America’s CupÜberraschendes Kiwi-Comeback nach Kranunfall, “Patriot” gewinnt Flauten-Duell

Tatjana Pokorny

 · 30.08.2024

Die amerikanische "Patriot" auf den Foils, Alinghi Red Bull Racings "BoatOne" ist von den Foils gefallen
Foto: Ricardo Pinto/America's Cup
Tag zwei im Louis Vuitton Cup hielt für Segler und Zuschauer viele Qualen bereit. Das einzige “richtige” Rennen des Tages begann mit Verspätung und prüfte die Nerven der America’s-Cup-Herausforderer NYYC American Magic und Alinghi Red Bull Racing. An Land vollbrachten die Kiwis ein kleines Wunder: Die am Vorabend aus dem Kran gefallene “Taihoro” soll nach anfänglich starken Sorgen schon am Samstag wieder im Louis Vuitton Cup aufkreuzen.

Leichte Winde haben den zweiten Tag der Herausforderer-Runde zum 37. America’s Cup gelähmt. Erst mit Verspätung konnte das einzige Duell des Tages zwischen der US-Yacht “Patriot” und Alinghi Red Bull Racings “BoatOne” auf den Kurs vor Barcelona geschickt werden. Während die Schweizer bereits in der Startbox von den Foils fielen und eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr auf die Beine kamen, segelte «Patriot» zunächst noch einigermaßen leichtfüßig davon. Alinghi Red Bull Racings “BoatOne” kreuzte die Startlinie erst drei Minuten später.

Bahnverkürzungen in Serie

Entschieden war der Nervenpoker damit aber noch nicht. Denn auch “Patriot” fiel im weiteren Verlauf des Rennens vielfach von den Foils, hatte sich allerdings beim Auftakt ein Polster von mehr als einem halben Kilometer Vorsprung erworben. Es war teilweise erbarmungswürdig anzusehen, wie die Crews minutenlang vergeblich darum kämpften, ihre entzauberten Foiler wieder in Schwung zu bringen. Die Wettfahrtleitung verkürzte den Kurs immer wieder, bis er keine Seemeile mehr maß und von sechs auf vier Schenkel reduziert war – auch, um das Zeitlimit von 45 Minuten nicht zu überschreiten.

Für Alinghi Red Bull Racing schwanden mit der schrittweisen Kursverkürzung alle Chancen, das Duell doch noch zu drehen. Nicht nur den üblicherweise sehr moderaten Sailing Team Manager der Eidgenossen ärgerte das. America’s-Cup-Gewinner Rodney Ardern sagte nach dem Rennen: “Die größte Frustration resultierte heute daraus, dass die Regattaleitung das Rennen verkürzte, um ein 34-minütiges Rennen zu erreichen, während wir noch versuchten, das andere Boot einzuholen. Die Regeln sehen eine Höchstdauer von 45 Minuten vor. Darum fällt es uns schwer zu verstehen, worin die Dringlichkeit bestand, das Rennen zu verkürzen, während wir noch unterwegs waren.”

Weiter sagte Ardern: “Grundsätzlich verstehen wir, dass man während des Rennens Bahnen verkürzen kann – die Entfernung und die Richtung zu den Bahnmarken – aber heute wurden mehrfach Bahnen verkürzt, obwohl die Boote sich schon auf dieser Bahn befanden. Eine immer kürzer werdende Bahn, die ein Aufholen praktisch unmöglich machte, das ist super frustrierend.“

Wenn Foiler unfreiwillig zu Verdrängern werden

Das Fazit des Ocean-Race- und America’s-Cup-Veteranen: “Wir sind alle hier, um gegeneinander zu segeln. Leider mussten wir heute beide mit herausfordernden Bedingungen kämpfen. Glückwunsch an American Magic, die das besser hinbekommen haben als wir. Sie hatten die gleichen Probleme, auch sie waren zeitweise auf den Foils und dann wieder nicht. Insofern war es ein Glücksspiel, eine Lotterie. Für die nächsten Tage hoffen wir auf gute, faire Rennen und gute Bedingungen. Hoffentlich können alle Rennen stattfinden und Sportler und Zuschauer hochwertige Rennen erleben.“

Die Nervenschlacht und ihren ersten Siegpunkt im Louis Vuitton Cup der Herausforderer gewannen die Amerikaner. Auch deren Co-Pilot Tom Slingsby sagte: “Das war gar nicht hübsch, sondern echt harte Arbeit.” Der America’s-Cup-Gewinner von 2013, dreimalige SailGP-Saisondominator und Laser-Olympiasieger warf einen realistischen Blick auf das stressgeladene Rennen: “Wir hatten zu Beginn ein bisschen Wind, und wir hatten sie von den Foils geholt. Also dachten wir, 'okay, wir sollten in der Lage sein, einfach den Kurs abzufahren'.”

