Tatjana Pokorny
· 23.05.2025
Der Vorgang am Vortag war ungewöhnlich. Sowohl der Challenger of Record Athena Racing als auch das US-Team NYYC American Magic hatten den neuseeländischen Verteidigern auf ihrem Kurs zum 38. America’s Cup in öffentlichen Statements am 22. Mai mangelnde Transparzen und fehlenden Kooperationswillen vorgeworfen. Die Statements waren binnen einer Stunde am europäischen Nachmittag veröffentlicht worden. Hier geht es zur Meldung dazu.
Die Vorwürfe der Herausforderer hatten die Verteidiger in Neuseeland zu nachtschlafener Zeit erwischt. Doch inzwischen haben die Kiwis reagiert – mit maximaler Transparenz. In einem eigenen Statement erklärte Team New Zealand, die Herausforderer hätten „unbegründete Vorwürfe“ erhoben. Zum „Zeichen vollständiger Transparenz“ haben die Verteidiger mit ihrer öffentlichen Antwort den jüngsten Protokoll-Entwurf vollständig veröffentlicht.
Unter dem Titel “Statement des Emirates Team New Zealand als Antwort an Athena Racing und American Magic” heißt es in der Erklärung der Verteidiger weiter:
“Der Verteidiger hat eng und positiv mit allen Teams zusammengearbeitet, um den America's Cup in eine neue partnerschaftliche Struktur zu überführen und damit die Zukunft des America's Cup zum Wohle der Veranstaltung und aller aktuellen und zukünftigen Teams zu stärken.”
Es folgt im Statement der Verteidiger unter der Überschrift “Protokoll” eine Erklärung zu den Abläufen aus neuseeländischer Sicht:
“In einer beispiellosen Aktion hat der Verteidiger in Zusammenarbeit mit dem Challenger of Record in den letzten Monaten mit allen Teams an der Entwicklung des Protokolls für den 38. America's Cup gearbeitet. Das Ergebnis ist das aktuelle Protokoll, das viele Ideen und Positionen der Teams berücksichtigt. Aufgrund der umfangreichen Beiträge der Teams hat sich die Fertigstellung des Protokolls verzögert.
Die neueste Version des Protokolls wurde vor 10 Tagen, vor der Bekanntgabe von Neapel, an den Challenger of Record Athena Racing zurückgeschickt. Der Verteidiger hat vom Challenger of Record keine Rückmeldung zur neuesten Version erhalten, außer der Bestätigung, dass sie von den Teams gut empfangen wurde.
Aufgrund der unbegründeten Vorwürfe, die Athena Racing und American Magic gegen ihn erhoben haben, hält es der Verteidiger nun jedoch für angebracht, den aktuellen Entwurf des Protokolls für den 38. America's Cup heute zu veröffentlichen, um vollständige Transparenz zu zeigen.”
In einer zusätzlichen Passage erklären die Verteidiger zur “Vereinbarung zwischen dem Veranstaltungsort und dem Veranstalter”:
“Es liegt in der Verantwortung des Verteidigers und ist gemäß einer Vereinbarung mit dem Challenger of Record verpflichtend, bis zum 19. Juni 2025 einen Austragungsort zu sichern, damit alle Teams Klarheit über eine der wichtigsten Grundlagen des America's Cup haben.
Dank der spannenden Ankündigung von Neapel, Italien, für 2027 verfügen die Teams nun bereits im Voraus über diese Informationen und können entsprechend planen.
Im Gegensatz zur Erklärung von Athena Racing wurde allen Teams bereits nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsvereinbarung (NDA) uneingeschränkter Zugang und Transparenz zur Veranstaltungsortvereinbarung (HVA) gewährt, die erst letzte Woche unterzeichnet wurde. Eine solche Anforderung ist bei Verträgen mit sensiblen geschäftlichen Informationen üblich. Der Verteidiger hat die zurückgesandten NDA von Athena Racing als Challenger of Record noch nicht erhalten.”
Der veröffentlichte letzte Stand des Protokolls ist ein 70-seitiger Entwurf samt Anhang und Erklärungen. Das Protokoll gibt einen Überblick über die wichtigsten Inhalte und Eckdaten für den 38. America’s Cup. Daring geht es um die geplanten Events inklusive Youth und Women’s America’s Cup, die erneut auf AC40-Yachten ausgetragen werden sollen. Es geht um Meldegelder, Kostenbeteiligungen, Crew-Stärken, Klassen- und Nationenregel, kommerzielle Rechte und viele kleine und große Punkte mehr.
Der jetzt veröffentlichte Protokollentwurf enthält zwei von den neuseeländischen Verteidigern gelb markierte Passagen. Eine betrifft unter Punkt 22.1 die AC75-Klassenregel. Im Absatz d geht es um die künftige Crew-Stärke, mindestens einen “jungen” Segler unter 25 Jahren und mindestens eine Frau ohne Altersbeschränkung. In Absatz d geht es um einen offensichtlich umstrittenen Klassiker: die Kraftgenerierung an Bord. Die Verteidiger merken hier an, dass sie diese Punkte als Feedback auf die Rückmeldung des Challenger of Record integriert, sich aber selbst noch nicht damit einverstanden erklärt haben.
Eine zweite gelbe Markierung findet sich beim Thema Nationalitätenregel. Sie ist ein klassischer Streitpunkt bei Verhandlungen zwischen den üblicherweise zuhause stark und breit aufgestellten Neuseeländern und den Herausforderern, die teilweise eher auf internationale Verstärkung angewiesen sind. Hier haben die Neuseeländer angemerkt, dass sie noch auf ein Echo vom Challenger of Record warten. Für Youth und Women’s America’s Cup soll wieder die 100-Prozent-Nationalitätenregel greifen.
Das Ringen zwischen den Verteidigern auf der einen und dem Challenger of Record als Verhandlungspratner und Vertreter aller Herausforderer auf der anderen Seite wird weitergehen. Ob, wann und wie Einigung erzielt werden kann, bleibt vorerst offen.
Bewegte Zeiten hat der America’s Cup in seiner 174-jährigen Geschichte an den Verhandlungstischen Land und auf dem Wasser erlebt. Hier die “intensivsten America’s-Cup-Momente”: