4:0 klingt nach Stärke und Überlegenheit. So deutlich führt das Emirates Team New Zealand bislang im 37. Match um den America’s Cup gegen die Herausforderer von Ben Ainslies Team Ineos Britannia. War’s das schon? Geht es so bis zum 7:0 weiter? Oder können die Briten das Blatt doch noch zu ihren Gunsten wenden? Immer wieder werden in Barcelona in diesen Tagen Erinnerungen wach an das imposanteste Comeback in der Geschichte des America’s Cup. 2013 hatte Neuseeland vor San Francisco bereits 8:1 gegen das Oracle Team USA geführt und acht Matchpunkte vor Augen.
Legendär und unvergesslich war der Auftritt von Oracle-Skipper Jimmy Spithill damals in der Pressekonferenz beim Stand von 1:7 gegen sein Team: „Ich denke, die Frage ist diese: Stellt euch vor, dass die Jungs ab jetzt verlieren? Was für ein Ärgernis das wäre. Wo sie es schon so gut wie in der Tasche haben.“
Einen Punkt gab das US-Team um Jimmy Spithill nach dieser Aussage noch zum 1:8 ab. Dann kehrte das Oracle Team USA nach einem weiteren Ruhetag am 19. September 2013 wie ausgewechselt auf den Kurs zurück. In Rennen 12 gelang ein Start-Ziel-Sieg mit offensichtlich stark verbessertem Boot. Mit 31 Sekunden Vorsprung im Ziel schockten die Amerikaner die Kiwis und ihren damaligen Steuermann Dean Barker.
Mit an Bord des amerikanischen AC72-Katamarans vor elf Jahren an der Seite von Jimmy Spithill: Ben Ainslie als eingewechselter Taktiker und Tom Slingsby (im aktuellen America’s-Cup-Zyklus Steuermann auf der im Louis-Vuitton-Cup-Halbfinale ausgeschiedenen US-Yacht „Patriot) als Stratege. Gemeinsam war es dem Trio, der Crew und dem Technik-Team an Land gelungen, Rennen für Rennen aus dem 1:8 noch ein 9:8 zu machen. Die Sensation war am 25. September 2013 perfekt.
US-Kommentator Gary Jobson, selbst ein erfahrener America’s-Cup-Segler, attestierte den US-Siegern damals einer „vertikale Lernkurve“ mit ihrem Boot. „Die haben den Düsentrieb gezündet“, sagte Jobson zur Frage, woher damals im Duell mit den zuvor dominant schnelleren Kiwis plötzlich der Geschwindigkeitsgewinn der US-Yacht herkam. Der geschlagene neuseeländische Skipper Dean Barker nannte die Speedgewinne der Amerikaner „phänomenal“.
Ben Ainslie erinnert sich in seinem Podcast „The Inside Track“ an das Hochgefühl des Triumphes: „Es war ein unglaubliches Finale gegen das Emirates Team New Zealand. Damals 1:8 zurückzuliegen – und es 9:8 gewinnen, das war eine fantastische Zeit.“ Sein Team, zu dem er damals erst in den letzten zwölf Monaten gestoßen war, sei als Verteidiger durch einer Serie technischer Probleme gegangen. “Wir hatten uns schon ein tiefes Loch gegraben”, wusste 2013 auch Jimmy Spithill, bevor sich sein Team daraus wie Phönix aus der Asche erhob.
