Tatjana Pokorny
· 12.03.2021
Segeln Neuseeland und Italien im 36. America's Cup einem Herzschlagfinale entgegen? Nach erneut ausgeglichenem Tag kommt den Starts immer mehr Bedeutung zu
Wer zuerst wackelt, der verliert. Auf diese einfache Formel lässt sich das America's-Cup-Geschehen im Hauraki-Golf vor Auckland zurzeit bringen. Die Starts entscheiden in den aktuell dominierenden leichten und unbeständigen Winden darüber, welches Team ein Rennen gewinnt. So war es auch am frühen Samstagmorgen deutscher Zeit.
Vor spektakulärer Kulisse einer Rekordflotte von etwa 1600 Zuschauer-Booten und Zehntausenden Fans auf dem Wasser und vor den Großbildschirmen an Land konnten erneut weder Verteidiger Neuseeland noch der italienische "Challenger of Record" einen Durchbruch erzielen – jedes Team gewann ein Rennen. In beiden Fällen gingen die Duelle bereits in der Vorstartphase durch Fehler verloren. Zur Halbzeit im 36. Match um den America's Cup agieren die Gegner beim Stand von 3:3 auf Augenhöhe. Sieben Siege braucht das Team, das die wichtigste Trophäe des internationalen Segelsports gewinnen will. Vieles deutet darauf hin, dass Kiwis und Azzurri einem Herzschlagfinale entgegensegeln.
Das Luna Rossa Prada Pirelli Team eröffnete das fünfte Rennen am Samstagmorgen mit überzeugendem Start-Timing, während die Neuseeländer in flauen Bedingungen von ihren kürzeren Foils fielen und ihr Boot zu langsam wieder aus dem Wasser und in Fahrt brachten. Danach ließen die Azzurri den in der Schlussphase noch einmal stark aufkommenden Kiwis in unbeständigen Winden um acht bis neun Knoten keine Chance mehr zum Passieren. 18 Sekunden Vorsprung im Ziel reichten zum italienischen Erfolg.
In Rennen sechs jedoch konnten Neuseelands Steuermann Peter Burling und seine Crew, die sich trotz Niederlage in der Pause zwischen den Rennen demonstrativ lächelnd zeigten, das Blatt wieder wenden: Während Luna Rossa in der Vorstartphase in einem Leichtwindfeld zu langsam wurde, zog Neuseelands Te Rehutai davon und ließ die Herausforderer mit 1 Minute und 41 Sekunden Vorsprung im Ziel lahm aussehen. "Das war ein gutes Ende eines weiteren engen Tages", zog der neuseeländische 49er-Olympiasieger und Flugregler Blair Tuke Halbzeitbilanz. Jimmy Spithill, der mit aufgedrucktem australischen "Boxing Kangaroo" auf dem grauen Prada-Shirt segelte, beschwor zum wiederholten Male das Szenario aus seiner Sicht: "Wir segeln gegen das beste Team der Welt. Es war heute ein bisschen ein Minenfeld da draußen. Wir haben viel gelernt. Das nächste Ziel ist immer der Sieg im nächsten Rennen."
Martin Fischer: "Wer zu früh dran ist, muss bremsen"
Das Cup-Duell wird am Sonntag um 4.15 Uhr deutscher Zeit fortgesetzt und ist bei Servus TV sowie im Originalton via America's-Cup-Homepage live zu sehen. Am Sonntag werden noch einmal mehr Zuschauer-Boote rund um den Cup-Kurs erwartet, möglicherweise mehr als 2000. Martin Fischer, Co-Designkoordinator, Foil-Ass und Regelexperte im italienischen Luna Rossa Prada Pirelli Team, berichtete schon am Samstag: "Das war hier heute nach den Rennen wie auf der Autobahn: ein richtiger Stau bei der Rückkehr der vielen Boote in den Hafen."
Zu den Rennen selbst sagte der 58-Jährige deutsche Physiker, der in Celle geboren wurde und in München wie Hamburg studierte: "Gestern war ich etwas überrascht, wie schnell das neuseeländische Boot ist, wenn es freien Wind hat. Man darf ihnen den Raum gar nicht geben. Einer der Kommentatoren sagte heute richtig, dass alle wie im Tennis auf ein erstes Break eines der Teams warten. Das ist uns heute im ersten Rennen des Tages gelungen – den Neuseeländern danach aber auch direkt das Rebreak. Es bestätigt sich in den aktuellen leichteren Bedingungen: Wer nach dem Start vorn ist, der bleibt es auch. Beide Teams haben heute einen jeweils ähnlichen Fehler gemacht. Der passiert, weil die Teams grundsätzlich bei ihrem Timing im Start eher etwas zu früh dran sind. Zum einen, um nicht zu spät an der Linie zu sein, zum anderen, um sich Optionen offenzuhalten. Wer aber zu früh dran ist, der muss bremsen." Das Ergebnis dieser Notwendigkeit bekam in Rennen fünf Neuseeland, in Rennen sechs Italien zu spüren. Mit den bekannten Folgen.
Bei der Wetterprognose für die Rennen 7 und 8 am Sonntag waren sich die Modelle am Samstagabend in Auckland nicht einig. Die Prognosen variierten zwischen zehn und bis zu 20 Knoten Wind. Es wäre nach bislang ausschließlich Rennen in leichten bis eben gerade mittleren, maximal 13, 14 Knoten Wind eine attraktive Abwechslung zu erleben, wie die Teams und ihre Boote in mehr Druck agieren.
Zu Gast waren bei der Pressekonferenz am Ende des dritten Renntages Neuseelands Steuermann Peter Burling und sein Teamkamerad Josh Junior sowie "Luna Rossas" Co-Steuermänner Jimmy Spithill und Francesco Bruni
Wer sich beide Rennen noch einmal ganz ansehen möchte, ist mit diesem Clip fast wie live dabei