Die Kiwis kämpfen an der Heimatfront, Alinghi macht mobilGrant Dalton verteidigt Übersee-Pläne für 37. America's Cup

Tatjana Pokorny

 · 09.12.2021

Die Kiwis kämpfen an der Heimatfront, Alinghi macht mobil: Grant Dalton verteidigt Übersee-Pläne für 37. America's CupFoto: ACE/Carlo Borlenghi
Bleibt das Objekt der Begierde prominenter und potenter America's-Cup-Jäger: die "bodenlose" Silberkanne

In Neuseeland wird im Stil einer "Loyal-Kampagne reloaded" um den besten Cup-Kurs gerungen, in der Schweiz nimmt Alinghis bevorstehendes Comeback Konturen an

Die außerordentliche Mitgliederversammlung der Royal New Zealand Yacht Squadron (RNZYS) am 9. Dezember war mit Spannung erwartet worden. Im anhaltenden nationalen Streit darüber, warum die neuseeländischen Verteidiger den 37. America’s Cup nicht in heimischen Gewässern austragen können oder wollen, hatte die RNZYS ihre Mitglieder zum Informationstreffen eingeladen. Auch wenn viele Mitglieder unter anhaltend strengen Pandemie-Auflagen nur via Zoom dabei sein konnten, so hatten doch alle Gelegenheit, der Verteidigungs- und Erklärungsrede von Teamchef Grant Dalton zu lauschen. Der Dirigent des erfolgreichen Segelrennstalls Emirates Team New Zealand, dem die RNZYS entsprechend den Vorschriften der Cup-Stiftungsurkunde das notwendige Vereinsdach gibt, verschaffte den Mitgliedern die bislang ausführlichsten Einblicke in die finanziellen Anforderungen der anstehenden Cup-Verteidigung. Quintessenz: Es fehlen immer noch 50 Millionen neuseeländische Dollar. Weshalb eine Verteidigung in Übersee und eben nicht in heimischen Gewässern aus Team-Sicht der beste Weg bleibt, dieses Loch zu stopfen.

  Herzschlagkammer des aktuellen nationalen neuseeländischen Tauziehens um den besten Kiwi-Weg in die Cup-Zukunft: das berühmte Clubhaus der Royal New Zealand Yacht SquadronFoto: ETNZ/Carlo Borlenghi
Herzschlagkammer des aktuellen nationalen neuseeländischen Tauziehens um den besten Kiwi-Weg in die Cup-Zukunft: das berühmte Clubhaus der Royal New Zealand Yacht Squadron

Dalton unterstrich in seinen ausführlichen Schilderungen, dass sich am Budget für die Verteidigung der Silberkanne seit März dieses Jahres nichts geändert habe: "Von diesem Gesamtbudget von 200 Millionen Neuseeland-Dollar (Red.: 1 NZD entspricht etwa 0,60 Euro) betrug der bei potenziellen Ausrichtern ersuchte Anteil mehr oder weniger beständig 120 Millionen Neuseeland-Dollar – in Abhängigkeit zu den jeweils relativen Auslandskosten wie etwa der Unterbringung. Um es klar auf den Punkt zu bringen: Es geht hier nicht um eine Suche nach dem 'Höchstbietenden', auch wenn das spitzbübischerweise so verbreitet wurde.“

Dalton wendete sich mit seinem Kampf-Plädoyer vor allem gegen Anschuldigungen und Anträge des langjährigen neuseeländischen Cup-Unterstützers Jim Farmer und des vermögenden neuseeländischen CEO der privat geführten Betriebsgesellschaft Greymouth Petroleum Mark Dunphy. Beide kämpfen intensiv für die Cup-Austragung in Neuseeland, griffen das Team unter Daltons Führung an, erhielten aber für ihr Ersuchen eines nationalen Cup-Kurses keine Unterstützung der Club-Mitglieder. In einem Interview mit der neuseeländischen Tageszeitung "New Zealand Herald" hatte Dalton bereits im September erklärt, Dunphy und seine Mitstreiter hätten versucht, den New York Yacht Club von einer Attacke gegen die Royal New Zealand Yacht Squadron vor dem obersten New Yorker Gerichtshof zu überzeugen. Auf diesem Weg hätten sie zu erreichen versucht, die Royal New Zealand Yacht Squadron zu disqualifizieren und den New York Yacht Club als neuen Challenger of Record ins Spiel zu bringen. Dunphy hatte die Vorwürfe bestritten, aber unter anderem darauf hingewiesen, dass sich mehr als 85 Prozent der Neuseeländer den Cup im eigenen Land wünschten.

  Es macht viel Freude – wie hier Grant Dalton, Glenn Ashby und Peter Burling (v.r.) – den America's Cup für Neuseeland zu gewinnen. Ungleich schwerer ist die Mission, ihn auch weiter erfolgreich zu verteidigenFoto: ETNZ/Carlo Borlenghi
Es macht viel Freude – wie hier Grant Dalton, Glenn Ashby und Peter Burling (v.r.) – den America's Cup für Neuseeland zu gewinnen. Ungleich schwerer ist die Mission, ihn auch weiter erfolgreich zu verteidigen

80 Millionen Neuseeland-Dollar für das Segelteam der Kiwis

Dalton sagte nun bei der Mitgliederversammlung: „Es ist kein Wunder, dass die RNZYS-Mitglieder und die Öffentlichkeit verwirrt sind, weil die Zahlen und Berechnungen von Herrn Dunphy in ihrem Aufbau in gewisser Weise flüssig waren. Zunächst ging Herr Dunphy davon aus, dass die Regierung ihren finanziellen Beitrag zur Veranstaltung erheblich erhöhen würde. Als er aber feststellte, dass dies nicht geschehen würde, änderte er die Kosten in unaufrichtiger Weise, um sie so seiner Darstellung anzupassen.“ Weiter sagte Dalton: „In dieser Woche war der jüngste Standpunkt von Herrn Dunphy, dass sein Fehlbetrag von 50 Millionen Dollar aus Einnahmen der Veranstaltung gedeckt werden können.“

Dazu erklärte Dalton: „Beim Gewinn des America’s Cup passieren zwei Dinge: Du wirst zum Verteidiger des nächsten America’s Cup auf dem Rennkurs und übernimmst eine Reihe von Verpflichtungen, darunter die Erstellung des neuen Protokolls und der Klassenregel. Gleichzeitig übernimmst du die Ausrichtung des nächsten Events. Für den Sieg im America’s Cup gibt es kein Preisgeld, aber man wird Rechteinhaber der Veranstaltung. Damit einher geht jedoch eine erhöhte finanzielle Herausforderung und Verpflichtung, weil die Kosten für die Veranstaltungsorganisation zu den bereits erheblichen Kosten der Verteidigung auf dem Wasser dazukommen. Wie es bei einer Reihe verschiedener America’s-Cup-Kampagnen üblich war, kann der Verteidiger als Rechteinhaber – wenn die Kosten der Veranstaltung durch eine Austragungsgebühr abgesichert sind – alle zusätzlichen Mittel zur Finanzierung der mit der Verteidigung durch das Team verbundenen Kosten nutzen.“ Dieses Modell, so Dalton, sei in der Cup-Neuzeit mehrfach zur Anwendung gekommen: „Sir Peter Blake half im Jahr 2000, das Team mit den Einnahmen aus dem Event zu finanzieren. Und so wurde es auch 2003 durch Team New Zealand gemacht.“

  Der America's Cup in seiner Schauvitrine in der Royal New Zealand Yacht Squadron im neuseeländischen AucklandFoto: Emirates Team New Zealand
Der America's Cup in seiner Schauvitrine in der Royal New Zealand Yacht Squadron im neuseeländischen Auckland

Darüber hinaus, so Dalton, wüsste Hamish Ross als Mr. Dunphys Mitarbeiter aus seiner Zeit bei Alinghi (Red.: Ross war damals als Generalberater für Alingi tätig) in Valencia im Jahr 2007 sehr gut, dass auch sie (Red.: die Schweizer) damals einen Überschuss aus der Veranstaltungsorganisation erzielten. Daher, so Dalton, gäbe es keine „zusätzlichen Einnahmen“. Vielmehr sei es so: „Alle gesammelten Mittel werden entweder für die Veranstaltung oder das Team verwendet, die bereits im 200-Millionen-Budget enthalten sind.“ Dalton attackierte die Kritiker und sagte: „Der Punkt, den Herr Dunphy in überraschender Weise oder absichtlich übersieht, ist der: Es werden nach Unterzeichnung der Veranstaltung Überschüsse benötigt, um die 80 Millionen Dollar auszugleichen, zu deren Einwerbung für die Mannschaft sich das Emirates Team New Zealand (ETNZ) im Rahmen des Gesamtbudgets von 200 Millionen Dollar verpflichtet hat. Daher bleibt der erhebliche Fehlbetrag von 50 Millionen Dollar in dem von ihm vorgeschlagenen Budget bestehen.“

Die zwei Faktoren, die gegen eine Verteidigung in Neuseeland sprechen

Spöttisch fuhr Dalton mit seinen Hieben für die Kritiker fort, die die RNZYS-Mitglieder davon überzeugen wollten, den 37. America’s Cup unter allen Umständen daheim in Neuseeland auszutragen: „Klar kann man die Veranstaltung in Auckland mit einem Defizit von 50 Millionen Dollar ausrichten, doch dann kann man den letzten Dollar darauf setzen, dass ETNZ zwangsläufig verlieren wird. Das wird zum Untergang des Teams führen, wenn es gegen die Budgets und die Stärken von Teams wie Alinghi, Ineos Britannia, Luna Rossa und American Magic antritt. Das ist der Teil der harten Realität, die Dunphy und Farmer durch ihre aggressive PR-Kampagne zu einer ‚Bedrohung‘ gemacht haben.“ Anschließend nahm Dalton eine weitere Kernaussage von Dunphy und Farmer auseinander. Sie hatten im Rahmen ihrer Kampagne für eine Verteidigung in Kiwi-Gewässern gesagt: „Wir haben es im 36. America’s Cup gemacht, warum also können wir es nicht erneut so machen?“ Dalton hält dagegen, dass dieses Argument zwei wesentliche Faktoren übersehe: Zum einen die Covid-19-Pandemie und die Folgen, die sie auf dem globalen Sponsoring-Markt habe, zum anderen den Beitrag, den der Challenger of Record (COR) im 36. America’s Cup geleistet habe. Womit das Engagement des italienischen Challenger of Record, des Luna Rossa Prada Pirelli Teams, bei der 36. Cup-Edition in Neuseeland gemeint ist.