„Zum Glück”, erinnert sich Ben Ainslie, “standen wir als Verteidiger schon im Finale, hatten die Zeit, die Resourcen, und die Erfahrung zu verstehen, wie sehr wir ins Hintertreffen geraten waren. Und etwas dagegen zu unternehmen.“ Die Wende damals, die unter anderem enorm verbessertem Amwind-Speed zu verdanken war, habe ihn stark beeindruckt. Ainslies Erinnerung: „Die Leute haben damals alle über die seglerische Seite des Ganzen gesprochen, aber es waren tatsächlich mehr die Designer, die Techniker, die Ingenieure und Bootsbauer, die in Tag- und Nachtschichten für die Modifikationen am Boot gearbeitet haben. Sie haben es uns erlaubt, diese Extra-Leistung zu erreichen.“
Jetzt könnte Ben Ainslie im 37. America’s Cup wieder so einen “Turnaround” gebrauchen. Sein Team Ineos Britannia liegt 0:4 zurück. Noch fehlen den neuseeländischen Rivalen zwei Zähler zu die ersten Matchpunkten, doch die bisherige Zu-Null-Bilanz sorgt für Druck im britischen Lager. In Barcelona und in den Design-Büros in Brackley bei London wird rund um die Uhr an Antworten auf den starken neuseeländischen Cup-Aufschlag gefahndet.
Sie hatten offensichtlich einen starken Start, aber wir können uns davon erholen.“ Ben Ainslie
Ben Ainslie bleibt im Gegenwind bei seinem Motto: „Wir werden bis zum Ende kämpfen, niemals aufgeben.“ Für sein Team ginge es jetzt darum herauszufinden, „wie wir einige Leistungssteigerungen erreichen können, um sie zu übertreffen“. Ainslie sagte: „Wir haben unsere starken Momente, aber es gibt auch Zeiten, in denen es nicht so gut läuft. Und ich denke, das macht den Unterschied aus. Wir werden bis zum Schluss dranbleiben.”
So sieht es auch Ainslies Co-Pilot Dylan Fletcher: „Ich denke, dass die Leute von Anfang an an uns gezweifelt haben. Aber wir haben die Leute auf dem ganzen Weg eines Besseren belehrt. Wir haben das Gefühl, dass wir ihnen das Wasser reichen können, und wir werden sehen, wie es am Mittwoch läuft. Das Ergebnis ist enttäuschend, aber wir glauben fest daran, dass es noch nicht vorbei ist.“
Die Segelwelt blickt den für Mittwoch (16. Oktober) geplanten America’s-Cup-Rennen 5 und 6 entgegen. Konnten die Briten den Ruhetag für eine mögliche Leistungssteigerung nutzen und endlich erfolgreich angreifen?
Bislang wirken die Kiwis wie ein Schweizer Uhrwerk, bei dem alle Räder optimal ineinandergreifen. Sie kommen beispielsweise auffällig schneller aus den Wenden als die Briten. Sie erreichen höhere Durchschnittgeschwindigkeiten und segeln mit ihren Einstellungen fast so perfekt wie von einem Computer gesteuert.
Wir haben das Gefühl, besser und besser zu werden.“ Peter Burling
Vor dem Ruhetag hatte Peter Burling nach dem 4:0 fast fröhlich angekündigt: „Wir haben in der Werft noch ein paar Dinge am Boot zu tun. Es geht darum, den Druck hochzuhalten. Wir haben das Gefühl, noch nicht unsere Bestleistung erreicht zu haben. Da kommt noch einiges und wir sind begeistert von dieser Herausforderung.“
Zum Thema Geschwindigkeit sagte Burling: „Speed spielt immer eine riesige Rolle im America’s Cup.“ Die provozierende Frage, ob sein Boot nach der Teilnahme an den Round-Robin-Auftaktrunden im Louis Vuitton Cup und rund einem Monat Rennpause mit neuen Foils, neuem Ruder und stark optimiert wie ein „neues Boot“ sei, beantwortete Peter Burling lächelnd: „Wir haben kein neues Boot. Es ist dasselbe, das wir immer hatten. Wir dürfen nur eins bauen.“
Burling versicherte: „Ich denke, es geht darum, die vielen Details zu lösen. Es gibt so viele kleine Dinge, die im America’s Cup einen Unterschied machen. Bis dahin, wie die Segler damit umgehen und arbeiten.“ Das wird am Mittwoch ab 14.10 Uhr in den Rennen 5 und 6 zu erleben sein. Hier geht es zum Link für die Live-Übertragung aus Barcelona am 16. Oktober ab 14 Uhr.
Das größte Comeback der America’s-Cup-Geschichte: