Lars Bolle
· 17.01.2021
Das Team American Magic entging nach der dramatischen Kenterung nur knapp einem Untergang. Das Boot ist stark beschädigt
Gestern war das Team American Magic in seinem Rennen gegen Luna Rossa an der Luvmarke spektakulär gekentert. Beim Abfallen auf den Vormwindkurs traf das Boot bei etwa 48 Knoten Geschwindigkeit eine Bö. Im Video ist zu sehen, dass das Lee-Backstag nicht gelöst wurde, das Großsegel konnte offenbar nicht weit genug geöffnet werden. Die Crew verlor die Kontrolle, das Boot krängte stark nach Lee, hob sich erst komplett aus dem Wasser und krachte dann auf seine Leeseite zurück, kenterte nach Backbord.
Die Kenterung von American Magic
Bis dahin sah alles noch ganz "normal" aus, wenn man das von einer Kenterung überhaupt behaupten kann. Und auch für das Team bestand zunächst kein grund zur Sorge. "Wir sind mit unserem Trainingsboot 19 mal gekentert", sagte später Teamskipper Terry Hutchinson. Und auch die beobachteten anderen Kenterungen bisher, etwa vom Team New Zealand, hätten zunächst keinen Grund zur Sorge gegeben. "Die Boote schwimmen normalerweise sehr hoch auf. Wenn man sie so weit bekommt, dass der Wind unter das Großsegel greifen kann, richten sie sich von selbst wieder auf." Nicht so das amerikanische Boot "Patriot". Es sank immer tiefer ins Wasser.
"Wir wussten sofort, dass etwas nicht stimmte", sagte Hutchinson. "Als ich aus meinem Cockpit stieg, waren wir tiefer im Wasser als wir sollten. Das 'Pop-up' fand nicht statt. Das war also der erste Hinweis. Bootskapitän Tyson Lamond kam durch die Kommunikation und sagte: 'Ich glaube, es gibt ein Loch im Boot.'" Eine Inspektion bestätigte: Das Boot hatte auf der Backbordseite ein großes Loch und machte Wasser.
Wie es zu diesem Leck kommen konnte, erklärt Hutchinson so: "Es gibt eine Querstruktur im Inneren des Bootes und eine Längsstruktur. Wenn das Boot auf das Wasser schlägt, ist es in Ordnung, wenn es flach auf den Kiel knallt. Wenn man jedoch auf der Seite landet, auf dem flachen Teil des Rumpfes, ist die Struktur nicht dafür ausgelegt."
Die nächsten Stunden kämpfte das Team darum, das Boot schwimmfähig zu halten. Hutchinson bedankte sich sehr emotional bei den anderen Teams und den Organisatoren für die sofortige und umfängliche Hilfe mit Pumpen und Schwimmkörpern. Nach zweieinhalb Stunden gelang es, das Boot zu stabilisieren und es musste wegen der Lage des Lecks rückwärts mit zwei bis drei Knoten in den Hafen geschleppt werden. Sechs Stunden nach der Kenterung stand es sicher an Land.
Für das Team beginnen nun stressige Tage. Nach der Bewertung des vollen Ausmaßes des Bootsschadens zeigte sich Hutchinson zwar zuversichtlich, bald wieder segeln zu können. Das Boot ist also nicht irreparabel zerstört. Die Hydraulik habe nur geringfügige Schäden erlitten, der Zustand der Elektronik des Bootes sei jedoch bedenklich. Zum Glück habe das Syndikat aber schon zuvor alle Ersatzteile aus den USA nach Auckland gebracht. Die Dauer der Reparaturen schätzte Hutchinson auf zehn Tage. Er bestätigte damit auch, dass American Magic am kommenden Wochenende nicht die 3. und 4. Runde der Robin Robins segeln könne. Ziel sei, zum Prada Cup-Halbfinale am 29. Januar wieder am Start zu sein, am besten ein paar Tage vorher. "Ich würde gerne vor dem Halbfinale wieder segeln und nicht direkt hinein", so Hutchinson. Im Halbfinale segeln die beiden unterlegenen Teams der Round Robins um den zweiten Finalplatz, der Sieger zieht direkt ins Finale ein.
Für das amerikanische Team ändert die Kenterung hinsichtlich der Qualifikation nichts. Denn die Briten führen bereits mit 4:0 Punkten. Zum Zeitpunkt der Kenterung lag American magic zwar deutlich vor Luna Rossa, ein Sieg in diesem Rennen hätte für beide Teams jedoch lediglich einen Punkt auf dem Gesamtklassement ergeben. Es war also ohnehin recht wahrscheinlich, dass die Briten als Sieger aus den Round Robins hervorgehen würden und Luna Rossa gegen American Magic das Halbfinale segeln würde.
Wie die Rennleitung mit dieser veränderten Situation umgehen wird, ist noch offen. Bleibt sie bei der bisherigen Planung, würden am kommenden Wochenende nur Luna Rossa und Ineos Team UK antreten können und zwei Rennen gegeneinander segeln. Da die Briten bereits vier Punkte auf dem Konto haben, darunter zwei Siege gegen die Italiener, benötigen sie nur noch einen Sieg, um ins Finale des Prada Cups einzuziehen. Oder die Italiener gewinnen zweimal gegen die Briten, dann müsste es wohl ein Stechen geben.
Doch dieses Szenario dürfte den Organisatoren und vor allem Sponsoren nicht schmecken. Denn da es ohnehin nur drei Herausforderer gibt, wurde die Qualifikation mittels eines langwierigen und ungewöhnlichen Ausscheidungsmodus gestreckt, auch um mehr Sendezeit zu generieren. Statt einer dreitägigen Runde 3 und 4 mit jeweils zwei Wettfahrten am Wochenende könnte jetzt alles nach nur einem Rennen vorbei sein.
Es ist also nicht auszuschließen, dass eine Verschiebung der Qualifikation erwogen wird. Das wiederum dürfte den Briten nicht gefallen, könnten sie sich doch mit einem Sieg in den Round Robins eine Rennpause von fast drei Wochen bis zum Finale des Prada Cups sichern, welche für Updates am Boot genutzt werden könnte.