Auch wenn wir heute gewonnen haben, so ist man immer am Rande des Abgrunds.” Tom Slingsby

So einfach aber war es eben nicht, wie auch Tom Slingsby berichtete: “Der Wind wurde immer schwächer, ging von 7,5 auf 6,5 Knoten runter. Dann hatten wir zeitweise nur noch fünf Knoten. Als wir auf dem letzten Abschnitt von den Foils fielen, habe ich versucht, mir das so vorzustellen: Wenn ich 10 Knoten bei 120 Grad segle und er jetzt auf den Foils ist, wie lange wird er brauchen, um uns einzuholen? Diese Bedingungen sind so anstrengend, und ich bin froh, dass wir einen ausreichenden Vorsprung hatten, um den Punkt zu sammeln. Wenn man einen kleinen Fehler macht, kann das Rennen schon vorbei sein.”

“Britannia” gewinnt kampflos

Das zweite Rennen des Tages gewann Ineos Britannia ohne Gegner und mit erfolgtem Start. Anschließend brach die Wettfahrtleitung das Rennprogramm in zu leichten Winden ab. Das Duell zwischen Luna Rossa Prada Pirelli und NYYC American Magic musste auf Samstag vertagt werden.

Auch nicht antreten konnten an Tag zwei im Louis Vuitton Cup die America’s-Cup-Verteidiger vom Emirates Team New Zealand gegen Frankreichs Orient Express. Ohne die Flautenverschiebung des Duells auf den nächsten Tag hätten die Franzosen den Siegpunkt abgestaubt. Die neuseeländische Cup-Yacht „Taihoro“ war am Vorabend beim Herauskranen aus dem Wasser sechs Meter tief auf seinen Lagerbock gestürzt.

Teamchef Grant Dalton hatte am Morgen danach zunächst gesagt: “Die Reparaturen haben bereits begonnen. Wir hatten Glück, dass das Boot in den Lagerbock gefallen ist. Die Jungs haben ein Stück des Bootes weggeschnitten, das gerade ein bisschen wie die Titanic aussieht. Sie waren heute morgen schon dabei, das Stück neu zu bauen.” Der Zeitpunkt der Rückkehr der Verteidiger ins Renngeschehen war zunächst ungewiss geblieben. Alles hatte darauf hingedeutet, dass “Taihoro” möglicherweise schwerere Strukturschäden erlitten hat und länger ausfallen könnte.

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

“Taihoro” weniger stark beschädigt als befürchtet

Die Wende kam mit einem neuen Statement der Kiwis am Freitagabend. Darin hieß es: “Das Design- und Shore-Team von Emirates Team New Zealand hat seit dem gestrigen Vorfall beim Rauskranen der AC75-Yacht ‚Taihoro‘ nonstop gearbeitet. Nach gründlicher Untersuchung war das Team erleichtert, dass der Schaden nicht so schwer war wie zunächst erwartet.” Die überraschende Botschaft: “Das Team hat sich zum Ziel gesetzt, morgen, am Samstag, den 31. August, wieder zu seinen nächsten Rennen aufzukreuzen.“

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Der Louis Vuitton Cup wird bis zum 8. September und der Ermittlung der vier Halbfinalisten unter fünf Herausforderern fortgesetzt. Das Programm für Tag drei hat nach den Verschiebungen am Samstag mit insgesamt sechs Matches XL-Format. Der Renntag wird mit den Nachholduellen zwischen Italien und den USA sowie Neuseeland gegen Frankreichs “Orient Express” eröffnet. Es folgen die Begegnungen zwischen Alinghi Red Bull Racing und Ineos Britannia, Frankreich und den NYYC American Magic, “Britannia” gegen “Luna Rossa” und der Schweiz gegen Neuseeland. Damit sind jeder der fünf Herausforderer und die Verteidiger jeweils zweimal gefordert.

Hier geht es zu den Ergebnissen. Dabei ist zu beachten, dass für die Ermittlung der vier Halbfinalisten von den beiden Ergebnislisten für den Louis Vuitton Cup die Matchbilanz der Herausforderer ohne die neuseeländischen Verteidiger relevant ist. Ineos Britannia und Luna Rossa Prada Pirelli führen das Herausforderer-Klassement mit jeweils einem Sieg bei keiner Niederlage an. Die Amerikaner und die Franzosen folgen mit je einem Sieg und einer Niederlage. Tabellenschlusslicht ist zu diesem frühen Zeitpunkt der doppelten Round-Robin-Runde mit insgesamt 30 Matches bei zwei Niederlagen das am Freitag so unglücklich geschlagene Alinghi Red Bull Racing.

Louis Vuitton Cup, Tag 2, Rennen 5 – NYYC American Magic vs. Alinghi Red Bull Racing:

Grant Dalton – der entschlossene, kantige und kreative Teamchef der Kiwis und Dirigent der 37. America’s-Cup-Edition im Gespräch:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta