisschen, holt euch einen Messbrief und kommt zur WM nächstes Jahr." Die ORC-Weltmeisterschaft 2023 findet zum zweiten Mal nach 2014 in Kiel statt. Reinke, auch Obmann im DSV-Ausschuss Seesegeln, zählt neben Eckart von der Mosel zu den WM-Organisatoren und Motoren.
Bei den zehn internationalen Klassen gab es nach dem zweiten Regattatag der neuntägigen Kieler Woche vier deutsche Spitzenreiter: Heiko Kröger baute seine Auftaktführung in der 2.4-mR-Klasse mit zwei weiteren Tagessiegen aus. Damit segelt der Paralympics-Sieger von 2000 seinem 13. Kieler-Woche-Titel bislang souverän entgegen. André Budzien vom Schweriner Yacht-Club bleibt nach zwei weiteren Tagessiegen bester Steuermann im OK Dinghy. Nicht im Einsatz war am Sonntag in den leichten Winden die Waszp-Klasse, in der Paul-Adrien Farien aus Kiel deshalb seine Top-Position hielt. Im Ilca 6 (open) eroberte Ole Schweckendiek vom Kieler Yacht-Club nach sechs Wettfahrten die Spitzenposition im Feld der 116 jungen Steuerfrauen und Steuermänner. Die Wettfahrten der ersten internationalen Hälfte der Kieler Woche werden noch bis Dienstag fortgesetzt, bevor am Mittwoch die Olympia-Segler starten. Hier geht es zu allen Ergebnissen der Kieler Woche (bitte anklicken!).