America's Cup"Wetten Sie auf Eigeninteresse!"

Tatjana Pokorny

 · 02.04.2015

America's Cup: "Wetten Sie auf Eigeninteresse!"Foto: Archiv
Conner holte 1987 die Kanne zurück

Das Cup-Ringen um moralisches und juristisches Recht und Unrecht geht weiter. Chef-Vermarkter Schiller tritt nach – Dennis Conner weiß warum

  Hier schien die Cup-Welt für Chefvermarkter Harvey Schiller (l.) und Bermudas Premierminister Michael Dunkley noch in OrdnungFoto: ACEA/Gilles Martin-Raget
Hier schien die Cup-Welt für Chefvermarkter Harvey Schiller (l.) und Bermudas Premierminister Michael Dunkley noch in Ordnung

Kaum haben die Italiener ihre Androhung vom Rückzug aus dem America's Cup infolge des Klassenwechsels auf kleinere Boote wahrgemacht, tritt Chef-Vermarkter Harvey Schiller in einem öffentlichen Statement der America's-Cup-Organisatoren noch einmal nach. Statt hinter den Kulissen um Einigung zu kämpfen, wird zwischen den zerstrittenen Lagern jetzt öffentlich um moralisches und juristisches Recht gefochten. Schiller räumte zwar ein: "Ich weiß, dass alle über die von Luna Rossa getroffene Entscheidung enttäuscht sind. Und das insbesondere vor dem Hintergrund ihrer bedeutenden Historie im America's Cup." Doch diese Erkenntnis scheint Schiller nicht vom Kurs der totalen Kommerzialisierung der Veranstaltung und dem beschlossenen Kleinformat für die Katamarane im 35. America's Cup abzubringen. Im Gegenteil. Der ehemalige Air-Force-Pilot, Vize-Präsident von Turner Sports, Risikomanager und Baseball-Vermarkter, setzt seinen Kommerzialisierungskurs im America's Cup ungebremst fort – und setzt dabei aufs Spiel, was den Cup in seiner 164-jährigen Geschichte so erfolgreich sein ließ: die Einzigartigkeit.

Für die Entscheidung des Teams Luna Rossa hat Schiller kein Verständnis: "Unglücklicherweise war Luna Rossa nicht bereit, die Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren, die in Übereinstimmung mit den Regeln für den America's Cup festgehalten worden war." Mit diesen Worten verhöhnt Schiller die Italiener, die eine so weitreichende Entscheidung keinesfalls nur von einer einfachen Mehrheit durchgesetzt hatten sehen wollen. Doch Schiller behauptet obendrein: "Es ist schwer, den Rückzug nachzuvollziehen, wenn doch unser gemeinsames Interesse darin bestand, die Kosten im Griff zu behalten, mehr Teams zur Teilnahme zu ermuntern und dem America's Cup eine bessere Zukunft zu bescheren. Das Ganze ist umso erstaunlicher, als es doch Luna Rossa war, die auf eine Mehrheitsentscheidung in solchen Fällen bestanden haben."

Genau das bestreiten die Italiener, die sich auch gegen die viel zu späte Klassenänderung im laufenden Wettbewerb wenden und die krasse Kehrtwende verweigern. Denn die Entscheidung zugunsten der kleineren Boote benachteiligt vor allem sie, die finanziell solide aufgestellt sind und in ihrer Design-Entwicklung für die ursprünglich vorgesehenen größeren Cup-Katamarane vom Typ AC62 schon weit vorangeschritten waren. Man darf sich das Geschehen theoretisch in etwa so vorstellen: Für die Olympischen Spiele wird eine neue Disziplin mit Sechser-Bobs angekündigt. Die stärksten Nationen legen sofort los, testen Material dafür, heuern kluge Designer an und entwickeln diese neuen Sechser-Bobs. Auf halbem Weg zu den Olympischen Spielen dann wird die Entscheidung widerrufen, weil sich viele Nationen – was für eine Überraschung – keine Sechser-Bobs leisten können. Stattdessen soll nun auf Dreier-Bobs gefahren werden, weil das kostengünstiger sei. Man kann sich vorstellen, dass diejenigen Nationen, die bereits weit in der Entwicklung ihrer Sechser-Bobs vorangeschritten waren, über ein solches Manöver inmitten des Wettbewerbs wenig entzückt wären.

Dass nun mit Prada-Patriarch Patrizo Bertelli und seiner Luna Rossa Challenge einige der bekanntesten und leidenschaftlichsten Cup-Jäger auf diese Weise kaltgestellt werden, ist mehr als bedauerlich. Vorzuwerfen ist den Cup-Organisatoren in jedem Fall, dass sie mit ihren Änderungen viel zu spät kommen. In keiner anderen ernst zu nehmenden Sportart wäre es denkbar, mitten im Wettbewerb die Regeln derart drastisch zu verändern, ohne die ungeteilte Zustimmung aller Teilnehmer zu haben. Geht man davon aus, dass mindestens die Verteidiger schon länger für das Cup-Kleinformat planen, haben sich die nun gleich selbst noch einen enormen Vorteil verschafft. Dass einige der Herausforderer-Teams sich bei der Abstimmung über den Klassenwechsel trotzdem auf die Verteidiger-Seite gestellt haben, ist mit deren Finanzierungsproblemen einfach erklärt. Nach dem Motto "Kleiner ist billiger und also für uns besser" haben die zustimmenden Syndikate vor allem aus Eigeninteresse gehandelt und dafür erneut ein großes Stück Cup-Faszination hergeschenkt. Mehr noch, sie haben dem Cup in seinen Bemühungen um Ansehen als ernsthafte Sportart keinen großen Gefallen getan. Denn es stellt sich die Frage, ob es wirklich gerecht ist, früh durchgestarteten Teams ihrer erarbeiteten Vorteile zu berauben, indem man den Technologie-Wettbewerb lange nach dem Startschuss noch einmal bei null anfängen lässt, um Neueinsteiger zu locken.

  Sitzt an den Hebeln der Cup-Macht und nutzt sie: Skipper Jimmy SpithillFoto: ACEA/A. Kingman
Sitzt an den Hebeln der Cup-Macht und nutzt sie: Skipper Jimmy Spithill

Die Argumente für das neue Kleinformat wirken auch deshalb wenig glaubwürdig, weil schon die Einführung der großen AC62-Katamarane vor rund einem Jahr mit der gleichen Begründung beworben wurde. Damals sagte Oracle Team USAs Skipper Jimmy Spithill über die AC62-Katamarane: "Die neuen Boote werden deutlich leichter sein und unter weniger Last segeln als die, die wir im letzten Cup gesegelt haben. Deswegen werden sich mit Blick auf den Bau der Boote große Kostenersparnisse ergeben." Ach ja? Das hat wohl nicht so gut geklappt. Möglicherweise irrte Spithill nicht nur damals. Möglicherweise haben viele Experten recht, wenn sie darauf hinweisen, dass ein paar Meter mehr oder weniger die Baukosten eines Cup-Prototypen gar nicht so sehr beeinflussen, weil die für jede Größe einer Cup-Yacht zu leistende Design- und Entwicklungsarbeit den teuren Part ausmacht?

  Cup-König Dennis Conner: "Wetten Sie auf Eigeninteresse!"Foto: Archiv
Cup-König Dennis Conner: "Wetten Sie auf Eigeninteresse!"

Warum also kommt diese Änderung nun so spät im 35. Cup-Zyklus? In Seglerkreisen erzählt man sich gern die Geschichte, dass Cup-König Dennis Conner einmal auf die Frage nach dem Hintergrund einer umstrittenen Cup-Entscheidung gesagt habe: "Wetten Sie auf Eigeninteresse. Im America's Cup liegen Sie damit immer richtig." Das Eigeninteresse der Amerikaner ist in diesem Fall mit der Angst vor dem Verlust von mehr Teams als nur Luna Rossa und mit der Hoffnung darauf verbunden, mit den kleinen Katamaranen, die voraussichtlich diverse Einheitsbauteile haben sollen, neue Cup-Teams für das Spektakel zu erschließen, das einen heftigen Teilnehmerschwund hinzunehmen hatte, seit die Amerikaner nach ihrem gerichtlich erzwungenen und gewonnenen ungleichen Duell gegen Alinghi 2010 das Steuer übernommen haben. Ihr seitdem angestrebter Sprung aus dem "Flintstone-Zeitalter in die Facebook-Generation" und die Mobilisierung neuer Teams und großer Fan-Massen ist bislang nicht gelungen.