  Eine Kanne, viele Träume und Millionen-Investments: der America's CupFoto: ACE/Carlo Borlenghi
Eine Kanne, viele Träume und Millionen-Investments: der America's Cup

Dalton wies darauf hin, dass die aktuell für die Veranstaltung des 37. America’s Cup veranschlagten 80 Millionen Dollar bereits „deutlich niedriger“ (fast halbiert) seien im Vergleich zu dem, was insgesamt für den 36. America’s Cup bis März dieses Jahres ausgegeben worden war. In der offiziellen Event-Bilanz sei der COR zitiert: „Prada und COR investierten mehr als 150 Millionen Neuseeland-Dollar in den 36. America’s Cup, von denen ein erheblicher Prozentsatz in den Betrieb auf dem Wasser und an Land sowie in das Race Village floss (…).“ Diese Summe sei nach Dalton ganz offensichtlich zusätzlich zu den 45 Millionen Dollar geflossen, die ACE als Veranstalter in das Event investiert habe, wobei die 40 Millionen Kiwi-Dollar an Veranstaltungsgebühren von der neuseeländischen Regierung auch ausschließlich für die Veranstaltungskosten verwendet worden seien. Dies, so Dalton, sei eine essenzielle Zusammensetzung der Zahlen, die in den Berechnungen von Dunphy "scheinbar bequemerweise“ vernachlässigt wurde.

Dalton holte noch weiter aus: „Unsere Erfahrung mit AC36 hat gezeigt, dass das Modell einer separat verwalteten Herausfordererserie nicht zweckdienlich ist. Das AC37-Protokoll schreibt vor, dass es für alle AC37-Events eine einzige Veranstaltungsautorität gibt, so wie es schon in Valencia (2007), San Francisco (2013) und Bermuda (2017) der Fall war. Schließlich gibt es die Herausfordererserie, die Vorabregatten, den Frauen-America’s-Cup, den America’s Cup der Jugend und das Match selbst.“

Daltons finaler Schlag gegen die Störenfriede aus seiner Sicht: „Dunphy, Farmer und Ross haben eindeutig viel Zeit, Geld und Energie in ihre PR-Kampagne investiert und jeden verfügbaren Weg ausgelotet, um das Team, die RNZYS und den Auswahlprozess des Veranstaltungsortes zu stören. Wir wissen seit einiger Zeit, wie weit sie gegangen sind und welche extremen Ziele sie hier und vor der Küste verfolgen. Aus diesen Gründen wird ETNZ niemals eine Beziehung zu Herrn Dunphy oder seinen Mitarbeitern haben. Selbst dann nicht, wenn er auf magische Weise die fehlenden 50 Millionen findet, um den vollen und aktuellen Kosten zu begegnen, die das Ausrichten des Events und eine erfolgreiche Verteidigung im 37. America’s Cup erfordern."

  Von solchen Szenen im Heimatrevier im Hauraki-Golf träumen die neuseeländischen Fans, doch aktuell deutet weiter alles auf eine Verteidigung in einem Übersee-Revier hinFoto: ACE/Carlo Borlanghi
Von solchen Szenen im Heimatrevier im Hauraki-Golf träumen die neuseeländischen Fans, doch aktuell deutet weiter alles auf eine Verteidigung in einem Übersee-Revier hin

Alinghis Comeback nimmt Konturen an

Der Stand der Dinge im America’s Cup: Protokoll und Klassenregeln zum 37. America’s Cup wurden am 17. November veröffentlicht. Die Bekanntgabe des Austragungsortes soll nach zwei Verschiebungen nun bis 31. März 2022 erfolgen. Als Austragungsorte sind Cork in Irland, Valencia in Spanien und Dschidda in Saudi-Arabien im Gespräch. Bis zu sechs teilnehmende Teams sind aktuell in Sicht, wie YACHT online von mehreren Quellen bestätigt wurde: Neben den neuseeländischen Verteidigern und dem britischen COR Ineos Britannia haben American Magic und offenbar auch Luna Rossa und Alinghi Kurs auf den Cup genommen. Sie alle haben laut Experten bereits Teammitglieder verpflichtet – ein klares Zeichen für die Absichten. Die Schweizer Société Nautique de Genève, 2003 und 2007 an der Seite von Ernesto Bertarellis Team Alinghi umjubelter europäischer America's-Cup-Gewinner – will Mitte Dezember bei einer Pressekonferenz die neuen Pläne für den 37. America’s Cup vorstellen. Mit Stars & Stripes nimmt zudem ein zweites amerikanisches Team Anlauf.