America's CupTaktik und Wind: die verblüffende Rennstrategie

Lars Bolle

 · 22.05.2017

America's Cup: Taktik und Wind: die verblüffende RennstrategieFoto: ACEA 2017 / Photo Ricardo Pinto
Links oder Rechts? Die richtige Strategie ist trotz Highspeed extrem wichtig

Die Gegner befinden sich einem Käfig, der viele Manöver garantieren soll. Dabei entstehen neue taktische Überlegungen

Der Regattakurs für die America’s-Cup-Wettfahrten wird täglich neu ausgelegt. Die Races sollen jeweils zwischen 20 und 25 Minuten dauern, je nach Windstärke und -richtung wird die Kurslänge variiert. Der Kurs ist an allen Seiten begrenzt, die Begrenzungen dürfen nicht übersegelt werden. Das Erreichen einer Begrenzung wird an Bord durch Lichtsignale angezeigt. Der betroffene Kat muss dann wenden oder halsen.

Wie heiß es in der Vorstartphase zugehen kann, zeigt dieses Battle zwischen Emirates Team New Zealand und Land Rover BAR, das mit einem Crash endet

Der Kurs im Detail

Jedes Rennen beginnt mit dem Vorstartgeplänkel um die beste Startposition. Diese richtet sich nach der Lage der Linie zum Wind. Die Races beginnen nicht wie normale Segelregatten mit einem Amwindkurs, sondern einem etwas raumeren als Halbwindkurs. Danach geht es um die erste Marke auf einen Vormwindkurs. In Lee befindet sich ein Tor aus zwei Bahnmarken, das von oben kommend durchsegelt werden muss. Den Teams ist anschließend freigestellt, die linke oder die rechte Marke zu runden. Dieses Gate hat sich auch bei normalen Wettfahrten etabliert, weil es einem zurückliegenden, also angreifenden Boot die Möglichkeit bietet, einen anderen Kurs als den vom voraus liegenden Gegner zu wählen und diesem nicht einfach hinterherzusegeln. So entstehen taktisch interessantere Situationen und mehr Überholmöglichkeiten.

  Der Racekurs. Innerhalb der roten Linien finden die Zweikämpfe stattFoto: americascup.com
Der Racekurs. Innerhalb der roten Linien finden die Zweikämpfe statt

Nach dem Tor geht es auf einen Amwindkurs, der wiederum mit einem Tor in Luv endet, wo dasselbe gilt wie am Leetor. Es folgt ein weiterer Vormwindgang, wieder das Leetor und abschließend ein Raumschotskurs ins Ziel. Die Rundenanzahl kann windabhängig variieren.

Die richtige Position am Start

Normalerweise ist am Start die Leeposition gewünscht. Aus dieser heraus kann der Kat in Luv geluvt werden, denn er muss sich freihalten. So kann der Steuermann des Leebootes, wenn alles passt, das Luvboot vor dem Start zu einem harten Luvmanöver zwingen, was bei diesem nicht selten einen Touchdown, das Herunterfallen von den Foils und damit großen Geschwindigkeitsverlust bedeutet. Außerdem kann das Leeboot aus dieser Position heraus den Zeitpunkt bestimmen, wann es nach einem Luvmanöver wieder abfällt und Fahrt aufnimmt. Der Gegner in Luv kann darauf nur reagieren, wird also später Fahrt aufnehmen und Meter verlieren. Das alles setzt aber gutes Timing des Teams auf dem Leeboot voraus.

Die Leeposition am Start hat einen weiteren Vorteil. Auf dem Weg zur ersten Marke muss sich der Katamaran in Luv von dem in Lee freihalten, also immer auf ein Manöver des Gegners gefasst sein. Es wird also immer etwas höher segeln als den direkten und damit kürzesten Weg, den das Leeboot wählen kann. Sollte das Luvboot schneller sein, kann es diesen Vorteil nicht unumschränkt nutzen und über das Leeboot hinwegsegeln, da sich dieses wieder mit einem Luvmanöver wehren kann, auf das das Luvboot reagieren muss.

Selbst wenn das Luvboot langsamer ist, muss es den etwas längeren Weg in Luv des Kurses des Leebootes wählen – denn die modernen AC-50-Boliden können nicht direkt hintereinander hersegeln. Das achteraus liegende Boot würde dann mit den Foils in das verwirbelte Wasser des vorausliegenden geraten. Da die aktuellen Foils ohnehin sehr instabil sind, könnte dieses verwirbelte Wasser zum Absturz führen.

Wenn beide Boote gleichzeitig starten und gleich schnell sind, garantiert die Leeposition bei Erreichen der ersten Marke die Innenposition beim Abfallen auf den Vormwindkurs. Das Leeboot kann dabei den Zeitpunkt des Abfallens frei wählen, während das Luvboot, da es sich freihalten muss, immer etwas später abfallen und damit zusätzliche Meter segeln wird, da es nur auf das Abfallmanöver des Leebootes reagieren kann.

