America’s CupWende im Cup-Duell – zwei Siege für “Britannia”

Tatjana Pokorny

 · 16.10.2024

Hartes Brot: Die Kiwis sind in der Vorstartphase von den Foils gefallen und bekommen noch Abwinde von "Britannia" dazu
Foto: Ian Roman/America's Cup
Am Vortag noch erschienen vielen Fans die Kräfteverhältnisse im America’s Cup eindeutig verteilt. Jetzt haben die Herausforderer nach ihrem schnellen 0:4-Rückstand erstmals zurückgeschlagen. Mit zwei ganz unterschiedlichen Rennsiegen rückten Ben Ainslie und Team Ineos Britannia den zuvor schon enteilten neuseeländischen Verteidigern wieder näher.

Die Segelbedingungen waren an diesem vierten Renntag im 37. Match um den America’s Cup schwierig: Ein sommerlicher leichter Südwind, der bei Rennbeginn so gerade eben über dem 6,5-Knoten-Minimalwert lag. Dazu eine konfuse und unangenehme Welle. Die Geschichte des insgesamt fünften Rennens ist in diesem Rahmen schnell erzählt: Die zuletzt so makellos agierenden Neuseeländer fielen im Vorstart von den Foils und bekamen in hilfloser Position noch Abwinde von “Britannia” geschickt, bevor die sich zunächst solo dem Rennkurs widmete.

Von den Foils gefallen

Ben Ainslie sah sein Team durchaus daran beteiligt, dass den Kiwis der später von Peter Burling eingeräumte “kleine Fehler” unterlief, der zum Bauchklatscher von “Taihoro” führte. America’s-Cup-Jäger Ainslie sagte: “Am Ende haben wir sie im Vostart-Dialdown zur Halse gezwungen. Dafür hatten sie nicht genügend Geschwindigkeit.”

Die etwas später noch einmal zusätzlich erzeugten Abwinde für die Gegner seien allerdings keine gezielte Aktion mehr gewesen. Ben Ainslie sagte: “Das ist einfach passiert, weil auch wir unbedingt auf den Foils bleiben mussten. Das war nicht einfach bei dem wenigen Wind und den vielen Wellen.”

Meistgelesene Artikel

1

2

3

“Britannia” erreichte in diesem Rennen das erste Luv-Tor nach knapp 6 Minuten mit 2:15 Minuten Vorsprung. Die Crew um die Steuermänner Ben Ainslie und Dylan Fletcher segelte den America’s-Cup-Kurs auch danach konzentriert und einsam an der Spitze ab. Ihren Rückstand von zwischenzeitlich mehr als 1,7 Kilometern konnten die Kiwis bis ins Ziel immerhin noch auf 1 Minute und 18 Sekunden drücken. Eine echte Chance hatten sie in diesem Rennen nach dem Vorstart-Malheur nie mehr.

Das war nach unseren Standards ein echter Schocker, ein Rennen, dass wir lieber vergessen würden.” Blair Tuke

Neuseelands Trimmer Blair Tuke, gemeinsam mit Steuermann Peter Burling 49er-Olympiasieger von 2016 und Silbermedaillengewinner von 2021, erklärte das Vorstart-Ärgernis in Rennen 5 im Interview detaillierter: “Das war hart. Die Vorstartphase war schon vorbei, bevor sie richtig begann. Das war ein ziemlich dicker Fehler von uns. Der Wind war in der Auftaktphase sehr leicht. Es war sehr schwierig vor dem Wind, weil man auf der Rückseite der Wellen steckenbleiben konnte. Und genau das ist natürlich passiert…”

America’s Cup: Briten-Rakete holt Startvorteil

Das Szenario, das dann zum Absturz führte, beschrieb Blair Tuke so: “Wir mussten Zeit totschlagen, um nicht zu früh dran zu sein. Und als wir dann auf den Auslöser gedrückt haben, wurden wir einfach von zwei richtig fiesen Wellen erwischt. Wahrscheinlich haben wir uns auch ein wenig vertan - man sollte das Boot nie in eine langsame Halse bringen. Ja, das war wirklich schade. Wir hätten das nicht tun sollen.”

Umkämpfter verlief Rennen 6 in diesem neuseeländisch-britischen Duell um den America’s Cup. Da kamen die Briten bei fast ebenbürtigem Start am Pinend mit zehn Knoten mehr Bootsgeschwindigkeit raketenartig von der Linie weg. Neuseelands Co-Piloten Peter Burling und Nathan Outteridge attackierten die offensichtlich schneller gewordene “Britannia» danach ununterbrochen. Doch ihre britischen Rivalen Ben Ainslie und Dylan Fletcher parierten alle Angriffe und ließen sich weder von einem eigenen Touchdown bei einer Halse noch durch ein paar nicht ganz so zackige Wenden aus dem Takt bringen.

Wie ausgeglichen dieses Begegnung verlief, zeigten beispielsweise die Abstände an den Wendmarken. Beim ersten Luv-Tor hatte “Britannia” 6 Sekunden Vorsprung. Der wuchs zwar bis Tor 4 auf 16 Sekunden an, schmolz dann aber bis Tor 7 wieder auf 7 Sekunden zusammen. Und genau diese 7 Sekunden blieben es bis ins Ziel. Auch die Daten signalisierten ein fast ausgeglichenes Bild: “Britannias” Top-Geschwindigkeit lag bei 42,3 Knoten, “Taihoros” bei 42,2 Knoten.

Das war ein Wahnsinnsrennen.” Peter Lester

Bei der Durchschnittsgeschwindigkeit hatte “Taihoro” mit 35 Knoten knapp die Bugspitze vor “Britannia” (34,8 Knoten). Das kleine Mehr bei den Kiwis reichte aber nicht, um an der konzentriert verteidigenden “Britannia” vorbeizukommen, die sich ihren gewinnbringenden Vorsprung nach dem Blitzstart auf dem ersten Kursabschnitt verdient hatte. Ben Ainslie, Dylan Fletcher und ihr Team brachten ihren AC75-Foiler nach 28:13 packenden Rennminuten und einem hochspannenden letzten Vorwind-Ritt mit nur rund dreieinhalb Bootslängen Vorsprung siegreich ins Ziel.

Erster britischer Doppel-Erfolg beim America’s Cup seit 90 Jahren

Für die Briten war es das erste Mal in über neunzig Jahren, dass sie zwei Rennen in einem America's-Cup-Match gewonnen haben. 1934 hatte Sir T.O.M. Sopwiths „Endeavour“ zwei Läufe gewonnen, bevor Harold Vanderbilts „Rainbow“ zur Siegesserie ansetzte und die amerikanisch-britische Begegnung mit 4:2 für sich entschied. Auch diese Leistung dürfen Sir Ben Ainslie und seine Mitstreiter ins historische Kapitel aufnehmen, dass sie vor Barcelona bei noch offenem Ende in jedem Fall schreiben.

Das Comeback läuft.” Ben Ainslie

“Das war ein Tag fürs Team”, hatte Ben Ainslie schon kurz nach dem gelungenen Powerplay gegen die zweimal hintereinander unterlegenen Neuseeländer gesagt. Die vielen Fragen, woher die beständigen Gewinne der Briten kämen, beantwortete der 47-Jährige CEO und Skipper seines Teams an diesem Tag immer wieder mit Verweis auf die Designer, die Ingenieure, die Landmannschaft. Dabei konnte man gut diese Mischung aus Siegfreude und Entschlossenheit in seinem Gesicht lesen, die es auch auf dem Weg zu seinen vier Olympiasiegen zu sehen gab.

Ainslies Zwischenbilanz am Abend des vierten Renntages, der dem Cup-Duell reichlich neue Spannung geschenkt hat, als manche Beobachter schon vorzeitig über Langeweile klagten: “Sicher sind die Kiwis stark aus den Startblöcken gekommen. Wir mussten den Glauben wahren, weiter auf Hochtouren arbeiten und Verbesserungsmöglichkeiten finden. Definitiv geht bei uns sehr viel vor sich. Die positive Stimmung und das Momentum, die wir aus diesem Tag ziehen, sind massiv.”

Cup-Entscheidung frühestens am Wochenende

Weiter gilt auf dem America’s-Cup-Gipfel vor Barcelona: Das Team, das zuerst sieben Siege holen kann, gewinnt die 1848 gefertigte Silberkanne. Das Duell wird am Freitag (18. Oktober) mit den Rennen 7 und 8 fortgesetzt. Hier geht es zur Übertragung aus Barcelona ab 14 Uhr. Eine Entscheidung kann frühestens am Samstag fallen.


Sehens- und hörenswert – Blitzinterviews mit Ben Ainslie und Nathan Outteridge:

37. Match um den America’s Cup, Rennen 5:

37. Match um den America’s Cup, Rennen 6:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta