Vor Barcelona ist der America’s-Cup-Nachwuchs los. Am dritten Tag in Folge trainieren im spanischen Revier Crews mit 18- bis 25-jährigen Seglern für den 3. Youth America’s Cup seit 2013. Auf dem Wasser sind aktuell täglich die sechs „eingeladenen“ Crews aktiv, darunter auch die Jugend-Mannschaft vom AC Team Germany. Dazu die Foiling-Talente aus Spanien (Sail BCN Team), aus Holland (Jajo Team Dutchsail), aus Kanada (Concord Pacific Racing) und Schweden (Swedish Challenge Team powered by Artemis Technologies).
Diese sechs Mannschaften werden im Youth America’s Cup Pool B bilden und über zwei Tage acht Fleetraces bestreiten. Die besten drei Teams ziehen ins Halbfinale ein. Ihnen gegenüber stehen sechs Nachwuchs-Teams mit direkter Zugehörigkeit zu den fünf Herausforderer-Teams und den neuseeländischen America’s-Cup-Verteidigern. Sie bilden Pool A. Auch hier werden über zwei Tage in acht Rennen die Top-Drei ermittelt, die ins Semifinale einziehen.
Danach treffen erstmals die Mannschaften mit Mutter-Teams im America’s Cup und die anderen in einer Sechser-Halbfinalflotte aufeinander. Am Ende von vier Halbfinal-Fleetraces ziehen die beiden besten Teams ins Finale ein, das das härter ist als das America’s-Cup-Finale selbst: Nur ein Duell entscheidet über den Sieg.
Das AC Team Germany zählt in diesem Wettbewerb nicht zu den Favoriten. Was daran liegt, dass sie zu den nur zwei Mannschaften gehören, die vor dem ersten Training in dieser Woche noch nie auf einem der AC40-Foiler segeln konnten, auf denen der Youth America’s Cup ausgetragen wird. Dafür reichte das Budget von rund 300.000 Euro für Youth und Women’s America’s Cup nicht. Aber: Kaum ein Team hat so viel Trainingszeit im von Marc Pickel Ende 2023 nach Kiel in die neue Foiling Academy geholten Simulator investiert wie das AC Team Germany.
In dieser Woche haben die Youth-America’s-Cup-Segler das Erlernte und Trainierte vor Barcelona erstmals auf die Mini-Cupper übertragen dürfen. Eine Handvoll Stunden durften sie den ihnen zugeteilten AC40-Foiler von Alinghi an bislang zwei Tage segeln. An diesem 12. September steht schon die Generalprobe an: zwei Starts und drei Rennen werden für die B-Pool-Teams ausgetragen. Davor aber standen im AC Team Germany noch schwere Crew-Entscheidungen an.
Wie auch die Frauen-Crew des AC Team Germany, die vom 5. bis 13. Oktober im Puig Women’s America’s Cup gefordert sein wird, ist das Jugend-Team mit sechs Seglern angetreten. Doch nur vier können starten und werden auch nicht rotieren, weil das beim maximal schnellen und intensiven Erfahrungstanken in der nur zwei Tage währenden Qualifinkationsrunde kontraproduktiv wäre.
Der Cut fürs Jugend-Team schafften als Steuerleute Paul Farien und Maru Scheel. Die Kielerin ist als einzige Steuerfrau aus dem deutschen Women’s-Team noch jung genug für den Doppeleinsatz, weil die Altersgrenze im Youth America’s Cup bei 25 Jahren liegt. Dazu kommen als Trimmer Tom Heinrich und Jesse Lindstedt, die sich im internen Wettkampf um die Positionen knapp durchsetzen konnten. So hat es das Team am Abend des 11. September in Barcelona nach Abstimmung mit den Jugend- und Frauen-Crew-Coaches Max Böhme und Annie Lush beschlossen.
Von den Leistungen her – so auch die Einschätzungen der das Training begleitenden Alinghi-Betreuer – ist der erst 21-jährige Ilca-7-Aufsteiger Julian Hoffmann dem 25-jährigen erfahrenen Foiler Paul Farien ebenbürtig. Den Sprung in die jetzt nominierte Vierer-Crew verpasste Julian Hoffmann nur aufgrund der Konstellationsabwägung.
Bei gleichen Leistungen galt zunächst die Devise, die Frauen aus der Crew für den Women’s America’s Cup (5. bis 13. Oktober) einzusetzen, damit sie maximal viel Erfahrung im Youth America’s Cup sammeln und sie in den Women’s America’s Cup mitnehmen können. 49erFX-Steuerfrau Maru Scheel gelang dieser Sprung ins Jugend-Team. „Das ist eine starke Leistung von Maru, auf die wir auch ein bisschen stolz sind. Für uns als Team ein Gewinn“, sagte Carolina Werner, Team Captain der deutschen Frauen-Mannschaft, die vom 5. bis 13. Oktober im ersten Puig Women’s America’s Cup gefordert sein wird.
„Es waren sehr schwierige Entscheidungen“, berichtete Coach Max Böhme vom finalen Crew-Auswahlverfahren, „schon im Simulator lagen alle eng beieinander. Wir hatten in Barcelona nur die beiden Tage Zeit, um final zu entscheiden. Bei den Steuerleuten waren alle drei gleich. Jeder hat so seine Stärken und Schwächen. Wir hatten von Beginn an vereinbart: Bei Gleichheit wollen wir gerne eine Frau nominieren und damit auch die Chancen für das Team für den Women’s America’s Cup erhöhen. Diese Entscheidung konnten wir leicht treffen.“
Max Boehme erklärt den weiteren Prozess: „Dann mussten wir den optimalen Partner für Maru finden. Das war zwischen Paul und Julian absolut schwer. Auch nach dem Feedback der Alinghi-Leute hier beim Training war es sehr, sehr gleich. Es übernimmt jetzt Paul die Position, besetzt damit in Abgleich zu Maru die Führungsrolle.“
Kampagnengründer Paul Farien fiel mit der Entscheidung einige Steine vom Herzen. Der Kieler sagte: „Ich musste mich hier sehr fokussieren, meinen Job klarzumachen. Es ist hart, weil ich Maru und Julian sehr lieben gelernt habe. Beide sind super stark in ihren Bereichen, ein bisschen zurückhaltender und bedachter als ich, gute Gegenpole zu mir.“
Nicht in der finalen Aufstellung zu stehen, hätte Paul Farien stark getroffen: „Für mich wäre es – erst Gründer, dann Manager in Doppelfunktion auch an Bord, dann nur noch auf den Sport konzentriert und plötzlich auf der Kippe – sehr hart gewesen, es nicht zu schaffen. Ich habe zwei Jahre kaum etwas anderes gemacht, außer diese Luft zu atmen und für diese Kampagne zu arbeiten.“
Nun sind die beiden Steuer des vom deutschen Youth-Team gesegelten AC40 multitalentiert besetzt: vom forscheren Waszp-Vizeeuropameister und Mottensegler Paul Farien in Doppelrolle als Skipper und Steuermann auf der rechten und von der auch unter Hochdruck ruhigen und umsichtigen 49erFX-Steuerfrau Maru Scheel auf der linken Seite. Jeweils zehn Knöpfe plus Protestknopf bilden ihren anspruchsvollen Handlungsspielraum. Hinter ihnen sitzen im Boot die Trimmer. Gemeinsam biegen sie ihre Lernkurve in Barcelona gerade maximal steil nach oben.
Dabei helfen die mehr als tausend Stunden, die einige Teammitglieder seit Ende 2023 im Simulator verbracht haben, den der zweimalige Kieler Olympia-Teilnehmer, Starbootentwickler und Coach Marc Pickel in einer engagierten Privatinitiative Ende 2023 nach Kiel geholt hatte. „Wir haben da gefühlt geschlafen und gecampt“, erinnert sich Maru Scheel an intensive bis zu zwölfstündige Simulator-Sessions.
In den ersten Trainings vor Barcelona hat sich nun gezeigt, dass Team Germany gut dabei ist, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Coach Max Boehme sagt: „Wir haben uns am ersten Tag in teilweise sehr leichten Winden als einziges Team einmal selbst auf die Foils bringen können. Was wir insgesamt gesehen haben, war vielversprechend.“ Das ist eine gute Botschaft, denn die kommenden Gegner der deutschen Mannschaft haben einen teilweise riesigen Vorsprung, konnten bereits vor Trainingsbeginn in Barcelona AC40-Erfahrung sammeln. Die Schweden haben sogar einen eigenen AC40-Foiler.
„Es hat sich hier gezeigt, dass wir ein echt tolles Team sind“, sagt Paul Farien. Und weiter: „Mir ist wichtig, was ich dem Team auch in einer kleinen Rede gesagt habe: „Ich war 2013 noch ein ganz junger 29er-Segler, als der erste Youth America’s Cup stattfand. Ich war damals sehr, sehr beeindruckt vom deutschen Team in San Francisco. Das hat nachhaltig etwas bewirkt bei mir.”
Diese Art der Inspiration würde Paul Farien gerne übertragen: “Ich würde mich freuen, wenn es auch uns jetzt gelingt, Mut, Ehrgeiz und Willenskraft weitergeben zu können. Julian wäre beim nächsten Mal noch jung genug. Es wäre ein großer Wunsch, das Zepter weitergeben und auch mit der Foiling Academy in Kiel ein starkes Fundament und Kompetenzzentrum errichten zu können, wo künftige Cup-Aktivitäten wachsen und neue Talente ausgebildet werden.“
So sieht es auch Maru Scheel: „Wir hoffen, dass wir den Grundstein für weitere AC-Projekte in Deutschland legen können. Für Women’s und Youth AC oder den großen AC. Wir wollen mit der Foiling-Akademie junge Segler begeistern, um dieses große Ziel umsetzen zu können. Wir wollen aus diesem Projekt lernen und es für die Zukunft nutzen.“
Aktuell sind Youth- und Women’s-Teams gemeinsam in Barcelona stationiert, haben dort mit den Förderern Oliver Schwall, Ole Satori und ihrem Team ihr Basiscamp im alten Olympiahafen aufgebaut. Großen Anteil daran hat Lukas Hesse als Shore-Manager. „Der macht einen mega Job“, sagt nicht nur Paul Farien. Auch Coach Max Boehme ist beeindruckt: „Lukas Hesse macht fantastischen Job von Performance-Analyse bis zum Logistik-Management.“
„Es ist ein mega Gefühl, hier zu sein, das Boot segeln zu dürfen. Wir sind in einem tollen Boat Park, mit coolem eigenen Team, das so ein spektakuläres Boot segeln darf“, berichtet Maru Scheel in Barcelona. Nach ersten Sessions auf dem AC40 haben die Akteure im AC Team Germany einen guten Eindruck vom Segeln der AC40er bekommen, auch wenn der Wind an einem der beiden Tagen nicht gut kooperierte, eigene Take-offs für alle Mannschaften schwierig waren und die Trainingsfenster nur klein sind.
Die eingeschränkten und raren Trainingsstunden auf den AC40ern an nur drei Tagen und zu festen Zeiten sind eine Herausforderung. „Wenn ich es mit dem Youth America’s Cup 2013 vergleiche, dann hatten wir damals ein 10-tägiges Trainingscamp auf den Cup-Booten und noch einmal fast zwei Wochen beim Event. Und da waren die Boote ja noch eine Welt anders“, erinnert Max Boehme.
Der Coach war 2013 selbst Teil der ersten deutschen Crew bei der Premiere des Youth America’s Cup. Dem Team All in Racing gehörten auch der spätere Laser-Weltmeister Philipp Buhl als Skipper, der zweimalige Olympia-Dritte und aktuelle SailGP-Steuermann Erik Heil, Max Boehmes 49er-Steuermann Justus Schmidt, Max Kohlhoff, Michael Seifarth und David Heitzig an, die danach ihre Karrieren fortsetzten.