Das manchmal sehr actiongeladene Geplänkel vor dem Start hat also meistens den Hintergrund, die Innenposition, also die linke Seite der Linie zu erreichen und den Gegner nach rechts zu drängen.

Groupama Team France erklärt hier die Regel etwas kurios, aber verständlich (französisch)

Links kann auch gefährlich sein

Doch die Leeposition ist nicht immer automatisch die bessere. Das richtet sich auch nach der Lage der Linie zum Wind. Liegt etwa die rechte Startlinienboje etwas mehr in Richtung der ersten Marke, hat das Boot in Luv schon ein paar Meter Vorsprung, selbst wenn beide gleichzeitig starten. Dann besteht die Gefahr für das Leeboot, in Luv überlaufen zu werden, was unbedingt vermieden werden sollte. Denn dabei gerät es in die Abdeckung des Luvbootes und würde viele Meter verlieren.

Aus diesem Grund birgt der Leestart neben den genannten Vorteilen auch einen großen potenziellen Nachteil. Selbst wenn die Linie genau rechtwinklig zum Kurs zur ersten Marke liegt, also weder Luv noch Lee vom Weg her bevorteilt sind, reicht schon ein etwas verzögerter Start von zwei oder drei Sekunden, um vom Luvboot überlaufen und abgedeckt zu werden. Das Luvboot dagegen kann sich einen etwas verspäteten Start erlauben. Es liegt dann zwar zurück, büßt jedoch nicht zusätzliche Meter durch Abdeckung und einen möglichen Touchdown ein.

Welcher Foil ist der richtige?

Wie bereits zuvor erklärt, kommt den Foils bei diesem Cup eine besondere Bedeutung zu. Nur vier Foils sind erlaubt, doch welche sind die richtigen? Einfach wären zwei Sätze, einer für Leichtwind und einer für Starkwind. Es ist aber auch denkbar, dass manches Team asymmetrisch ausgerüstet ins Rennen geht, also mit verschiedenen Foils in jedem Rumpf.

So wäre etwa auf der Backbordseite ein vor allem auf Halbwindkursen überlegener Foil denkbar, um auf dem so wichtigen ersten Teilstück vom Start bis zur ersten Marke den Gegner stehen zu lassen und dann nur noch verteidigen zu müssen.

Der andere Foil könnte dagegen eher auf dem Amwindkurs Vorteile haben, denn die Statistiken zeigen, dass es auf dem letzten Halb- bis Raumwindkurs ins Ziel bisher keine Platzierungsänderungen gab. Dort wäre ein Halbwindfoil also nicht so wichtig.

In dieser Konfiguration wäre ein Kat jedoch auf dem Amwindkurs zumindest auf einem Bug, dem mit dem Halbwindfoil, benachteiligt. Da der Cup aber sehr wahrscheinlich auf dem Amwindkurs entschieden wird, spricht eher wenig für eine asymmetrische Konfiguration.

Der wichtige Amwindkurs

Softbank Team Japan zeigt die durchgefoilte Wende, ein Novum bei diesem Cup und ein Grund, weshalb der Amwindkurs an Wichtigkeit gewinnt

Der Wendewinkel eines AC 50 liegt zwischen 100 und 110 Grad, der Halsenwinkel bei 90 Grad. Da der Regattakurs ringsum begrenzt ist und diese Begrenzungen nicht überfahren werden dürfen, müssen folglich die Boote auf dem Amwindkurs öfter wenden, als sie auf dem Vormwindkurs halsen müssen. Vorm Wind erreichen sie wegen des besseren Halsenwinkels nicht so oft die Begrenzungen. Zwar sind die Vormwindanteile in einem Race höher als der Amwindanteile, weil der Start in Luv und das Ziel in Lee liegt, dafür ist es leichter, am Wind einen kleinen Speed-Vorteil in eine Führung umzusetzen und diese zu verteidigen als vor dem Wind. Die Rennen werden also sehr wahrscheinlich an der Kreuz entschieden.

Die richtige Wetterprognose

Wie immer beim Segeln kann auch beim America’s Cup eine exakte Vorhersage über den Sieg entscheiden. Da der Twist des Flügels schon an Land eingestellt wird, muss das Team vorher wissen, wie viel Wind, wie viel Welle und welche senkrechte Temperaturverteilung in der Luft zu erwarten ist. Auch die Wahl der richtigen Foils hängt vom Wind ab.

Den Teams ist jedoch nicht wie bei vorherigen Cups erlaubt, eigene Wind- und Temperaturmessungen vorzunehmen. Die Daten erhalten sie von den Regattaorganisatoren und können daraus eigene Prognosen ableiten. Die Kunst besteht also nicht mehr darin, möglichst akkurat Daten zu erheben, sondern aus vorhandenen Zahlen die richtigen Schlüsse zu ziehen, die richtigen Vorhersagemodelle zu entwickeln. Verteidiger Oracle Team USA etwa hat dabei eng mit Airbus zusammengearbeitet.

Oracle Team USA hat zusammen mit Airbus ein eigenes Modell zur Windanalyse und -prognose erarbeitet

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